Manuel Riemann: "Wir hätten einige Spiele nicht gewinnen dürfen"

Manuel Riemann ist einer der Stars der 3. Liga und die Nummer eins im Tor des Aufstiegsaspiranten VfL Osnabrück. Der 24-jährige ist der Erfolgsgarant bei den „Lila-Weißen“.  Riemann stieß im Sommer 2010 vom SV Wacker Burghausen zu den Niedersachsen, wo er bisher 59 Spiele in der 3. Liga absolvierte. Im exklusiven Interview mit liga3-online.de spricht Riemann offen über die Saison, seine persönliche Situation, sowie die Zukunft des VfL Osnabrück.

liga3-online.de: Manuel, Sie sind seit knapp drei Jahren beim VfL Osnabrück. Sie haben viel miterlebt. Einen Abstieg, die Degradierung zur Nummer zwei, und und und. Wie ist Ihr Fazit?

Manuel Riemann: Ich habe sehr sehr viel gelernt, sowohl als Ersatztorhüter, als auch als Nr.1 bei einem großen Verein mit vielen, tollen Fans. Der Verein ist eigentlich wie ein Zweitligist, von den Fans und der Struktur her. Das ist etwas ganz Besonderes.

Gab es eine Zeit, wo Sie auch einmal „hin schmeißen“ wollten und vielleicht sogar den Verein wechseln wollten?

Im ersten Jahr war es schon so, dass sowohl der Verein nicht mit mir und ich nicht mit dem Trainer zufrieden war, weil ich unter anderen Voraussetzungen hier hin gekommen bin. Es hat dann nicht so gepasst, da war man schon kurz davor sich zu trennen. Dann kam aber mit Uwe Fuchs ein neuer Trainer – der wollte mich unbedingt behalten. Zum Glück bin ich da geblieben. Jetzt spiele ich meine zweite Saison und das auch ganz gut, würde ich sagen. Mal sehen, wo es noch hingeht.

Das heißt, Sie sind mit Ihrer persönlichen Leistung zufrieden?

Ja, doch – die Hinrunde war gut, sie war eigentlich überragend. Dann habe ich mich operieren lassen. Ich habe das erste Spiel dann wieder gut gespielt, das zweite Spiel war dann unglücklich – da waren wir alle nicht gut, auch ich nicht. Gegen Chemnitz bin ich gut rein gekommen. Dann kam ein Fehler, den ich ausbügeln wollte. Ich habe die rote Karte gesehen. Jetzt bin ich gesperrt für ein weiteres Spiel, dann will ich der Mannschaft wieder weiter helfen.

Sie sprechen die Platzverweise an, zwei an der Zahl, alleine in dieser Saison. Wie bewerten Sie die roten Karten?

Der erste Platzverweis war einfach keiner – es war kein Foul! Er legt den Ball an mir vorbei, will weiterlaufen und sieht dann "Er kommt nicht an den Ball" und fällt dann einfach hin. Das zweite war ein klares Foul. Der Schiedsrichter hat es als rote Karte ausgelegt – das ist eben so. Ich kann es nicht ändern. Risiko gehört auch zu meinem Spiel. Das geht sehr oft gut. In diesen Fällen wollte ich einfach Fehler von Mitspielern ausbügeln. Da hätte ich vielleicht auf der Linie bleiben sollen, dann hätte ich aber ein Tor kassiert. Ob man mir das negativ auslegt, muss jeder selber wissen.

Gerade in den TV-Berichterstattungen kamen Sie dabei sehr negativ weg.

Ich glaube, jeder der etwas vom Fußball versteht, weiß, dass ich das nicht mit Absicht gemacht habe. Klar, muss das Risiko kalkulierbar sein. In dem Moment hast du keine Zeit zu überlegen: "Gehe ich raus oder nicht." Du hast nur den Bruchteil einer Sekunde Zeit, um zu entscheiden. Ich habe da zwei Mal leider falsch entschieden. Ich habe dadurch drei Spiele verpasst und meiner Mannschaft einen „Bärendienst“ erwiesen. Aber die Jungs wissen, dass ich nur die Fehler ausbügeln wollte. Daraus lerne ich auch wieder.

Gab es Vorwürfe aus der Mannschaft, oder vom Trainer.

Quatsch. Die Mannschaft weiß genau, dass ich helfen wollte.

 

Sie haben ein Spiel Sperre abgesessen und noch eines vor sich. Ohne Sie konnte der VfL nicht gewinnen. Wie sehen Sie die aktuelle „kritische Phase“, wie der Trainer sie bezeichnet?

