Strittige Szenen am 2. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Das 1:0 für Unterhaching und Mannheim, die nicht gegebenen Elfmeter für Verl, Dortmund II und Hannover II, der verwehrte Treffer für Sandhausen, die Platzverweise gegen Benschop und Mogultay, ein nicht gegebener Freistoß für Sandhausen, Foulspiele von Plath sowie die gelbe Karte gegen Waidner. Am 2. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Max Plath (Ingolstadt) spielt im Duell mit Maximilian Hennig (Unterhaching) den Ball, sieht von Schiedsrichter Tobias Wittmann aber Gelb. Zudem gibt es Freistoß, aus dem das 1:0 resultiert. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Das Tackling von Plath gegen Hennig ist absolut fair und nur auf den Ball gerichtet. Es wird auch nur der Ball gespielt und das lupenrein. In dieser Szene überhaupt einen Freistoß zu geben, ist eine klare Fehlentscheidung. Obendrein eine gelbe Karte für ein klares Ballspielen zu zeigen, ist zudem noch mehr als falsch einzuordnen. Somit hätte es keinen Freistoß geben und in der Folge nicht zu einem Treffer kommen dürfen.

Szene 2: Der bereits verwarnte Max Plath (Ingolstadt) begeht im Mittelfeld ein Foulspiel an Ortel (Unterhaching) und hält ihn fest, kommt bei Wittmann aber mit einer Ermahnung davon. [TV-Bilder – ab Minute 1:01:30]

Babak Rafati: Der bereits gelb-verwarnte Plath hält im Mittelfeld kurz und ansatzlos am Trikot von Ortel fest und begeht somit ein taktisches Foulspiel, das die gelbe Karte zwingend vorschreibt. In dieser Szene keine gelbe Karte zu zeigen, ist eine Fehlentscheidung. Danach zudem Stiefler von Unterhaching wegen der neuen Kapitänsregelung die gelbe Karte zu zeigen, steht in keinem Verhältnis. Hier wurden Ursache und Wirkung einfach verfehlt.

Szene 3: Für ein vermeintliches Foulspiel an Simon Lorenz (Ingolstadt) an der Torauslinie sieht Dennis Waidner (Unterhaching) Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:05:25]

Babak Rafati: Bei einem Angriff über die rechte Seite im Strafraum spielt Waidner den Ball in die Mitte. Noch in der Schussbewegung trifft er Lorenz unglücklich am Fuß, was sicherlich schmerzt, aber im Fußballsport keinesfalls ein Foulspiel darstellt. In dieser Szene einen Freistoß zu geben und obendrein eine gelbe Karte zu zeigen, ist einfach nicht nachvollziehbar. Eine Fehlentscheidung, derartig zu entscheiden, zumal in diesen drei Szenen in diesem Spiel eine einheitliche Zweikampfbewertung nicht gegeben ist.

 

Szene 4: Für ein Foulspiel an Max Scholze (Verl) sieht Charlison Benschop (Aachen) von Schiedsrichter Felix Bickel glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 0:20]

Babak Rafati: Bei diesem Foulspiel trifft Benschop seinen Gegenspieler Scholze, wenn auch unglücklich und unbeabsichtigt, wie er es auch gleich signalisiert, über dem Sprunggelenk. Dieses Foulspiel ist aber aufgrund des Trefferbildes eine Gefährdung der Gesundheit in Kauf nehmend, und somit ist die rote Karte die vollkommen richtige Entscheidung. Ein Riesenlob (!) an den Schiedsrichter, diese Szene derartig richtig auf dem Platz einzuordnen, zumal es in der 3.Liga bekanntlich keinen Videobeweis gibt. Dabei besticht die abwartende Haltung des Schiedsrichters, zunächst zum Tatort zu gehen, sich alle Zeit zu nehmen und dann zur richtigen Entscheidungsfindung zu kommen. Bemerkenswert auch, dass der Schiedsrichter keine Scheu davor hat, bereits in den Anfangsminuten eine Entscheidung zu treffen, die gegen die Heimmannschaft ist und das am Aachener Tivoli. Prima!

Szene 5: Im Strafraum geht Berkan Taz (Verl) bei einem Zweikampf mit Mika Hanraths (Aachen) zu Fall und fordert einen Elfmeter, den Bickel jedoch nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:29:00]

Babak Rafati: Taz wird angespielt und legt sich den Ball in den Strafraum vor, verliert dann aber das Laufduell gegen Hanraths, sodass der Verteidiger in eine bessere Position zum Ball gelangt, als der Angreifer. Als Taz den letzten Schritt zum Ball machen will, trifft er dann Hanraths in die Füße, sodass wenn überhaupt ein Stürmerfoul vorliegt und somit keine Rede von einem möglichen Elfmeter sein kann. Eine richtige Entscheidung, keinen Elfmeter zu pfeifen.

