Defensive Kieler bestrafen fehlenden Mut des F.C. Hansa
Wie schwer ist ein Saisonstart gegen einen nominell unterlegenen Gegner? Dieser Frage sahen sich auch Rostocks neuer Cheftrainer Andreas Bergmann und seine Mannschaft bei ihrer Pflichtspielpremiere auf der Bank und im Trikot der Hansa-Kogge ausgesetzt und müssen sich nun, nach einem mehr als ernüchternden 0:0-Auftakt gegen den Aufsteiger aus Kiel, Kritik an der taktischen Ausrichtung und der Einstellung gefallen lassen. Anders als vielerlei erwartet begann der F.C. Hansa nicht mit den Stürmern Savran und Plat, sondern lediglich mit dem 1,81m großen Neuzugang aus Aue im Sturm. Demgegenüber setzte Bergmann mit Schünemann, Haas und Pekovic auf drei zentrale, und zudem mit Blacha und Jakobs zusätzlich auf zwei eher invers agierende Flügelspieler. Das führte aufgrund der kompakten und erwartungsgemäß aggressiven Einstellung des Underdogs aus Kiel zu einem regelrechten Knoten im Mittelfeld, Kiel erschien überrascht davon, wie einfach Hansa sich kaltstellen ließ und die Spieler der Kogge spielten sich die Bälle rund um den Mittelkreis zu und fanden den finalen Pass nicht, zumeist aus fehlender Abstimmung bei den Laufwegen.
Flügelspiel funktioniert nicht
Völlig uneinig waren sich über weite Strecken beispielsweise der ansonsten starke Alex Mendy und die Entdeckung des Bayernspiels, Julian Jakobs, der nicht annähernd an seine Leistung im Testspiel anknüpfen konnte. Mendy schaltete sich, stärker noch als unter Marc Fascher, ins Angriffsspiel der Hanseaten ein, was im Gegenzug für Verwirrung bei Jakobs sorgte, der mit dem engagierten Offensivdrang seines Hintermanns überforderter schien, als die Verteidigung der Kieler. Ein ums andere Mal standen sich die beiden auf gleicher Höhe „auf den Füßen“ und ein vielversprechender Angriff über den Flügel ging verloren. Gleiches galt auch für die linke Seite um David Blacha und Shervin Radjabali-Fardi. Unschönes Resultat waren die leidigen langen Pässe aus der Verteidigung in die Spitze, welche bereits in der vergangenen Saison nicht zum Erfolg führten und bei einem lauf- und dribbelstarken Stürmer wie Savran wohlgemerkt absolut fehl am Platz sind. Der 28-Jährige äußerte auch mehrfach seinen Unmut über das nicht funktionierende Aufbauspiel der Mannschaft.
Engagierte Defensive
Was hätte also anders laufen müssen? Die Einstellung der Hintermannschaft lief bereits flüssig, Steven Ruprecht und Kapitän Sebastian Pelzer waren sich in ihrem Zusammenspiel weitestgehend einig, katastrophale Torraumszenen wie noch in der Vorsaison konnte man gegen die Holsteiner nicht ausmachen, allerdings zeigte die KSV zu keiner Zeit ernsthafte Bestrebungen, in der DKB-Arena in Führung zu gehen. Alex Mendy war erneut der auffälligste Spieler auf dem Platz, hier scheint Andreas Bergmann noch mehr Nutzen aus den Stärken des Franzosen zu ziehen, als seine Vorgänger. Shervin Radjabali-Fardi zeigte gute Ansätze, muss sein Spiel im Trikot der Kogge aber wohl noch finden. Marko Pekovic war anzumerken, dass ihm einige Trainingseinheiten mit der Mannschaft fehlen, sein Einsatz und seine Kampfstärke war ihm aber bereits am Samstag klar anzumerken. Kritischer wurde es dann, wie bereits angemerkt, im Offensivspiel. Leonhard Haas und Sascha Schünemann scheinen sich für ein gemeinsames Spiel zu ähnlich in ihrer Spielweise zu sein, einen der beiden als Ersatz für den anderen bereitzuhalten wäre wohl sinnvoller.
Savran fehlt Sturmpartner
Halil Savran war als Alleinunterhalter im Sturm völlig verschenkt. Savran zeigt Einsatz, Kreativität und im Normalfall auch Nervenstärke vor dem Tor, aber ihm muss seinen Stärken zuliebe zwingend ein Sturmpartner zur Seite gestellt werden, so wie am Samstag ab der 75. Minute mit Mustafa Kucukovic, was allerdings bei Temperaturen um die 30° leider etwas verspätet kam. Wenn Jakobs als Flügelspieler von rechts nach innen zieht, wäre es auf dem linken Flügel sinnvoller, den namibischen Nationalspieler Manfred Starke aufzubieten, der in seiner Karriere auch Erfahrungen als linker Verteidiger sammeln konnte, und dem flankenstarken Radjabali-Fardi bei seinen Vorstößen Rückendeckung geben könnte. So ließ sich das enttäuschende Auftaktergebnis nur partiell mit der fehlenden Abstimmung der Mannschaft begründen, mehr noch fehlte es am Mut und am Selbstbewusstsein, dem Aufsteiger aus Kiel als Gastgeber und Favorit gegenüberzutreten. Gerade gegen einen destruktiv spielenden Gegner ist diese „Brust raus!“-Philosophie notwendig. Allerdings wurde diese abwartende Haltung auch vom fehlenden Mut Bergmanns unterstrichen, Arbeiter Savran und Knipser Plat zusammen aufzustellen und womöglich einen Konterangriff der Kieler herauszufordern.
Mehr Mut gegen Elversberg?
Unterm Strich bleiben ein magerer Punkt zum Auftakt und die Gewissheit, dass die Mannschaft noch etwas Zeit benötigt, um aus den jeweiligen individuellen Stärken zu einer geschlossenen Stärke zu finden. Hier muss Andreas Bergmann auch als Motivator unbedingt ansetzen, um der Mannschaft das nötige Selbstbewusstsein zu vermitteln. Dafür hat er nun nach dem Spiel gegen Kiel eine Woche Zeit, denn schon am kommenden Samstag müssen die Hanseaten gegen den nächsten Aufsteiger aus Elversberg antreten, dessen Spielweise der der Kieler ähnlich sein dürfte.
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