Erstmal ist es so: Wir haben eine sensationelle Hinrunde gespielt. Es ist alles für uns gelaufen. Wir haben Spiele gewonnen, die wir nie hätten gewinnen dürfen. Das musst du mitnehmen. Man muss, wie in der Siegesserie, die Ruhe bewahren und weiter knallhart arbeiten. Wir haben die Qualität, um die letzten acht Spiele zu gewinnen. Wenn wir diese gewinnen, werden wir definitiv aufsteigen. Wir wollen aufsteigen, müssen aufsteigen und wir werden auch am Ende aufsteigen.

Sie klingen sehr siegessicher. Wie kommt das? Es stehen ja Mannschaften vor dem VfL, die konstant marschieren…

Wir haben das zu entscheiden. Ja, die anderen Mannschaften sind aktuell vor uns, klar. Aber die spielen auch noch gegeneinander. Wir spielen auch noch gegen die direkten Konkurrenten. Wir haben es noch in der eigenen Hand. Wenn am Ende alle Mannschaften vor uns gewinnen, dann haben die es einfach auch verdient. Aber ich bin überzeugt, dass wir aufsteigen. Wir haben die Qualität – die Mannschaft, der Trainer, die Fans im Rücken – der Verein muss hoch und wir werden das schaffen.

Sie hatten einige Mühe nach dem Abstieg sich in der Liga zu etablieren. Seit der Rückrunde letzter Saison läuft es ganz gut. In wie weit spielt der Trainerwechsel zu Claus-Dieter Wollitz eine Rolle?

Wir haben, wie auch Bielefeld, ein gutes Jahr gebraucht um uns zu etablieren. Dann kam letztes Jahr im Winter der „Pele“. Wir haben da auch schon viele Punkte in der Rückrunde geholt. Hätten wir so eine Hinrunde gespielt, wären wir bereits aufgestiegen. Er ist ein Typ: Alles oder nichts. Wir spielen selten unentschieden. Letztes Jahr sehr oft. Wir haben zwar viele Spiele verloren in der Rückrunde, aber auch sehr viele gewonnen.

Er ist ja ein ganz spezieller Typ Trainer, der sehr stark polarisiert. Hat er besonderen Anteil am Erfolg?

Klar, es liegt nicht nur an der Mannschaft. Er hat in dieser Saison einfach , egal ob in der Aufstellung, Ein- oder Auswechslung immer wieder überrascht und immer wieder die richtigen Entscheidungen getroffen.Im Moment ist es so, dass die Entscheidungen auch nicht so ganz 100 prozentig passen. Aber wir müssen uns von dem Gedanken verabschieden, dass wir so spielen, wie in der Hinrunde.

Wo ist denn der Unterschied zur Hinrunde?

In der Hinrunde, da hast du über Nichts nachgedacht, du spielst einfach. In der Rückrunde fängt jeder an nachzudenken – die Berater kommen hinzu, du kommst in der Winterpause nach Hause, jeder sagt: „Wow, ihr steigt ja auf.“ Du fängst an dann zu realisieren. Wenn du spielst, denkst du gar nicht über so etwas nach. Wenn du zur Ruhe kommst und auch die bekannten „Schulter-Klopfer“ dazu kommen ist es natürlich so, dass du anfängst dir Gedanken zu machen. Das sollte und darf nicht der Fall sein. Wir werden aber aus dieser Situation gestärkt heraus kommen. Wir haben so viele Rückschläge in der Hinrunde ins Positive umgemünzt. Ich bin mir ganz sicher, dass wir am Ende mit dieser Mannschaft oben stehen.

Man hört und liest oft von finanziellen Querelen in Osnabrück. Spricht man in der Mannschaft über so etwas und kann man das ausblenden?

Wir haben es in der Hinrunde sehr gut geschafft, die finanziellen Dinge außen vor zu lassen. Wir haben uns um uns gekümmert und uns auf den Fußball konzentriert. Das muss auch wieder so sein.

Das heißt ja, es ist schon gegenwärtig…

Klar. Es ist ja soweit, dass manche Spieler noch einen Vertrag haben. Im Hintergrund wird erzählt, dass der Verein am Abgrund steht. Ich bin da vielleicht auch der falsche Ansprechpartner. Der Verein ist mir sehr wichtig. Aber es kommt alles so wie es kommen muss. Ich bin so ein Typ. Ich weiß, ich kann alles in der Zukunft beeinflussen. Wenn wir aufsteigen, wird der Verein weiter leben. Ich beschäftige mich nicht, damit: was ist wenn wir nicht aufsteigen…

Wie gehen Sie denn persönlich mit dieser Situation um?

Klar muss man als Spieler, wenn man so etwas hört, zweigleisig planen. Das ist wie beim Verein. Der Verein muss bis zum letzten Tag für beide Ligen planen. Es ist also auch als Spieler legitim. Man hört immer wieder, es gehe in der 3. Liga nicht weiter, zumindest nicht so, wie man sich das vorstellt. Dann muss man als Spieler mit hohen Ansprüchen, die ich definitiv habe –  ich möchte irgendwann  erstklassig spielen – weiter denken. Das ist nichts falsches oder verwerfliches. Ich würde mich sehr  freuen nächstes Jahr mit Osnabrück zweite Liga zu spielen. Dafür habe ich verlängert, weil ich hier viel habe. Wenn man aber so etwas hört, muss man aber zweigleisig planen.

