Mit Nigeria in der Türkei – Jürgen Press im Interview

Der Fußballlehrer Jürgen Press stand in Deutschland unter anderem bereits bei Jahn Regensburg, dem FC Ingolstadt, Wacker Burghausen oder als Nachwuchscoach bei Bayern München unter Vertrag. In der 3. Liga stand er in 42 Partien an der Seitenlinie. Seine neueste Aufgabe führt ihn nach Afrika. Als Co-Trainer der nigerianischen U20-Nationalmannschaft begleitet er junge Talente bei der anstehenden FIFA U20-Weltmeisterschaft, die ab dem 21. Juni in der Türkei stattfinden wird. liga3-online.de sprach mit Press über den Alltag in Nigeria, die WM 2014 und über den SV Wacker Burghausen.

liga3-online.de: Herr Press, wie sind Sie an diesen nicht gerade alltäglichen Job gekommen?

Jürgen Press: Den Kontakt stellte der ehemalige Bundesligaprofi Manni Bender her, aktuell Manager in Offenbach. Über diesen und weitere Kontakte kam das Engagement zustande.

Waren Sie bereits selbst in Nigeria oder arbeiten Sie nur von Europa aus?

Ich war im April in Nigeria und stand vor der Mammutaufgabe, aus über 100 Spielern 25 auszuwählen, mit denen wir nach Europa fahren. Zusätzlich schlossen sich Spieler an, die bereits in Europa tätig sind. Es folgte ein 14-tägiges Trainingslager in Deutschland und ein Vorbereitungsturnier in Frankreich. Für mich war es spannend und interessant, in Nigeria zu selektieren und zu sehen, welche Spieler wir für dieses Turnier gebrauchen können. Wenn auch sehr anspruchsvoll, da ich ausnahmslos mit neuen Namen und Gesichtern konfrontiert war.

Wie ist Ihr Eindruck von der zusammengestellten Mannschaft?

Es steckt sehr viel Potential im Team. Nigeria schickte in der Vergangenheit immer qualitativ hochwertige Mannschaften zu den Turnieren, mit den ganz großen Erfolgen hatte es aber leider nicht geklappt. Nun versucht man mit ein wenig deutscher Hilfe das Wunder zu schaffen.

Wie sieht die Arbeitseinteilung mit Cheftrainer John Obuh aus, wie gestaltet sich ihr Tätigkeitsbereich?

Wir sprechen alle Trainingsinhalte ab, auf dem Platz wird bezüglich der Taktik oft in Gruppen gearbeitet. Von meiner Seite aus ist es eine hervorragende Zusammenarbeit, und ich denke, Cheftrainer Obuh sieht das genauso.

Denken Sie, dass man einige Ihrer Spieler 2014 bei der WM in Brasilien in der A-Nationalmannschaft wiedersehen wird?

Das ist durchaus möglich, wir haben das ein oder andere sehr große Talent in unseren Reihen. Einige haben bereits Vorverträge unterschrieben und werden in der kommenden Saison beispielsweise bei Ajax Amsterdam oder in Portugal spielen.

Wie schätzen Sie ihre Vorrundengegner bei der Junioren-WM, Kuba, Portugal und Südkorea, ein?

Kuba ist die große Unbekannte. Ich habe dort selbst bereits Fußballentwicklungshilfe geleistet, und wenn sich eine solche Mannschaft für die WM qualifiziert sind dort überdurchschnittliche Qualitäten vorhanden. Südkorea ist bekannt, der asiatische Raum hat in den letzten Jahren gewaltig aufgeholt. Portugal, unser erster Gegner, gehört zu den großen Turnierfavoriten, zum Auftakt erwartet uns ein richtiger Härtetest.

Wie steht es um die Chancen auf den Achtelfinaleinzug? Welches Ziel haben Sie sich gesetzt?

Ich glaube jedes Team hat das Ziel Weltmeister zu werden – so auch wir! Dafür werden wir alles geben. Natürlich erwarten wir, die Gruppenphase unbeschadet zu überstehen, danach muss man von Spiel zu Spiel denken. Dann ist alles möglich, und kommt zu unserem Potential noch ein wenig Glück dazu, dann denke ich, dass wir für eine große Überraschung sorgen können.

Wer wird Ihrer Meinung nach im Kampf um Gold außerdem mitmischen?

Auf jeden Fall Portugal, Spanien sehe ich sehr stark, außerdem Kolumbien von den südamerikanischen Vertretern.

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit den jungen Spielern aus Nigeria im Vergleich zu beispielsweise Ihrer letzten Station in Deutschland bei Wacker Burghausen?

In einem Land mit solcher Hitze wie Nigeria wird um 7 Uhr in der früh das erste Mal trainiert. Und die Arbeit mit Europäern und Afrikanern gestaltet sich ohnehin anders. Es fällt auf, dass, was Ausdauer oder läuferisches Potential angeht, die afrikanischen Spieler uns Europäern vom Naturell weit überlegen sind.

Sie waren bereits auf dem amerikanischen Kontinent tätig, war nun die Zeit gekommen für ein neues Abenteuer?

Definitiv, ich hatte auch konkrete Verhandlungen mit einem Drittligisten, zusätzlich das ein oder andere Angebot aus der Regionalliga. Aber es kommt in einer Trainerkarriere nicht oft vor, dass man an einer Weltmeisterschaft teilnehmen darf. Von daher war es für mich klar, sollte die Entscheidung positiv für mich verlaufen, dass ich die U20 Nigerias vorziehen würde.

Wie geht es nach der WM weiter? Bleiben Sie beim nigerianischen Verband, kommt eine andere internationale Station in Frage oder zieht es Sie zurück nach Deutschland?

Ich interessiere mich jetzt nur dafür, die WM mit Nigeria optimal zu spielen. Mein Vertrag geht über drei Monate, dann sehen wir weiter. Grundsätzlich sehe ich meine Arbeit schon noch in Deutschland beheimatet und gehe auch davon aus, dass ich über kurz oder lang hier wieder einen Verein trainieren werde.

Noch ein Blick nach Deutschland, wie schätzen Sie die Drittligaspielzeit ihres Ex-Klubs Wacker Burghausen ein?

Schwierig zu sagen. Ich habe aus der Presse gehört, dass momentan stürmische Zeiten in Burghausen herrschen. Ich kann mich nur über meine Zeit äußern, ich habe den Verein schuldenfrei übergeben. Woher diese finanziellen Unstimmigkeiten kommen weiß ich nicht, dafür sind andere verantwortlich. Ich wünsche natürlich dem SV Wacker alles erdenklich Gute und hoffe, dass sie wieder an die finanziell und sportlich erfolgreichen Zeiten der vergangenen Jahre anknüpfen können.

 

Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg in der Türkei!

 

FOTO: Jürgen Press

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button