Wie die "Trainer raus"-Rufe beim FCS zu erklären sind
Obwohl der 1. FC Saarbrücken als Tabellenachter derzeit nur vier Punkte hinter Spitzenreiter Dynamo Dresden steht und in der letzten Saison sensationell ins Halbfinale des DFB-Pokals eingezogen war, kam es in der bisherigen Saison immer wieder zu "Trainer raus"-Rufen von den Rängen. liga3-online.de erklärt die Hintergründe.
Spielweise & Heimbilanz
Was den Fans am meisten sauer aufstößt, ist die Spielweise unter Ziehl. Diese ist selten attraktiv, manch einer spricht gar von "Beamtenfußball". Auch die Statistiken belegen das zum Teil. Mit nur zehn Toren in acht Spielen ist der FCS nur Mittelmaß, selbst Schlusslicht Osnabrück erzielte ein Tor mehr. Zwar hat der FCS im Liga-Vergleich den sechstmeisten Ballbesitz (52,5 Prozent), die meisten Ballberührungen im gegnerischen Strafraum (24,2 pro Spiel) und gibt die drittmeisten Torschüsse aller Klubs ab (6,4 pro Spiel), liegt bei der Anzahl der herausgespielten Großchancen (14) aber lediglich auf Platz elf.
Selbst bei erfolgreichen Spielen treten die Saarländer oft nicht restlos überzeugend auf. Bezeichnend: Drei der vier Siege in dieser Saison kamen durch ein knappes 1:0 zustande. Begeisternden Offensivfußball – gepaart mit hohem Tempo, viel Dominanz und unberechenbaren Spielzügen – gibt es unter Ziehl selten. Lediglich sechs der 73 Liga-Spiele unter dem 46-Jährigen wurden mit mindestens drei Toren Differenz gewonnen (zuletzt beim 4:1 gegen Sandhausen im April) – und das trotz der großen Qualität im Sturm. Im Schnitt erzielt Saarbrücken in den Partien mit Ziehl auf der Bank nur 1,62 Tore pro Spiel. Zum Vergleich: Unter Lukas Kwasniok lag der Schnitt in der Saison 2020/21 noch bei 1,74.
Hinzukommt die schwache Heimbilanz von nur vier Punkten aus vier Spielen. Schon in der letzten Serie gewann der FCS nur acht seiner 19 Heimspiele, was im Ligavergleich lediglich Platz 11 bedeutete. Saisonübergreifend gelangen in den letzten sieben Partien vor eigener Kulisse nur zwei Siege. Sorgen um seinen Job machen muss sich Ziehl aber nicht, Präsident Hartmut Ostermann steht weiter hinter dem gebürtigen Zweibrücker. Dass dieser eine Doppelrolle aus Manager und Trainer ausübt, und damit praktisch sein eigener Chef ist, stößt vielen Anhängern ebenfalls sauer auf.
Nicht am Maximum
Insgesamt, so der Eindruck der Fans, bewegt sich der FCS mit dem Kader unter seinen Möglichkeiten. Schließlich sortierten sich die Blau-Schwarzen mit einem Marktwert von insgesamt 7,98 Millionen Euro immerhin auf Platz 6 ein – hinter Dortmund II, Stuttgart II, Hansa Rostock, Wehen Wiesbaden und Dynamo Dresden. Zwar hat der FCS im Sommer mit Luca Kerber und Tim Schreiber einiges an Qualität verloren, den Kader mit Spielern wie Phillip Menzel, Maurice Multhaup und Sebastian Vasiliadis aber durchaus hochkarätig verstärkt.
Auf vielen Positionen ist der FCS im Drittliga-Vergleich überdurchschnittlich gut besetzt, was dazu führt, dass selbst Spieler wie Richard Neudecker teilweise auf der Tribüne Platz nehmen müssen. Gemessen an der Qualität des Kaders sind 13 Punkte aus acht Partien zu wenig. Weiß auch Sportdirektor Jürgen Luginger: "Es ist klar, dass keiner zufrieden ist. Wir nicht, die Mannschaft und die Fans auch nicht. Es ist aber auch wichtig, dass man in solchen Situationen die Ruhe behält. Alles andere bringt uns nicht weiter", sagt er in der "Bild".
Hohe Ansprüche
Damit spricht der 56-Jährige einen weiteren Punkt an. Denn die Ansprüche beim FCS sind traditionell hoch. Schon seit der Rückkehr in die 3. Liga zur Saison 2020/21 träumen die Fans vom Aufstieg. Das ist auch legitim, zumal die Vereinsführung selbst den Anspruch hat, möglichst schnell den Weg zurück in das Bundesliga-Unterhaus zu finden, wo die Saarländer zuletzt zwischen 2004 und 2006 spielten. Mitunter sind die Erwartungen jedoch zu hoch, was unter anderem beim Innenraum-Sturm im Februar 2022 deutlich wurde. Zur Erinnerung: Der FCS stand zu diesem Zeitpunkt auf Platz vier und hatte gerade sein erstes Heimspiel nach drei Monaten verloren. "Es würde uns in Saarbrücken gut tun, mehr Demut an den Tag zu legen", hatte Kapitän Manuel Zeitz damals gesagt.
Auch Cottbus-Trainer Claus-Dieter Wollitz zeigte sich zuletzt überrascht von der Unruhe beim FCS: "Es ist für mich völlig unverständlich, dass ein Kollege wie Rüdiger, der nachweislich mit dem Klub sehr erfolgreich ist, sich nach einem Spiel, das gegen einen guten Gegner nicht so gut war, Trainer-raus-Rufe anhören muss." Abebben werden diese wohl nur durch eine Siegesserie samt überzeugenden Leistungen.