Null Punkte und Platz 19: Die Gründe für den Fehlstart bei 1860
Nach zwei Spielzeiten, in denen 1860 München dem Abstieg deutlich näher war als dem lang ersehnten Aufstieg, soll in dieser Saison alles besser werden auf Giesings Höhen. Zahlreiche namhafte Transfers gelobten Besserung. Doch die nüchterne Realität nach zwei Spieltagen heißt: Null Punkte und Platz 19. liga3-online.de wirft einen Blick auf die Gründe.
Grund 1: Großer Umbruch im Sommer
Patrick Hobsch, Raphael Schifferl, David Philipp, Thore Jacobsen, René Vollath – die Neuzugänge lesen sich wie das "Who-is-who" der 3. Liga. Doch viele gute Einzelspieler machen noch lange keine funktionierende Mannschaft. Die Löwen erfahren den Wahrheitsgehalt dieser alten Fußballweisheit gerade auf schmerzhafte Art und Weise. Die namhaft besetzte Mannschaft wirkt bisher wie ein zusammengewürfelter Haufen. Von eingespielten Mechanismen ist noch keine Spur.
Dass das Team nach dem großen Umbruch im Sommer – 20 Abgängen stehen 10 Neuzugänge gegenüber – Zeit brauchen würde, war jedem klar. Dennoch kommt es überraschend, wie wenig weit der Findungsprozess fortgeschritten ist, zumal der Großteil der Neuzugänge bereits recht früh verpflichtet werden konnte und weite Teile der Vorbereitung zur Verfügung stand.
Grund 2: Neues System greift noch nicht
Stichwort Vorbereitung. Trainer Argirios Giannikis wollte diese nutzen, um seiner Mannschaft ein neues System einzuimpfen. Ein 4-2-2-2 soll es nach dem Gusto des Deutsch-Griechen sein. Voller Fokus auf ein spielstarkes Zentrum, das in der Theorie von zwei "Halb-Zehnern" belebt wird. So weit die Idee. Nach zwei Spieltagen lässt sich aber festhalten, dass die Spieler dieses Konzept noch nicht verinnerlicht haben. Die neuen Stürmer – seien es Patrick Hobsch, Maximilian Wolfram oder Eigengewächs Raphael Ott – hängen komplett in der Luft. Die "Halb-Zehner" fremdeln mit ihrer Position und die Außenverteidiger, die nach Möglichkeit die gesamte Außenbahn beackern sollen, wirken überfordert. Das Ergebnis: Ein äußerst zahnloses Auftreten, das phasenweise an Apathie grenzt.
Dass das neue System noch nicht greift, musste sich auch Giannikis eingestehen, der in der Halbzeit des Stuttgart-Spiels dreifach wechselte und dabei auf ein klassisches 4-2-3-1 umstellte, was zumindest etwas Besserung brachte. Doch mitten rein in die beste Phase der Löwen erzielte der junge VfB das zweite Tor – und das dritte folgte sogleich. Ein Flipper-Tor nach einem unzureichend geklärten Freistoß und eine zum Sonntagsschuss mutierte Klärungsaktion aus rund 60 Metern. Nein, bisher haben die Löwen in dieser Spielzeit auch kein Spielglück.
Grund 3: Stimmt die Fitness?
Gleichzeitig darf sich aber auch die Frage gestellt werden, warum die Münchner sowohl gegen Saarbrücken als auch gegen Stuttgart in der Schlussphase nicht mehr in der Lage waren, einen Zahn zuzulegen. Es macht den Anschein, dass die Grundlagenarbeit an der Fitness in der Vorbereitung bei allem Fokus auf das neue System zu kurz gekommen ist. Ja, die hochsommerlichen Temperaturen machen jedem zu schaffen. Doch wenn manche Spieler bereits nach rund einer Stunde von Krämpfen geplagt sind, muss die Frage nach der nötigen Fitness der Spieler erlaubt sein.
Grund 4: Kritisches Umfeld
All diese Themen werden derzeit bei den zahlreichen Fans heiß diskutiert. Der treue Anhang der Löwen ist einerseits ein gewaltiges Faustpfand. Andererseits sorgt er traditionell dafür, dass die sportlichen Verantwortlichen schneller ins Kreuzfeuer der Kritik geraten als an anderen Standorten. Befeuert von mutigen Ansagen aus der Geschäftsführung ist der Löwen-Anhang derzeit äußerst kritisch. Auch, weil dem Umbruch im Sommer mehrere Identifikationsfiguren zum Opfer fielen – so zum Beispiel Fabian Greilinger (bekam keinen neuen Vertrag) und Marco Hiller (Degradierung zur Nummer 2) –, herrscht bei den Fans eine gewisse Erwartungshaltung.
Umso schwerer fällt es dem Anhang, wenn die vermeintlichen neuen Heilsbringer die angedachten Rollen bisher nur bedingt erfüllen. Dass Neu-Keeper René Vollath gegen Stuttgart ein Gegentor von hinter der Mittellinie kassierte, ist nicht gerade förderlich für das Vertrauen der Fans in die Entscheidungen der sportlichen Leitung. Anstatt für einen 34-jährigen Torwart eine beachtliche Ablöse nach Unterhaching zu überweisen, obwohl mit Marco Hiller bereits ein erwiesener Top-Keeper im Kader steht, hätten sich viele Fans eine Verstärkung für das zentrale Mittelfeld gewünscht, das sich seit Jahren als Problemzone erweist.
Grund 5: Explosive Stimmung
In Stuttgart machte der mitgereiste Anhang mit lautstarken "Marco-Hiller"-Sprechchören auf sich aufmerksam. Zudem wurde an den Kampfgeist der Mannschaft appelliert. Auch über die Trainerposition wird bei so manchem Fan bereits kritisch debattiert. Mit anderen Worten: Bei den Sechzgern herrscht mal wieder eine explosive Stimmung. Umso größer ist der Druck, nach der Länderspielpause gegen Viktoria Köln den ersten Saisonsieg einzufahren. Ansonsten droht bereits sehr früh in der Saison eine weitere Eskalation in der bayrischen Landeshauptstadt.