Szene 6: Dominik Stezcyk (Verl) geht im Strafraum gegen Bentley Baxter Bahn (Aachen) zu Fall, erneut lässt der Schiedsrichter weiterspielen. [TV-Bilder – ab Minute 1:51:50]

Babak Rafati: Stezcyk wird im Strafraum angespielt, fährt dann das Bein weit heraus, kommt dann selbstverschuldet zu Fall und bringt auch Bahn zu Fall. Diese Spielweise hat sich bei den Stürmern mittlerweile eingebürgert, um ein Foulspiel des Verteidigers zu ziehen, der dann keine Chance zum Weiterlaufen hat und es in der Folge zu einem Kontakt kommt. Ein Foulspiel des Verteidigers liegt aber nicht vor, sodass wieder eine richtige Entscheidung vorliegt, keinen Elfmeter zu geben. Die anschließende Reaktion von Stezcyk spricht dann auch eine klare Sprache.

 

Szene 7: Im Duell mit Julian Hettwer (Dortmund II) nimmt Jonas Kersken (Bielefeld) den Ball auf, setzt aber nach und trifft Hettwer am Bein. Kein Elfmeter, sagt Schiedsrichter Christian Ballweg. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Zunächst kommt Keeper Kersken aus seinem Tor heraus gelaufen und kann den Ball sauber und fair aufnehmen. Anschließend zieht er aber das Bein klar und deutlich nach oben, trifft Hettwer in die Füße und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Elfmeter sowie die gelbe Karte gegen den Keeper geben müssen. Eine Fehlentscheidung, den fälligen Elfmeter nicht zu geben und weiterspielen zu lassen.

Szene 8: Im Laufduell zieht Baran Mogultay (Dortmund II) seinen Gegenspieler Nassim Boujellab (Bielefeld) zu Boden. Ballweg entscheidet auf Notbremse und zeigt glatt Rot. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Im Laufduell zieht Mogultay über mehrere Meter Gegenspieler Boujellab am Trikot und bringt ihn schlussendlich kurz vor dem Strafraum zu Fall. Das ist unumstritten ein Foulspiel, das nur die Intention verfolgt, den Gegner regelwidrig aus dem Spiel zu nehmen. Zudem wäre der Angreifer durch gewesen und hätte eine glasklare Torchance gehabt, da der andere Verteidiger den Angreifer in zentraler Position nicht mehr entscheidend hätte stören können. Somit ist auch die rote Karte die richtige Entscheidung.

 

Szene 9: Nach einer Ecke trifft Marco Schikora zum 1:0, allerdings gibt Schiedsrichter Eric Weisbach den Treffer aufgrund einer vermeintlichen Abseitsposition nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Nach dem Kopfball steht ein Sandhäuser Spieler zwar im Abseits, dieser greift aber nicht ins Spielgeschehen ein und bekommt den Ball auch nicht. Stattdessen wird der Ball vom Gegner zum anschließenden Torschützen Schikora befördert, der zuvor nicht im Abseits stand, sodass keine Abseitsposition vorliegt. Der Assistent hebt die Fahne zu früh, weil er nach dem Kopfball die vermeintliche Abseitsposition bewertet, obwohl der Ball dort erst gar nicht hinkommt und somit keine strafbare Abseitsposition vorliegt. Auch das Argument, dass der Angreifer, der im passiven Abseits steht, den Verteidiger irritiert uns somit ins Spielgeschehen eingreift, kann nicht gelten. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor, den Treffer nicht anzuerkennen.

Szene 10: Kurz vor dem Strafraum wird Dominic Baumann (Sandhausen) von Sebastian Vasiliadis (Saarbrücken) zu Fall gebracht, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 50:40]

Babak Rafati: Kurz vor dem Strafraum schirmt Baumann den Ball ab. Vasiliadis will den Ball spielen, trifft aber den Angreifer nur am Fuß und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und es hätte einen Freistoß und die gelbe Karte gegen Vasiliadis geben müssen, weil eine gute Angriffssituation unterbunden wird. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und den fälligen Freistoß nicht zu geben.

 

Szene 11: Nach einer Ecke trifft Niclas Shipnoski zum 1:0 für Mannheim. Köln reklamiert bei Schiedsrichter Jarno Wienefeld Abseits bei der Kopfball-Verlängerung von Okpala, der Treffer zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:15]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt des Kopfballs des Mannheimer Spielers Okpala auf Shipnoski steht von der Hintertorkamera aus gesehen ein Verteidiger tendenziell auf der gleichen Höhe wie der anschließende Torschütze. Somit ist die Szene nicht zweifelsfrei aufzulösen. Allerdings scheint die Entscheidung, das Tor anzuerkennen, tendenziell richtig zu sein. Zudem ist zu beachten, dass die Assistenten die Anweisung haben, im Zweifel für die Angreifer laufen zu lassen, was in dieser Szene richtig praktiziert wird.

 

Szene 12: Auf dem Weg in den Strafraum kommt Montell Ndikom (Hannover II) im Duell mit Jimmy Kaparos (Essen) zu Fall, Schiedsrichter Yannick Rupert lässt weiterlaufen. [TV-Bilder – ab Minute 1:24:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf zwischen Ndikom und Kaparos kommt es zwar zu einem leichten Kontakt außerhalb des Strafraums, dieser ist aber für ein Foulspiel einfach nicht ausreichend. Im Fußbereich ist alles regelgerecht, lediglich der Arm geht ein wenig heraus, aber dieser Armeinsatz ist im Bereich des Erlaubten. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button