Saisonfazit Hansa Rostock: Eine Saison zum Vergessen
Wenn man den Fans des F.C. Hansa Rostock nach der schmerzhaften 5:4-Niederlage in Berlin und dem damit verbundenen Abstieg aus der zweiten Liga im letzten Jahr verraten hätte, was für eine Saison auf sie zu kommt, hätte der eine oder andere wohl noch so einige Tränen mehr verdrückt oder gleich einen Jahresurlaub auf einer einsamen Insel gebucht. Die Kogge durchlebte nach der emotionalen finanziellen Wiederbelebung vor einem Jahr die schwerste Saison der Vereinsgeschichte, geplagt von einer Bilanz und einem schlussendlichen Tabellenplatz, die auf dem Papier gar nicht mal so tragisch wirken, deren Entstehung aber umso qualvoller waren. Der Verein findet sich zum Saisonende auf Platz 12 wieder, mit elf Siegen, elf Unentschieden und sechzehn Niederlagen, bei einem Torverhältnis von 39:52 und 44 Punkten, schlussendlich also sechs Punkten vor dem ersten Absteiger aus Darmstadt. „Hätte besser laufen können“, mag der distanzierte Beobachter denken, für die Fans bleibt aber vor allem die indiskutable Rückrunde in Erinnerung, in der man zwischenzeitlich aus 15 Spielen nur einen glücklichen Heimsieg gegen Burghausen holte und dabei neun Spiele in Folge gar nicht gewann. Im Folgenden wird sich liga3-online.de die Saison von Hansa Rostock etwas genauer anschauen.
Das lief gut
Die mannschaftliche Geschlossenheit
Spätestens in der katastrophalen Rückrunde konnte selbst ein Motivator wie Trainer Marc Fascher die Spieler nicht mehr aus ihrem Tief befreien. Umso erstaunlicher, dass die Mannschaft dabei nicht völlig auseinanderfiel, sondern man zu jeder Zeit den Eindruck hatte, dass der Kader geschlossen für die Niederlagen einstand. Dabei übernahmen mit der Zeit sogar die zwischenzeitlich stark kritisierten Leihspieler wie Nico Zimmermann oder Colin Quaner Verantwortung. Sinnbildlich für die Einheit der Mannschaft war auch der kollektive Schock über die schwere Verletzung von Ken Leemans, die das Ergebnis des Spiels gegen Offenbach beinahe unwichtig erscheinen ließ.
Der Umgang mit Störfeuern
Mit der Mitgliederversammlung im November begann im Verein ein lange vergessenes Miteinander, was unter anderem dazu führte, dass auch kleinere und mittelgroße Störfeuer, die den Verein in den letzten Jahren stets in die Bredouille gebracht hatten, mittlerweile souverän und intern geregelt werden. Nächtliche Disziplinlosigkeiten von ausgemusterten Spielern, Unwahrheiten über Fans und Verein in Onlinemedien, eine Veruntreuung im Verein, wenig wurde öffentlich diskutiert und kritisiert, stattdessen wurden Mitglieder und Fans miteinbezogen und teilweise noch vor den Medienvertretern per E-Mail informiert.
Die Unterstützung der Fans
Mit der Wiedereröffnung der Südtribüne und der bereits erwähnten Mitgliederversammlung begannen auch die Fans wieder enger zusammenzustehen. Der Rostocker Anhang ist weit über Deutschland verstreut und gilt als besonders reisefreudig, sodass man z.B. selbst nach Karlsruhe einen Sonderzug organisierte und das Team so regelmäßig mit einem prall gefüllten Gästeblock unterstützte.
Das lief nicht gut
Das Abwehrverhalten
Schon im Hinrundenfazit wurde das Abwehrverhalten der Hanseaten besonders kritisiert und daran änderte sich auch in der Rückrunde nichts. Im Gegenteil, es wurde noch schlimmer, sodass die Abwehr teilweise wie ein Haufen aufgescheuchter Hühner durch den Strafraum irrte. Marc Fascher bot zu Rückrundenbeginn regelmäßig verschiedene Innenverteidigerpaare auf, bis man sich irgendwann auf Matthias Holst und Maurice Trapp festlegte, die beide nach Saisonende den Verein verlassen müssen, was im Fall von Holst definitiv keine menschlichen Hintergründe haben dürfte. Es dauerte mehrere Wochen, bis sich Trapp in der Innenverteidigung sicher eingespielt hatte, er war für mehrere Gegentore direkt verantwortlich, was auch seinem Heimverein in Berlin nicht entging, von dem er vor wenigen Tagen die Freigabe zum Wechsel bekam, da man keine gemeinsame Perspektive mehr sehe.
