Strittige Szenen am 8. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Der nicht gegebene Treffer von Dresden und Unterhaching, eine Aktion von Kutschke gegen Yarbrough, die verwehrten Elfmeter für Dresden, Unterhaching, Saarbrücken, Cottbus, Bielefeld, Rostock (2) und 1860, die rote Karte gegen Unterberger, das 2:0 von Cottbus, der Platzverweis gegen Semic, Foulspiele von Kersken und Brünker. Am 8. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de 16 strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Robin Meißner bringt den Ball zum 1:0 im Tor unter, weil er davor aber Sasa Strujic (Aachen) zur Seite geschubst hatte, zählt der Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 33:30]

Babak Rafati: Meißner schiebt Gegenspieler Strujic mit seinem Arm so heftig weg, dass dieser zu Fall kommt, sodass das Schieben ursächlich für das Zufallkommen ist. Daher liegt ein Foulspiel vor, und so ist es eine richtige Entscheidung, Foulspiel zu pfeifen und den anschließenden Treffer abzuerkennen.

Szene 2: Nach einem Zweikampf mit Lamar Yarbrough (Aachen) sieht Stefan Kutschke (Dresden) die gelbe Karte. [TV-Bilder – ab Minute 57:05]

Babak Rafati: In dieser Szene auf Foulspiel von Kutschke zu pfeifen ist in Ordnung. Allerdings macht Yarbrough mehr daraus als vorgefallen ist und wälzt sich nach dem Zweikampf am Boden. Der Schiedsrichter schlichtet zunächst einmal gut, um die Gemüter zu beruhigen. Die Aktion von Kutschke ist kein Nachtreten (viel zu wenig dafür), aber auch unnötig. Ein Versuch des Nachtretens ist es auch nicht, vielmehr ein kurzes Gestochere von ihm, weil ihm irgendetwas nicht passt. Daher ist die gelbe Karte eine richtige Entscheidung, weil diese Aktion unsportlich und zugleich unnötig ist.

Szene 3: Im Strafraum geht Christoph Daferner (Dresden) im Duell mit Patrick Nkoa (Aachen) zu Fall und fordert einen Elfmeter, den es aber nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 2:08:15]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf läuft Daferner selbst gegen Nkoa auf und kommt anschließend zu Fall. Hierbei liegt kein Foulspiel vor, sodass es eine richtige Entscheidung ist, keinen Elfmeter zu geben.

 

Szene 4: Auf dem Weg zum Tor geht Simon Skarlatidis (Unterhaching) im Duell mit Niklas Kreuzer (Sandhausen) zu Fall, einen Elfmeter gibt es nicht. [TV-Bilder – ab Minute 31:40]

Babak Rafati: Im Strafraum legt sich Skarlatidis den Ball vor und Kreuzer rutscht in den Zweikampf, trifft dabei aber nicht den Ball. Vielmehr schmeißt er sich vor die Füße von Skarlatidis, hindert diesen am Weiterlaufen und bringt ihn schlussendlich zu Fall. Das ist ein Foulspiel, und somit hätte es einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, diesen nicht zu geben.

Szene 5: Nach einem Freistoß bringt Thomas Winklbauer den Ball zum 1:0 für Unterhaching im Tor unter, jedoch entscheidet Schiedsrichter Dr. Robert Kampka nach einem leichten Schubser von Lenn Jastremski (Unterhaching) gegen Sebastian Stolze (Sandhausen) auf Stürmerfoul und gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:35]

Babak Rafati: Auch wenn Jastremski beide Arme einsetzt, liegt ein sehr leichter Schubser vor, den Stolze sehr dankend annimmt und zu Fall kommt. Das kennen wir auch bei Angreifern, die einen leichten Kontakt dankend annehmen, um einen Elfmeter zu schinden. Wenn man solche Zweikämpfe unterbinden würde, würde der Fußballsport nicht nur leiden, sondern verfehlt werden, sodass es richtig gewesen wäre, weiterspielen zu lassen und den anschließenden Treffer von Winklbauer anzuerkennen. Eine Fehlentscheidung, auf Foulspiel zu entscheiden und den Treffer zu verweigern.

Szene 6: Nach einem Handshake mit dem Vierten Offiziellen im Anschluss an die Partie sieht Haching-Trainer Marc Unterberger von Kampka die rote Karte, nachdem er den Vierten Offiziellen zuvor leicht in einen Tisch gedrückt hatte. [TV-Bilder – ab Minute 3:00]

Babak Rafati: Der Handshake von Unterberger ist für mich im Rahmen. Dass der Vierte Offizielle etwas ins Wanken kommt, ist der Tatsache geschuldet, dass er zuvor selbst ein wenig ausweichen will und dann gegen den Tisch hinter ihm stößt. Nur hierfür die rote Karte zu zeigen, wäre einfach zu hart. Womöglich werden in dieser Szene auch ein paar unschöne Worte seitens des Trainers gefallen sein. Es fällt schwer, nur für den Handshake die rote Karte als vertretbar einzustufen, auch wenn der Trainer nach dem Spiel einsichtig war.

 

Szene 7: Im Strafraum wird Richard Neudecker (Saarbrücken) von Dennis Slamar (Cottbus) gehalten und geht zu Boden, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Cristian Ballweg nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:25]

Babak Rafati: Im Zweikampf wird Neudecker von Gegenspieler Slamar klar am Trikot gehalten, sodass dieser in Rückenlage kommt und den Ball nur noch unkontrolliert schießen kann. Das ist ein Foulspiel, und es hätte aufgrunddessen einen Elfmeter geben müssen. Zudem ist das Foul nur gegnerorientiert und nicht ballorientiert. Und da Neudecker eine sehr gute Torchance hat, die beiden weiteren Verteidiger nicht mehr entscheidend eingreifen können und Neudecker nur noch den Torwart vor sich hat, wäre regeltechnisch die rote Karte zwingend vorgeschrieben. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Vergehen erst gar nicht zu ahnden.

