Darmstadts Trainer Dirk Schuster: Der Alleskönner
Der SV Darmstadt 98 hat eine beachtliche Entwicklung hinter sich. Momentan stehen die „Lilien“ auf Platz zwei der Tabelle. Eine Momentaufnahme, welche nach der vergangenen Saison kaum jemand für möglich hielt. Trainer Dirk Schuster hat mit seinem Team ganze Arbeit geleistet. Wer Darmstadts Trainer Dirk Schuster im alltäglichen Umgang mit seinen Mitmenschen erlebt, trifft auf einen höflichen, respektvollen Mann, der seine Worte stets mit Bedacht wählt. Auf Fragen von Journalisten antwortet er geduldig und ausführlich, unangenehme Fragen waren bislang selten dabei.
„Akribischer Arbeiter“
Aus gutem Grund, denn seit Schusters Ankunft in Darmstadt vergangenen Dezember hat sich einiges geändert. Unter seinen Vorgängern Kosta Runjaic und Jürgen Seeberger spielte die Mannschaft sowohl defensiv als auch offensiv zu fehlerhaft und fand sich auf dem letzten Tabellenplatz wieder. Der Verein reagierte und holte Schuster als letzte Hoffnung. Zumindest die Probleme in der Abwehr konnte er sofort beheben: Schon in der ersten Partie unter seiner Leitung gegen Burghausen spielte die Mannschaft zu null, schoss jedoch auch kein Tor. Trotz einer guten Rückrunde erwies sich die Offensive als zu schwach, der sportliche Klassenerhalt misslang und wurde erst später am Grünen Tisch gesichert. Jetzt, nach zwölf Spielen steht der SV Darmstadt 98 vollkommen überraschend auf Rang zwei. So viel zu den Fakten, doch was zeichnet den Trainer Schuster aus? Wie ist dieser Aufschwung zu erklären?
Aus der Mannschaft sind auf diese Fragen hin meist dieselben Bezeichnungen zu hören. Es fallen Fußballer-Begriffe wie „akribischer Arbeiter“ oder „leidenschaftlicher Motivator“. Mittelfeldspieler Elton da Costa, der im Herbst seiner Karriere auf eine gewisse Erfahrung bezüglich Trainer zurückgreifen kann, hält große Stücke auf Schuster, wie er im Gespräch mit liga3-online.de klar machte: „Er spricht die Sprache der Spieler“, sagt der 33 Jahre alte Brasilianer. Nachvollziehbar, denn Schuster absolvierte über dreihundert Spiele in der Ersten und Zweiten Bundesliga, galt als beinharter Verteidiger mit einer hohen Spielintelligenz.
Neuzugänge schlugen ein
Diese gibt der gebürtige Chemnitzer offensichtlich hervorragend an seine Mannschaft weiter. „Er hat uns seit seiner Ankunft defensiv unheimlich verbessert“, unterstreicht da Costa. In der Tat, aktuell stellt Darmstadt die beste Abwehr der Liga (neun Gegentore). Hauptverantwortlich ist neben Torhüter Jan Zimmermann sicher die Viererkette mit den beiden starken Innenverteidigern Aytac Sulu und Benjamin Gorka, die sich mittlerweile blind verstehen und gerade in der Luft schier unbezwingbar sind. Doch die gesamte Mannschaft hat einen genauen Plan, wie sie sich bei bestimmten Spielsituationen zu verhalten hat. Jeder weiß, was er zu tun hat. Auch das hat einen guten Grund, denn die Mannschaft wurde von Schuster und Co-Trainer Sascha Franz nach genauen (taktischen) Vorstellungen zusammengestellt: Das Team soll einen schnellen, technisch anspruchsvollen Fußball spielen, der offensiv auf schnellem Umschalten beruht. Defensiv gilt es meist, den Gegner mittels Pressing unter Druck zu setzen und mit mehreren Spielern den Ballführenden zu attackieren. Trotz der Kürze der Zeit konnten Schuster und Franz im Sommer passende Spieler verpflichten und haben mit Stroh-Engel und Co. Volltreffer gelandet: Die Zugänge sind fast ausnahmslos eine Verstärkung, sechs der neun Neuen sind unumstrittene Stammspieler.
Erste Elf ist gefunden
Doch der Erfolg birgt auch Konfliktpotential: Die erste Elf hat sich gefunden, darunter haben Spieler wie Zugang Dennis Schmidt oder Publikumsliebling Uwe Hesse zu leiden, die keine große Rolle (mehr) spielen. Aber das eingespielte Trainerteam um Schuster, Franz und Torwart-Trainer Dimo Wache schafft es, die Stimmung innerhalb des Teams positiv zu gestalten, was nicht zuletzt mit den Trainingseinheiten zu tun hat. „In jedem Training ist viel Ehrgeiz, Tempo und Leidenschaft drin“, sagt Jerôme Gondorf gegenüber liga3-online.de, der Schuster aus fast drei gemeinsamen Jahren bei den Stuttgarter Kickers gut kennt. „Er hat ein Gespür dafür, wann es Zeit ist, die Stimmung zu lockern oder Reize zu setzen, wie zum Beispiel ein Trainingsspiel trotz eines klaren Fouls weiterlaufen zu lassen“, sagt Gondorf.
Da Costa: "Er ist immer ehrlich, immer geradeaus"
Das Ergebnis von Schusters Arbeit ist der für alle im Verein verblüffende zweite Platz nach einer bislang überragenden Saison. Diese ist jedoch nur logisch, denn Schuster und seine Mannschaft weisen eine wichtige Gemeinsamkeit auf: Beide sind wahre Allrounder. So wie das Team sowohl in der Abwehr sicher als auch in der Offensive treffsicher ist, Situationen spielerisch lösen aber auch kämpfen kann, beherrscht Dirk Schuster die sportliche und die menschliche Komponente des Trainer-Berufs. Er hat es geschafft, dass ihm seine Spieler folgen und vertrauen. „Er ist immer ehrlich, immer geradeaus“, sagt Elton da Costa und Teamkollege Gondorf fügt hinzu: „Er legt sehr viel Wert auf Disziplin und Respekt, ist aber immer für einen Spruch gut.“ Wenn Schuster es weiterhin schafft, das Verhältnis zu seiner Mannschaft auf diesem Niveau zu halten, wird es wohl nicht mehr lange dauern, bis er dann doch auf unangenehme Fragen antworten muss. Nämlich jene nach höheren Zielen als den Klassenerhalt.
FOTO: Frank Leber