Das Glück
Spielabsagen, Langzeitverletzungen, regelmäßige Elfmeter gegen die Mannschaft, Last-Minute-Niederlagen wie gegen Offenbach und Osnabrück: Glück hatten die Hanseaten nur einmal, im Rückspiel gegen Aachen, wo man einen 3:1-Rückstand noch in ein 3:4 verwandelte. Ein Pech, was die Mannschaft bis in die nächste Saison verfolgen wird: Ken Leemans fällt bis mindestens Herbst verletzt aus, zudem steht der zuletzt verletzte Edisson Jordanov womöglich vor einem Wechsel und wird den Rostockern so nicht mehr zur Verfügung stehen. Fakt ist: Viel mehr Pech hätte die Mannschaft in diesem Jahr nicht haben können.
Die Auftritte gegen die Rivalen aus Ostdeutschland
Zweimal Unentschieden gegen Erfurt, Niederlage und Unentschieden gegen Chemnitz, hoher Sieg und enttäuschende Niederlage gegen Babelsberg, sicherer Sieg und erschreckende Niederlage gegen Halle. Die Bilanz gegen die ehemaligen Oberliga-Rivalen hätte weitaus besser sein können, vor allem für die Fans, die in solchen Traditionsduellen besonders motiviert waren und meist zahlreich anreisten.
Bester Spieler: Alexandre Mendy
Der Spieler der Hinrunde, Tom Weilandt, fiel in seinen Leistungen in der Rückrunde wir die gesamte Mannschaft erheblich ab. Nur einer schaffte es, über die gesamte Saison konstant seine Leistung zu zeigen und das war der Rechtsverteidiger Alexandre Mendy. Vom rechten Außenstürmer umgeschult interpretierte er seine Verteidigerrolle ähnlich wie Lukas Piszczek bei Dortmund oder Dani Alves in Barcelona eher offensiv, behielt dabei aber immer das Auge für seine Defensivaufgaben. Mendy kündigte an, in der kommenden Saison noch mehr zeigen zu wollen, für den F.C. Hansa wäre es schon beruhigend, wenn Mendy eine ähnlich konstante Saison spielt, wie die vergangene.
Schwächster Spieler: Patrick Wolf
Kam als Sohn von Ex-Trainer Wolfgang Wolf nach Rostock und scheiterte an seiner Disziplin. Wolf Sah am 3. Spieltag gegen Babelsberg Gelb-Rot, verletzte sich vier Spiele später und spielte dann unter Marc Fascher keine Rolle mehr, der ihn in die zweite Mannschaft degradierte. Eine Situation, mit der er nicht umgehen konnte und stattdessen lieber das Rostocker Nachtleben bereicherte, was ihm eine fristlose Kündigung einbrachte.
Das Saisonhighlight: Der Wunder-Sieg gegen Aachen
Drei Tage nach dem „Wunder von Dortmund“, als der Champions-League-Finalist in den letzten Sekunden des Spiels gegen Málaga zwei Tore erzielte, folgte für die Hanseaten das „Wunder von Aachen“. Nachdem man kurz vor Schluss mit 3:1 hinten lag, erzielten Weilandt, Plat und Smetana innerhalb von 6 Minuten drei Tore zum 4:3-Sieg der Rostocker. Der Jubellauf von Trainer Fascher nach dem Abpfiff wird sicherlich noch länger in Erinnerung bleiben.
Das negative Saisonhighlight: Die Rückrunde
Der F.C.H. war punktgleich mit Stuttgart II und Absteiger Babelsberg die zweitschlechteste Rückrundenmannschaft, gewann nur drei Spiele und erzielte weniger als ein Tor pro Spiel (0,89) bei deutlich mehr als einem Gegentor pro Spiel (1,47). Auch der Abstieg war lange Zeit ein Thema, wenn man auch zu keiner Zeit auf einem Abstiegsplatz stand. Negativer Höhepunkt dieser Rückrunde war das 3:1 in Halle, als Furuholm und Co. der Kogge vor allem in der Abwehr jeden einzelnen Missstand aufzeigten.