Szene 8: Kai Brünker (Saarbrücken) hält gegen Filip Kusic (Cottbus) den Fuß drüber, kommt aber ohne Karte davon. [TV-Bilder – ab Minute 57:30]

Babak Rafati: Kai Brünker will zum Ball und hält den Fuß drüber, trifft aber Kusic nicht, sodass ein Freistoßpfiff wegen gefährlichen Spiels richtig ist. Auch keine gelbe Karte zu zeigen, ist eine richtige Entscheidung.

Szene 9: Bei einem Angriff der Cottbuser kommt es zu einem Zusammenprall zwischen Phillip Menzel (Saarbrücken) von Maximilian Pronichev (Cottbus). Der FCS-Keeper geht dabei zu Boden und bleibt liegen. Direkt danach fällt das 2:0 und zählt. [TV-Bilder – ab Minute 1:20]

Babak Rafati: Dieser Zusammenprall zwischen Menzel und Pronichev ist unglücklich und von niemandem verschuldet, sodass eine richtige Entscheidung vorliegt, das Spiel weiterlaufen zu lassen und den anschließenden Treffer anzuerkennen. Diese „Unfälle“ passieren. Dass dann daraus ein Tor fällt, ist unerheblich.

Szene 10: Im Duell mit Richard Neudecker (Saarbrücken) geht Maximilian Pronichev (Cottbus) im Strafraum zu Boden, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:26:40]

Babak Rafati: Im Laufduell im Strafraum trifft Neudecker mit seinem Schienbein seinen Gegenspieler Pronichev gegen die Wade und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist, auch wenn unbeabsichtigt, ein Foulspiel, und es hätte einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen und das Vergehen ungeahndet zu lassen.

 

Szene 11: Nach einer Flanke will Mika Schroers (Bielefeld) zum Ball, geht aber im Duell mit Yari Otto (Verl) zu Fall. Kein Elfmeter, sagt der Schiedsrichter. [TV-Bilder – ab Minute 1:25]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball in den Strafraum will Schroers zum Ball, allerdings greift Otto bewusst mit dem Arm nach hinten, trifft den Angreifer im Gesicht und bringt ihn dadurch zu Fall. Dieses nach hinten greifen ist absichtlich und nur gegnerorientiert, somit hätte es einen Elfmeter und die gelbe Karte gegen Otto geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 12: Arminia-Keeper Jonas Kersken kommt aus dem Tor und will zum Ball, rennt aber Verls Dominik Steczyk mit voller Wucht um, der danach benommen zu Boden geht und raus muss. Eine Karte sieht Kersken nicht. [TV-Bilder – ab Minute 3:25]

Babak Rafati: Die Attacke von Kersken gegen Steczyk ist ein klares Foulspiel, das einen Freistoß nach sich ziehen muss. Der Gegner wird einfach nur umgerannt. Zudem liegt zum Zeitpunkt (!) des Foulspiels eine klare Torchance vor, denn Steczyk wäre allein durch, da der Verteidiger, der neben ihm mitläuft zu Fall kommt und der andere Verteidiger nicht mehr hätte eingreifen können (eine Rasenmarkierung weit entfernt). Eine Fehlentscheidung, keinen Freistoß zu pfeifen und dem Keeper nicht die rote Karte zu zeigen.

Hinweis: Weitere Szenen aus dem Spiel zwischen Bielefeld und Verl konnten aufgrund fehlender TV-Bilder nicht analysiert werden.

 

Szene 13: Nach einer Flanke von Adrien Lebeau (Rostock) bekommt Ryan Malone (Ingolstadt) den Ball im Strafraum an die Hand, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 2:40]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Lebeau bekommt Malone den Ball aus kurzer Entfernung an den Arm, der allerdings angelegt ist, sodass kein absichtliches Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 14: Beim Abwehren einer Flanke bekommt Ryan Malone (Ingolstadt) den Ball im Strafraum womöglich an den Arm, erneut gibt es keinen Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 1:47:55]

Babak Rafati: Malone springt zum Ball und spielt das Spielgerät mit der Brust, sodass kein Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen

 

Szene 15: Patrick Hobsch (1860) geht im Strafraum gegen David Lelle (Dortmund II) zu Fall und bleibt liegen, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Kevin Behrens nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:54:50]

Babak Rafati: Im Laufduell trifft Lelle mit dem linken Fuß Hobsch gegen die rechte Hacke und bringt ihn entscheidend und ursächlich deshalb zu Fall. Der Ball wird überhaupt nicht gespielt. Das ist ein Foulspiel, und es hätte somit einen Elfmeter geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

 

Szene 16: Bei einem Zweikampf mit Moritz Flotho (Wiesbaden) kommt der bereits verwarnte Lion Semic (Osnabrück) ein bisschen zu spät und sieht von Schiedsrichter Patrick Alt Gelb-Rot. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]

Babak Rafati: Im Mittelfeld springen Flotho und der bereits gelb-verwarnte Semic im Zweikampf mit dem Fuß zum Ball. Dabei spielt Flotho zuerst den Ball und Semic kommt etwas zu spät, verfehlt das Spielgerät und trifft nur den Fuß von Flotho. Das ist ein Foulspiel, das rücksichtslos ist. Somit ist die gelbe Karte eine richtige Entscheidung, die in dieser Szene zu einer gelb-roten Karte führt.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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