Strittige Szenen am 33. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati
Der Elfmeter für Köln, die verwehrten Strafstöße für Münster und Dresden, die Tore für Dortmund II und Duisburg, ein Handspiel von Vollath außerhalb des Strafraums, ein nicht gegebener Freistoß für Dresden, ein Schlag von Geipl sowie Foulspiele von Gaus, Kutschke, Ziegele und Kwadwo. Am 33. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf strittige Szenen genauer angeschaut.
Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 53-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.
Szene 1: Einen Schuss von André Becker (Viktoria Köln) bekommt Niklas Landgraf (Halle) im Strafraum an den Arm, Schiedsrichter Lars Erbst gibt Elfmeter für Köln. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]
Babak Rafati: Nach dem Schuss von Becker spielt Landgraf den Ball mit dem Arm und blockt somit das Spielgerät. Auch, wenn der Arm am Körper angelegt ist, liegt durch die aktive Bewegung zum Ball mit dem Arm ein strafbares Handspiel vor, sodass es eine richtige Entscheidung ist, einen Elfmeter zu geben.
Womöglich springt auch ein Stück an die Schulter. Das ist aber dennoch strafbar, weil der Arm ebenfalls im Spiel ist. Das Argument, dass der Ball nur an die Schulter geht, weil der Ball nach oben springt, trifft aus folgendem Grund nicht zu: Der Ball prallt erst auf den Boden und fliegt dann von unten nach oben, deshalb springt er weiter in der Flugbahn nach oben.
Szene 2: Auf dem Weg in Richtung Tor kommt Joel Grodowski (Münster) im Duell mit Keeper Christian Ortag (Ulm) zu Fall, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Florian Lechner nicht. Weil er Strompf zuvor auf die Wade tritt? [TV-Bilder – ab Minute 1:38:00]
Babak Rafati: Der Zweikampf zwischen Grodowski und Strompf ist regelgerecht. Das leichte Berühren von Grodowski mit Strompf passiert im Laufduell und im normalen Bewegungsablauf. Anschließend legt sich Grodowski den Ball an Keeper Ortag vorbei. Dieser kommt etwas zu spät, trifft den Angreifer in die Füße und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte einen Elfmeter sowie die gelbe Karte gegen Ortag geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 3: Bei einem Schuss auf das Tor bekommt Max Geschwill (Sandhausen) das gestreckte Bein von Marcel Gaus (Saarbrücken) ab und verletzt sich dabei. Schiedsrichter Assad Nouhoum pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:23:00]
Babak Rafati: Bei einem Schuss von Geschwill hält Gegenspieler Gaus das gestreckte Bein dagegen und trifft Geschwill am Fuß. Das ist ein Foulspiel, und es hätte einen Freistoß für Sandhausen sowie die gelbe Karte gegen Gaus geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 4: Einen Schuss blockt Philip Fahrner (Freiburg II) vor der Torlinie und bekommt den Ball möglicherweise an den Arm. Einen Elfmeter gibt Schiedsrichterin Dr. Riem Hussein nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:55]
Babak Rafati: Der Ball wird nicht vom Verteidiger auf der Torlinie gerettet, sondern von einem anderen Spieler, der vor ihm steht. Der Ball wird mit dem Fuß abgewehrt. Womöglich springt unmittelbar danach der Ball an den Arm, was die heftigen Proteste mehrerer Spieler von Dresden gleichzeitig begründen würde. Aber das ist unabsichtlich, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, weiterspielen zu lassen.
Szene 5: Der bereits gelb-verwarnte Stefan Kutschke (Dresden) räumt Philip Fahrner (Freiburg II) im eigenen Strafraum ab, kommt aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:25]
Babak Rafati: Es liegt ein Foulspiel von Kutschke an Gegenspieler Fahrner vor, allerdings ist das ein Foulspiel, das alltäglich passiert. Hierfür gibt man keine gelbe Karte, die in diesem Fall zu einer gelb-roten Karte führen würde, da Kutschke bereits gelb-verwarnt ist. Ein wenig wird Kutschke zudem selbst von hinten geschoben, sodass mehr Schwung hinter dem Zweikampf beziehungsweise Aufprall kommt. Ein richtige Entscheidung, keine Karte zu zeigen.
