Strittige Szenen am 17. Spieltag: Die Analyse von Babak Rafati

Die nicht gegebenen Tore für Rostock (2), Verl, Mannheim die verwehrten Strafstöße für Rostock, Saarbrücken und Wiesbaden, die Elfmeter für 1860 und Köln, der Platzverweis gegen Kraulich sowie Foulspiele von Lang, Iwe, Matriciani. Am 17. Spieltag hat sich Ex-FIFA-Schiedsrichter Babak Rafati für liga3-online.de zwölf strittige Szenen genauer angeschaut.

Hintergrund: Babak Rafati war viele Jahre Bundesliga- & FIFA-Schiedsrichter. Insgesamt leitete der heute 54-Jährige 84 Erst-, 102 Zweit-, 13 Drittliga- und zahlreiche internationale Spiele. Exklusiv für liga3-online.de analysiert der erfahrene Schiedsrichter seit März 2015 jeden Spieltag die strittigen Szenen, die durch die Redaktion im Vorfeld ausgewählt werden. Zudem ist er Kolumnist und TV-Experte für Bundesliga-Spiele. Im Hauptberuf arbeitet Rafati heute als Mentalcoach für Profifußballer und Manager und ist ein viel gefragter Referent in der freien Wirtschaft, unter anderem bei DAX-Unternehmen zum Thema Stressmanagement und Motivation. Mehr Infos unter babak-rafati.de.

Szene 1: Nachdem SVS-Keeper Gorka im Anschluss an einen Abstoß über den Ball tritt, schnappt sich Christian Kinsombi die Kugel und trifft zum 2:0. Schiedsrichter Felix Prigan gibt den Treffer nicht. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei der Ausführung des Abstoßes steht Kinsombi auf der Strafraumlinie, die zum Strafraum gehört. Danach schießt er den Ball, nachdem Keeper Gorka verstolpert, ins Tor. Da bei der Ausführung des Abstoßes kein Gegner im Strafraum stehen darf, bevor der Ball im Spiel ist, liegt eine Regelwidrigkeit des anschließenden Torschützen vor. Somit eine richtige Entscheidung, den Treffer nicht anzuerkennen und den Abstoß wiederholen zu lassen. Dass das Spiel erst zeitversetzt und nicht sofort unterbrochen wird, ist regelkonform. Es soll erst die Auswirkung abgewartet werden und nicht sofort jede Regelwidrigkeit ohne Folgen das Spiel unnötig unterbrechen.

Szene 2: Emmanuel Iwe (Sandhausen) geht mit gestrecktem Bein in einen Zweikampf mit Jonas Dirkner (Rostock), Prigan pfeift nicht. [TV-Bilder – ab Minute 1:41:30]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf kommt Iwe mit gestrecktem Bein angegrätscht. Dabei trifft er Dirkner zwar nicht mit dem Bein, jedoch räumt er ihn mit dem Körper ab und bringt ihn dadurch zu Fall. Das ist zweifellos ein Foulspiel, das auch noch rücksichtslos ist, sodass Iwe obendrein die gelbe Karte sehen muss. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen und das Spiel nicht zu unterbrechen. An sich hat der Schiedsrichter sehr gute und freie Sicht, sodass er dieses Vergehen erkennen müsste.

Szene 3: Auf dem Weg in Richtung Tor geht Christian Kinsombi (Rostock) gegen Niklas Lang (Sandhausen) zu Fall, das Spiel läuft weiter. [TV-Bilder – ab Minute 1:43:30]

Babak Rafati: Kinsombi schießt auf das Tor. Zeitgleich springt Lang in den Zweikampf und trifft den Angreifer mit dem Nachziehbein in die Füße. Mit dieser Spielweise geht Lang ein großes Risiko ein. Schlussendlich liegt ein Foulspiel vor, sodass es einen Elfmeter hätte geben müssen. Eine Fehlentscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 4: Tim Krohn (Rostock) trifft zum 2:0, doch wieder zählt der Treffer nicht. Dieses Mal wurde Stürmerfoul von Ryan Naderi an Niklas Lang gepfiffen. [TV-Bilder – ab Minute 3:15]

Babak Rafati: Nach einem langen Ball will Lang zum Kopfball hoch springen, verschätzt sich dabei aber ein wenig. Als Naderi ihm sehr leicht in den Rücken stößt, nimmt er diesen Kontakt dankend an und geht anschließend zu Fall. Das ist aber bei Weitem kein Foulspiel, sodass eine Fehlentscheidung vorliegt, diesen Zweikampf abzupfeifen und den anschließenden Treffer nicht zu geben. Die Beteiligten wünschen in der Bewertung der Zweikämpfe eine großzügige Linie und eben keine kleinliche Regelauslegung, was den Spielfluss einfach nur stört.