Transfers
Hansa Rostock wechselte zum zweiten Mal in drei Jahren beinahe die komplette Mannschaft aus, dabei blieben auch ehemalige Leistungsträger wie Tobias Jänicke (Dresden) und Björn Ziegenbein (Halle) auf der Strecke, die viele Fans gerne weiterhin im Trikot der Kogge gesehen hätten. Trotz viel Kritik und schlechten Ergebnissen waren die Transfers der Hanseaten kein völliger Flop, die Stürmer Smetana und Plat erzielten zusammen 18 Tore, Smetana wurde zweimal Spieler des Monats. Ken Leemans und Alex Mendy wurden zu Leistungsträgern, die dem Verein auch über die Saison hinaus erhalten bleiben sollen, ebenso Leonhard Haas. Eher schwach zeigten sich Julien Humbert und Emil Rilke, sie werden den Verein verlassen. Die Zukunft von Rick Geenen, der von Marc Fascher ausgemustert wurde, steht noch in den Sternen, anders als Dennis Berger und Patrick Wolf ging er sehr professionell mit der Situation um und könnte unter dem neuen Trainer wieder eine Rolle spielen. Die viel kritisierten Wintertransfers werden sich beinahe allesamt wieder verabschieden, mit Nico Zimmermann und Philipp Klement versucht man die einzigen, die durchaus zu überzeugen wussten, fest an den Verein zu binden.
Trainerleistung
Kaum ein Thema wurde in dieser Seuchensaison so leidenschaftlich diskutiert wie der Trainer. Hätte man Marc Fascher früher entlassen sollen, hätte man verlängern sollen? Sein Stand bei den Fans war durchweg gut, menschlich war er ein Sympathieträger und eine Identifikationsfigur, aber seine sportliche Bilanz konnte schlichtweg nicht der Maßstab für die kommende Saison sein, weswegen man sich nach der Saison einvernehmlich trennen wird. Als Nachfolger steht der ehemalige Bochumer Andreas Bergmann wohl fest. Der Einfluss Wolfgang Wolfs auf die Saison ist eher zwiespältig zu sehen, konditionelle Missstände gingen wohl auf seine Saisonvorbereitung zurück, positiv war aber sicherlich die Zusammenstellung des Offensivkaders.
Fazit
Abhaken und schnell vergessen, so lautet die Devise in Bezug auf diese Seuchensaison an der Ostsee. Bei allen bekannten Niederlagen lohnt es trotzdem, die wenigen Lichtblicke hervorzuheben: Die Südtribüne steht wie ein Symbol für die Fans des F.C. Hansa fester hinter dem Verein als jemals zuvor, der Verein, vom Vorstand bis zu den Fans ist hungriger denn je und das Umfeld der Kogge ist zum ersten Mal seit Jahren beruhigt. Jetzt muss es eigentlich nur noch sportlich vorangehen.
Ausblick auf die kommende Saison
Wie erwähnt steht der neue Trainer mit Andreas Bergmann wahrscheinlich schon fest, seine Vorstellung könnte noch in dieser Woche nach dem Landespokalfinalspiel am Mittwoch von statten gehen. Die Transfers von Milorad Pekovic (Fürth), David Blacha (Sandhausen) und Julian Jakobs (Siegen) stehen bereits fest und lassen auf deutlich besseres hoffen, als zuletzt. Schlüsselpositionen wie die Sturmspitze, das zentrale Mittelfeld und das Tor sind mit Plat, Leemans und Brinkies absolut solide besetzt. Wichtig wird die Besetzung der Innenverteidigung sein, der große Schwachpunkt der Hanseaten. Holt man dort die richtigen Leute, ist für den Verein im Bereich der einstelligen Tabellenplätze so ziemlich alles möglich, auch wenn der Aufstieg deutlich glücklichere Umstände bedarf als zuletzt.
FOTO: Flohre Fotografie