Sie spielen  eine gute Saison. Gibt es schon Anfragen anderer Klubs oder Überlegungen ihrerseits?

Nein. Darüber muss man ja, wie gesagt, gar nicht sprechen.

Sie sind mit 24 Jahren sehr erfahren, sind im Mannschaftsrat und sogar Vize-Kapitän. Was soll noch kommen in Zukunft und haben Sie gar einen Karriereplan?

Ich habe eine sehr konstante Hinrunde gespielt. Dann kam die Hand-OP dazwischen. Der Nagel ist raus, ich bin komplett schmerzfrei. Dann kam die rote Karte dazwischen. Das wirft mich aber nicht um. Ich gehe daraus gestärkt hervor. Ich hoffe, dass ich die letzten sieben Spiele wieder genau so spielen kann, wie in der Hinserie. Aber man kann nichts planen.

Sie haben vorhin die erste Liga angesprochen. Ist das ein zukunftsnahes  Ziel?

Wenn am Ende der Runde ein Erstligist da steht und mich gerne hätte und ich da Perspektive hätte, dann wird mir das niemand verübeln, kein Trainer, Fan oder Mitspieler, wenn ich das versuchen würde. Es sollte aber die Gelegenheit geben und Chance zu spielen.

Manuel Riemann ist dem Fußball-Kenner ein Begriff. Nach dem DFB-Pokalspiel gegen den FC Bayern waren Sie so etwas wie der Shooting-Star unter den Jung-Torhütern.

Das ist wahr. Das ist aber Vergangenheit. Davon kann man sich nichts kaufen. Fußball ist ein Tagesgeschäft. Es zählt die Gegenwart.

Sie hatten extrem viel mediale Beachtung. Lernt man auch aus so einer Extremsituation?

Klar, aus so etwas kann man richtig viel lernen. Das war das Highlight meiner Karriere. Es kann kein größeres geben, außer man spielt mal Champions League oder Nationalmannschaft – davon gehe ich aber erst einmal nicht aus. (lacht)

Damals war Ihr Gegenüber der Welttorhüter Oliver Kahn. Von Ihrer Spielweise ähneln sie aber eher seinem damaligen Hauptkonkurrenten Jens Lehmann. Wer war damals ihr Vorbild?

Ich glaube Jens Lehmann war für früher ein sehr guter Torwart und Fußballer. Es gibt aber heutzutage noch bessere in den internationalen Ligen. Früher waren Oliver Kahn und auch Cech so etwas wie ein Vorbild. Ich wollte aber nie so sein, wie ein Spezieller.

Viele haben ja die Bilder mit Ihnen und Kahn nach dem Spiel noch vor Augen. Was wurde gesprochen?

Er hat mir nach dem Spiel gesagt, dass ich ein gutes Spiel gemacht habe und weiter machen solle. Ich habe ihn nach seinem Trikot gefragt – welches er mir in die Kabine hängen lies.

Besitzen Sie dieses noch?

Klar. Das gebe ich nie wieder her.

Ihr Bruder Alexander ist ebenfalls Profi – bei Sandhausen. Es kam ja auch schon zu Duellen, damals gegen den VfB Stuttgart II. Spielen Sie lieber gegen ihn, oder würden Sie ein gemeinsames Engagement bevorzugen?

Ich würde mich sehr freuen mit ihm zusammen zu spielen. Es ist für alle Geschwister etwas Besonderes einmal zusammen zu spielen. Gegeneinander spielen ist ganz ekelhaft. Einer ist der Gewinner und reibt es dem anderen unter die Nase. Ich bin auch kein guter Verlierer. Ich würde lieber mit ihm spielen, als gegen ihn. Dann muss ich mich nicht ganz so ärgern. Nur wenn er nicht läuft (lacht) – aber er kann mir keinen „reinhauen“. (lacht)

Ihr ehemaliger Mannschaftskollege aus Burghausen, Marco Holz, nannte einen Doppelpack im Spiel gegen sie bei unserer Rubrik „Schwarz oder Weiß!?“ als sein schönstes Fußball Erlebnis.

(lacht) Wenn das schon sein schönstes Erlebnis war, dann ist das schon mal ein Kompliment für mich. Dass es so etwas besonderes ist…. Ich habe es ihm aber auch sehr einfach gemacht. (lacht)

Manuel, vielen Danke für die offenen und ehrlichen Worte.

 

FOTO: Flohre Fotografie

   

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