 

Szene 5: Eine Flanke von Calogero Rizzuto (Saarbrücken) bekommt Fabio Gruber (Verl) im Strafraum an den Arm, einen Elfmeter gibt Schiedsrichter Michael Näther nicht. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Bei einer Hereingabe in den Strafraum will Gruber den Ball mit dem Bein blocken, springt mit dem Körper nach vorne und bekommt den Ball aus kurzer Entfernung an den Arm. Dabei ist der Arm in natürlicher Haltung im Bewegungsablauf, sodass keine Absicht bei diesem Handspiel vorliegt. Eine richtige Entscheidung, weiterspielen zu lassen.

Szene 6: Im Anschluss an eine Flanke von Nico Kijewski bringt Lars Lokotsch den Ball zum 2:1 im Tor unter, allerdings verwehrt Näther dem Treffer die Anerkennung, weil es zuvor einen Schubser von Lokotsch gegen Calogero Rizzuto (Saarbrücken) gegeben hatte. [TV-Bilder – ab Minute 2:20]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf will Rizzuto zum Kopfball hoch steigen und den Ball aus der Gefahrenzone klären. Dabei stößt ihm Gegenspieler Lokotsch zwar ein wenig in den Rücken, dennoch ist diese Spielweise im Bereich des Erlaubten und stellt kein Foulspiel dar. Auch wenn der Verteidiger anschließend zu Fall kommt, ist dieser Faller auch dem Umstand geschuldet, dass diese Kontakte gerne dankend angenommen werden, wenn man nicht die optimale Position zum Ball hat, was in diesem Fall zutrifft. Den gleichen Zweikampf würde man andersherum auch nicht als Foulspiel bewerten und einen Elfmeter geben. Hier auf Elfmeter zu entscheiden, würde in die Kategorie "cheap-penalty" fallen. Somit liegt eine Fehlentscheidung vor.

Natürlich kann man bei einer sehr kleinlichen Zweikampfbewertung auch anders argumentieren und die Entscheidung als richtig bewerten. Die Beteiligten wünschen in der Bewertung der Zweikämpfe allerdings eine großzügige Linie und eben keine kleinliche Regelauslegung, was den Spielfluss einfach nur stört. Womöglich wird der Schiedsrichter, der erst sein zweites Spiel in der 3.Liga gepfiffen hat, eine ähnliche Szene in einem Jahr laufen lassen, sodass naturgemäß mehr Erfahrung erforderlich ist. Da spreche ich auch aus eigener Erfahrung.

 

Szene 7: Terrence Boyd (Mannheim) bringt den Ball zum 1:1 im Tor unter, allerdings entscheidet Schiedsrichter Assad Nouhoum beim Zuspiel auf Abseits. [TV-Bilder – ab Minute 1:55]

Babak Rafati: Zum Zeitpunkt der Freistoßausführung steht ein Angreifer im Abseits und Mitspieler Boyd tendenziell auf gleicher Höhe. Der Assistent wartet einen Moment ab, um zu sehen, wer den Ball bekommt. Das ist auch richtig, da die Assistenten in solchen Situationen die Vorgabe haben, nach dem Prinzip „wait and see“ zu verfahren. Als Boyd den Ball bekommt, hebt der Assistent die Fahne und entscheidet auf Abseits. Diese Entscheidung ist deshalb sehr zweifelhaft, weil sich die Frage stellt, warum nicht gleich die Fahne gehoben wurde, ohne abzuwarten, wenn beide Spieler für den Assistenten im Abseits standen. Für mich ist es richtig, einen Moment abzuwarten, aber als Boyd den Ball bekommt, hätte es weitergehen müssen, auch wenn es nicht zu 100 Prozent aufzulösen ist. Es erscheint aber logisch, dass der Assistent einen Spieler (Boyd, weil der Mitspieler klar tiefer und somit im Abseits steht) nicht im Abseits gesehen hat und deshalb abwartet.