Szene 6: Kurz vor dem Strafraum wird Dennis Borkowski (Dresden) von zwei Freiburgern in die Zange genommen und geht zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:01:35]
Babak Rafati: Borkowski wird vor dem Strafraum von zwei Freiburgern in die Zange genommen, sodass ein Foulspiel vorliegt. Es hätte somit einen Freistoß geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.
Szene 7: Nach einem Zweikampf mit Julian Guttau (1860) schlägt Andreas Geipl (Regensburg) seinem Gegenspieler in den Rücken, kommt bei Schiedsrichter Sören Storks aber mit Gelb davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]
Babak Rafati: Diese Aktion von Geipl nur mit der gelben Karte zu ahnden, ist absolut okay. Es liegt kein Schlag im Sinne einer Tätlichkeit vor. Geipl regt sich über die Aktion zuvor auf, dreht sich einmal um sich selbst und gibt Guttau einen kurzen Schlag in den Rücken. Wenig Dynamik und keine Heftigkeit sind die Hauptgründe. Der Grund (Verursacherprinzip) spricht dann auch für eine gelbe Karte. Das bedeutet aber nicht, dass Selbstjustiz erlaubt ist.
Szene 8: An der Seitenlinie wird Leroy Kwadwo (1860) von Robin Ziegele (Regensburg) weggegrätscht. Storks belässt es bei Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:22:30]
Babak Rafati: Ziegele kommt mit dem gestreckten Bein an der Seitenlinie und grätscht Kwadwo weg. Dadurch, dass Ziegele seinen Gegenspieler über die Beine zu Fall bringt und nicht mit dem gestreckten Fuß trifft, liegt ein Foulspiel vor, das mit einer gelben Karten geahndet werden muss. Für eine rote Karte fehlt das entsprechende Trefferbild. Eine richtige Entscheidung, lediglich die gelbe Karte zu zeigen.
Szene 9: Leroy Kwadwo (1860) blockt Konrad Faber (Regensburg) an der Seitenlinie weg, kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:26:45]
Babak Rafati: Dieser Check von Kwadwo an Faber ist unumstritten ein Foulspiel. Das Foulspiel an sich ist nicht so heftig, aber dadurch, dass Faber auf den Asphalt rutscht, wäre eine gelbe Karte, die richtige Entscheidung. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, diese gelbe Karte wegzulassen.
Szene 10: Nach einem langen Ball bringt Julian Hettwer (Dortmund II) das Spielgerät im Tor unter, hatte dieses bei der Annahme zuvor allerdings an den Arm bekommen. Schiedsrichter Eric Weisbach gibt den Treffer. [TV-Bilder – ab Minute 1:00]
Babak Rafati: Hettwer bekommt den Ball an den Arm und schießt das Spielgerät anschließend ins Tor. Auch, wenn das Handspiel unabsichtlich und im Normalfall nicht strafbar ist, gibt es bei einer Torerzielung eine Sonderregelung. Wenn der Ball dann unmittelbar vom gleichen Spieler ins Tor geschossen wird, ist die Nicht-Absicht irrelevant und somit trotzdem strafbar. Somit hätte das Tor nicht zählen dürfen. Eine Fehlentscheidung, den Treffer trotzdem zu geben.
Szene 11: Bei einem Zweikampf im Mittelfeld prallen Jonas Michelbrink (Duisburg) und Jonas Carls (Mannheim) zusammen. Schiedsrichter Martin Petersen gibt Freistoß, aus dem das 1:0 für Duisburg fällt. [TV-Bilder – ab Minute 1:00:30]
Babak Rafati: Im Mittelfeld spielt Michelbrink zuerst den Ball, und dann kommt Carls etwas zu spät und trifft seinen Gegenspieler am Fuß. Eine richtige Entscheidung, hierfür einen Freistoß für Duisburg zu geben.
Szene 12: Haching-Keeper René Vollath fängt einen Ball außerhalb des Strafraums mit der Hand ab, kommt bei Schiedsrichter Daniel Bartnitzki aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]
Babak Rafati: Da keine Verhinderung einer Torchance durch Keeper Vollath vorliegt, gibt es keine rote Karte. Allerdings hätte es eine gelbe Karte wegen einer Unsportlichkeit geben müssen. Somit eine Fehlentscheidung, gar keine Karte zu zeigen.
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