Alexander Ogrinc: „Das Feuer brennt nach wie vor in mir“
Rostock im April. Während die Profis des F.C. Hansa Rostock bereits ihr Training beendet haben, zieht ein Mann auf dem Rasen weiterhin einsam seine Kreise. Athletisch, drahtig sprintet Alexander Ogrinc über den Platz. Es macht den Anschein, der 44-Jährige stünde selbst noch aktiv zwischen den Pfosten. Die Zeiten sind vorbei. Alexander Ogrinc ist der Torwart-Trainer der Hanseaten. liga3-online.de sprach mit ihm über seinen Job, über das Geheimrezept seiner Fitness und Zukunftswünsche.
liga3-online.de: Herr Ogrinc, Sie stehen seit nunmehr zwei Jahren in den Diensten des F.C. Hansa Rostock. Gefällt es Ihnen hier an der Küste?
Alexander Ogrinc: Ich fühle mich pudelwohl in Rostock. Die Infrastruktur bei Hansa ist erstklassig. Auch wenn es rein sportlich keine berauschenden Jahre waren, macht die Arbeit wahnsinnig viel Spaß.
In den vergangenen Wochen gab es auf der Torwartposition beim F.C. Hansa Rostock eine große Rotations-Bewegung. Wie groß ist Ihr Einfluss, wer am Spieltag im Tor steht?
Ich kann mir denken, worauf Sie hinaus wollen. Die Torwartsituation bei Hansa in dieser Saison ist schon sehr speziell. (Anmerkung: in 35 Ligaspielen kamen bislang alle drei Torhüter zum Einsatz). Generell stimmt es aber das Trainerteam untereinander ab, wobei mich der Trainer (Marc Fascher) natürlich nach meiner Meinung fragt. Schlussendlich trifft die Entscheidung aber Marc, die wir dann aber geschlossen vertreten.
Und ganz klar blutet mein Herz für die Jungs, die nicht spielen können und ich freue mich für jeden, der spielt.
Stimmen Sie vor Ligaspielen Ihre Torhüter besonders ein? Geben Sie Tipps?
Natürlich. Gerade die Jüngeren musst du ermutigen; sie aufbauen und einstimmen auf den Gegner. Außerdem analysieren wir auch viel per Video.
Wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Meistens klingelt um 6.30 Uhr der Wecker, ich frühstücke zu Hause, fahre dann zum Trainingsgelände und habe bereits gegen 8.00 Uhr die erste Trainingseinheit mit den A- oder B-Jugend-Internatlern. Oft sind es 4-5 Einheiten pro Tag – Profis, Amateure, A- und B-Junioren. Es folgen dann noch Spielanalysen und Trainings- und Spielvorbereitung. Also locker mal ein 9-Stunden-Tag.
Wie individuell gestalten Sie das Training? Planen Sie die komplette Woche durch?
Ein gewisses Grundgerüst habe ich immer im Kopf. Der Rest ist abhängig von der Tagesform und der körperlichen Verfassung der Jungs. Ich bin nicht der Typ, der mit dem Zettel auf den Platz geht und sagt: so läuft’s und nicht anders.
Heutzutage hat der Torwart zu 70% den Fuß am Ball. Vor 1992 (Einführung der Rückpassregel) war dieser Wert deutlich niedriger. Hat sich dadurch etwas am Training verändert?
Natürlich. Im Gegensatz zu damals musst du als Torwart ein besserer Fußballer sein. Passübungen, Ballannahmen und Spieleröffnungen fließen immer ins tägliche Training mit ein. Bis auf Jockel (Jörg Hahnel) sind die Jungs bei den Profis von Hansa ja noch sehr jung und gerade dies birgt ein unheimliches Entwicklungspotential.
Der Torwart steht immer im besonderen Fokus und ist oft an entscheidenden Situationen beteiligt. Inwiefern sind Sie als Trainer auch ein Psychologe?
Ich arbeite nicht mit Psychotricks, das bin nicht ich. Fußball ist Fußball und eigentlich auch relativ einfach. Der Torwart muss die Bude sauber halten, das Spiel gut eröffnen und aus… Und auch ein bisschen wahnsinnig sein!
Gibt es für Sie die Idealvorstellung eines Torwarts?
Jeder Torwart hat seine Stärken und Schwächen. Gerade an den Schwächen gilt es zu arbeiten, bis es ein relativ kompletter Torwart wird. Eine Mischung aus Neuer, Kahn, van der Sar und Valdés wirst du jedoch nie haben können.
Mit 44 Jahren sehen Sie aus, als könnten Sie locker auch noch zwischen den Pfosten stehen. Haben Sie ein Geheimrezept?
(Lacht) Wenn Sie wüssten… Nein, ernsthaft, ich schwitze und beiße immer im Training mit. Wenn meine Jungs dann sehen, dass der alte Bock problemlos mithalten kann, ist das doch Ansporn und genau dies ist meine Intention. Ich lebe es ihnen vor! Und natürlich biege ich nach dem Training auch schon gern mal ein paar Eisen. Die Muskulatur muss einfach fit bleiben bei dem hohen Trainingspensum.
Sie besitzen noch eine Spielberechtigung. Hätten Sie noch Lust, aktiv zu spielen?
Klar habe ich noch Bock. Ich bin noch fit und das Feuer brennt nach wie vor in mir. Falls mal Not am Mann ist, würde ich einspringen.
Was ist mit Ihren beiden kleinen Fingern passiert? (Anmerkung: beide Finger sind extrem schief)
(Lacht) Beide waren gebrochen. Als Spieler bekam ich mal einen Ball auf die Hand und sie knickten um. Das tat höllisch weh und ich habe sie dann getaped. Normal hättest du damit zu einem Arzt gehen müssen.
Ein ganz harter Hund also?
(Grinst) Wenn ich damals liegenblieb, dann wusste jeder, jetzt muss der Krankenwagen kommen. Ich war und bin positiv verrückt. Wenn sich heutzutage die Spieler minutenlang jammernd am Boden wälzen, macht mich das wahnsinnig.
Könnten Sie sich vorstellen, wieder in Ihren ursprünglich erlernten Beruf (Speditionskaufmann) zurückzukehren?
Nein, in der Branche hat sich einfach zu viel verändert. Solange die Knochen noch halten, gebe ich weiter auf dem Fußballplatz Vollgas. Ich hoffe, ich kann diesen Job noch sehr lange ausüben – vor allem hier in Rostock. Dieser Verein liegt mir sehr am Herzen und die Arbeit mit meinen Jungs macht einfach ungeheuren Spaß.
Wenn Sie drei Wünsche frei hätten, welche wären dies?
Ganz klar, dass meine Kinder gesund bleiben. Und aus sportlicher Sicht: Hansa muss einfach wieder in den bezahlten Fußball. Außerdem wünsche ich mir, dass ich hier in Rostock weiter noch lange meinen Job machen kann.
Mit sechs Jahren sind Sie in ihren ersten Fußballverein eingetreten – dem SV Kuppenheim. War der Torwart damals schon Ihre Traumposition?
Nein, ich wollte immer im Feld spielen, aber damals gab es gerade Not im Tor. Mit dem Versprechen des Trainers, die kommende Saison auf dem Feld spielen zu dürfen, ging ich ins Tor. Ein Jahr später befand ich mich noch immer auf dieser Position und dabei ist es auch geblieben. Etwas Talent hatte ich dann wohl doch.
FOTO: FC Hansa Rostock