Szene 8: Im Zweikampf mit Tobias Hasse (Cottbus) kommt Henning Matriciani (Mannheim) zu spät, sieht aber nur Gelb. [TV-Bilder – ab Minute 1:56:45]

Babak Rafati: Bei diesem Zweikampf liegt unumstritten ein Foulspiel vor. Dadurch, dass Matriciani seinen Gegenspieler Hasse nicht mit dem Fuß/Stollen am Fuß trifft, sondern mit dem Knie, entsteht ein anderes Trefferbild. Das ist ein rücksichtsloses Foulspiel, sodass die gelbe Karte für dieses Einsteigen vollkommen richtig ist.

 

Szene 9: Im Strafraum geht Patrick Hobsch (1860) gegen José-Enrique Ríos Alonso (Essen) zu Fall, Schiedsrichter Martin Speckner gibt Strafstoß für die Löwen. [TV-Bilder – ab Minute 1:30]

Babak Rafati: Im Strafraum kommt es zu einem Zweikampf zwischen Alonso und Hobsch. Dabei ist Hobsch in der besseren Position zum Ball als Alonso, und dieser trifft ihn hinten in die Beine wodurch er ihn zu Fall bringt. Das ist ein Foulspiel. Somit ist der Elfmeter eine richtige Entscheidung. 

Szene 10: Für ein Foulspiel an Soichiro Kozuki (1860) sieht Tobias Kraulich (Essen) die rote Karte. [TV-Bilder – ab Minute 3:05]

Babak Rafati: Kraulich springt völlig unkontrolliert und mit Dynamik in die Füße von Kozuki, trifft den Angreifer auf der linken Angriffsseite in die Füße und bringt ihn heftig zu Fall. Auch, wenn die Aktion nicht mit gestrecktem Bein und offener Sohle geschieht, wird mit dieser Spielweise dennoch billigend in Kauf genommen, die Gesundheit des Gegenspielers zu gefährden, sodass die rote Karte eine richtige Entscheidung ist.

 

Szene 11: Eine Flanke von Lex-Tyger Lobinger (Köln) blockt Kofi Amoako (Osnabrück) mit dem Körper, Schiedsrichter Daniel Bartnitzki entscheidet auf Handspiel und Elfmeter. [TV-Bilder – ab Minute 0:40]

Babak Rafati: Nach einer Flanke von Lobinger blockt Amoako den Ball mit dem Körper und befördert das Spielgerät zur Ecke. Der Schiedsrichter entscheidet aber auf Elfmeter, weil er ein Handspiel wahrgenommen haben will. Das ist eine Fehlentscheidung. Aus der Position des Schiedsrichters, der den Verteidiger mit dem Rücken zu sich hat, wird er womöglich den Arm am Ball gesehen haben, da dieser Arm auch in die gleiche Richtung zum Ball geführt wird, jedoch nicht berührt wird. An dem Abprall des Balles hätte der Schiedsrichter auch erkennen können, dass der Ball nicht mit dem Arm gespielt worden sein kann. Bei Handspielen wird nach dem Handspiel sofort die Spannung aus dem Arm genommen, sobald der Ball berührt wurde, sodass der Ball nicht abprallt, vielmehr herunterfällt.

 

Szene 12: Im Strafraum kommt Orestis Kiomourtzoglou (Wiesbaden) im Duell mit Felix Paschke (Dortmund II) zu Fall und fordert einen Elfmeter, den Schiedsrichter Kevin Behrens nicht gibt. [TV-Bilder – ab Minute 1:34:50]

Babak Rafati: Nach der Hereingabe ist Paschke schneller am Ball und kann das Spielgerät klären. Dabei kommt Kiomourtzoglou in den Zweikampf und will auch mit dem Fuß zum Ball, trifft aber das Spielgerät nicht. Stattdessen kommt er ohne gegnerische Einwirkung zu Fall. Somit liegt eine richtige Entscheidung vor, weiterspielen zu lassen. Auch wenn der Angreifer etwas theatralisch fällt, ist es vom Ablauf nicht erforderlich, auf Schwalbe zu entscheiden.

 

Weiterlesen: Wer am häufigsten benachteiligt wurde

   

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