Regensburg stellt neues Sport- & Nachwuchskonzept vor
Am vergangenen Donnerstag präsentierte der SSV Jahn Regensburg im Rahmen seines Neujahrsempfangs sein neues Sport- & Nachwuchskonzept, die „Jahnschmiede“. Gut 350 Vertreter aus Politik, Wirtschaft und Sport, dazu Sponsoren, Verbandsoffizielle und Vertreter anderer Klubs lauschten nach einem Sektempfang in der Parkside Event Location unweit des Jahnstadions einem knapp 45-minütigen Vortrag von Jahn-Sportchef Dr. Christian Keller (Foto: rechts).
Keller präsentierte den Gästen ein Konzept, das dem SSV als Fußballclub eine professionelle und erfolgreiche Zukunft ermöglicht: Die Reformierung der Nachwuchsarbeit und die Verbesserung der Infrastruktur des Vereins. Neben dem Stadionneubau – wo in drei Tagen der Spatenstich erfolgen wird – ging es vor allem um die Neugestaltung des aktuellen Trainingsgeländes des SSV Jahn, das sowohl von den Profis als auch der Jugend genutzt wird.
Keller: „Ich habe mich geschämt!“
Das Trainingsgelände, der Sportpark am Kaulbachweg, ist in die Jahre gekommen und marode. Wasserrohrbrüche, Flutlichtausfälle oder Regenwurmplagen – seit der Fertigstellung der Anlage vor gut 50 Jahren ist dort sichtlich nichts mehr gemacht worden. Christian Keller nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn er über seinen ersten Besuch am Kaulbachweg berichtet: „Ganz ehrlich: ich habe mich geschämt“ Das dürfte alles über den Zustand aussagen. Bereits einige Zeit nach seinem Amtsantritt beim Jahn vor gut einem halben Jahr packte er selbst mit an, bei der „Werkwoche“ wurde von freiwilligen Helfern und Dr. Keller grobe Arbeiten erledigt, damit die Anlage, deren Stadion als Spielort der Jugendmannschaften dient, zumindest annähernd vorzeigbar wurde. Denn dieser Bereich wurde in den vergangenen Jahren mehr als vernachlässigt!
Doch endlich soll es beim Jahn richtig voran gehen! Wie das genau aussieht, stellte der Sportliche Leiter nun vor: Unter dem Projekttitel „Jahnschmiede“ soll das Trainingsgelände am Kaulbachweg in mehreren Ausbaustufen zu einem modernen Nachwuchsleistungszentrum umgebaut und erweitert werden. Insgesamt sind drei Bauthemenphasen mit unterschiedlichen Schwerpunkten und Dringlichkeiten definiert, die in sechs Jahren realisiert werden sollen. Im ersten Schritt soll auf einem der drei Felder ein moderner Kunstrasen der Kategorie 1 samt Flutlichtanlage und vollständiger Platzumzäunung entstehen, zudem werden die anderen beiden Trainingsplätze mit neuem Rollrasen verlegt und mit einer Einzäunung vor widerrechtlicher Nutzung geschützt. „Damit wir endlich Fußballfelder haben und keine Wiesen mehr“, so Keller. Letztes Teilprojekt der Bauthemenphase 1 ist die Erstellung eines Minispielfeldes für die U-Mannschaften.
Antrag für Nachwuchsleistungszentrum im Dezember gestellt
In der zweiten Phase soll auf der Nordseite des Stadions der Neubau eines zeitgemäßen Funktionsgebäudes realisiert werden. Mit mehreren Umkleidekabinen und diversen Büroräumen für Nachwuchstrainer und -verwaltung auf insgesamt 1800 m² Nutzfläche würde der Jahn alle Zertifizierungsanforderungen vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) und Deutscher Fußball Liga (DFL) für ein offizielles Nachwuchsleistungszentrum erfüllen – und der Antrag ist bereits im Dezember an den DFB verschickt worden. „Wir rechnen damit, diesen besonderen Stempel im Laufe der Saison 2014/15 zu bekommen“ Bis 2017 soll das neue Funktionsgebäude stehen. Anstelle des alten Funktionsgebäudes mit aktueller Haupttribüne soll in der Bauthemenphase 3 ein Internat für die Jahntalente mit angeschlossener Kleinfeldhalle entstehen – planmäßig bis Ende 2019.
Schmuckbausteine – für 125 Jahre Jahn und Hans Jakob
Nun stellt sich die berühmte Frage: Wer soll das bezahlen? Rund 6,8 Millionen Euro soll das neue Nachwuchsleistungszentrum kosten. Christian Keller gibt zu: „Wir haben das durchgeplant, kalkuliert, aber haben bisher keinen einzigen Euro, um das zu realisieren“ Denn aus der Portotasche wie andere Vereine könne der Jahn das nicht bezahlen, mit dem Jahresumsatz von 3,3 Mio. Euro liegt er sogar weit unter dem Ligadurchschnitt von 7 Mio. Euro, und damit könne gerade einmal der Spielbetrieb sicher gestellt werden.
Mit Hilfe von „Schmuckbausteinen“ kann ab sofort jeder die Nachwuchsarbeit unterstützen. Mit vier verschiedenen Beträgen von 38, 125, 234 und 1000 Euro können Förderer die Jahnschmiede unterstützen. Diese Zahlen sind natürlich nicht aus der Luft gegriffen, so steht die 125 für das 125-jährige Bestehen des Vereins. Die anderen drei Zahlen beziehen sich auf Hans Jakob, bis heute der erfolgreichste Jahnspieler aller Zeiten. Der Torhüter stand 38-mal für die Deutsche Nationalmannschaft im Kasten (unter anderem im Spiel um den Dritten Platz bei der WM 1934) und stand über 1000-mal im Tor der Jahnelf. Außerdem wurde er bei einer ZDF-Umfrage auf Platz 234 der besten deutschen Fußballer aller Zeiten gewählt.
Der Jahn ist glaubwürdig, ambitioniert, bodenständig – einfach unverkennbar ostbayerisch
Aber auch die regionale Wirtschaft ist angesprochen. Dazu setzen die Regensburger auf ein neues Image – „Der Jahn ist glaubwürdig, ambitioniert, bodenständig – einfach unverkennbar ostbayerisch“ heißt es im Portraitvideo, einem von vier Filmen, die am Neujahresempfang unter großem Applaus präsentiert wurden und auch auf der neuen Homepage der Jahnschmiede (jahnschmiede.de) zu sehen sind.
Das neue Bild des Jahn ist ganz klar geformt: Der Jahn soll das werden, was er vor Jahren schon einmal war: Der Verein der Region! Der Verein für Ostbayern, also der Oberpfalz und Niederbayern! „Wir möchten, dass sich Ostbayern wieder mit dem Jahn identifizieren kann – und wir haben eine Chance, weil der Verein die einzige Profi-Fußballmannschaft Ostbayerns außer Burghausen ist“, erklärt der Sportchef euphorisiert, „Der SSV Jahn trägt Ostbayern mehr als alle anderen Institutionen nach außen und trägt daher eine wahnsinnig große Verantwortung für den Standort Ostbayern. Der Jahn ist, da Fußball einfach eine enorme Bedeutung in Deutschland hat, fast täglich in nationalen Medien vertreten und somit ein wichtiger Repräsentant der Region Ostbayern auf Bundesebene!“ Das stimmt, keine andere Institution Ostbayerns erfährt eine vergleichbare nationale Medienpräsenz wie der SSV Jahn, sei es in TV, Hörfunk, Presse oder sozialen Medien. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, möchte der Jahn sich zukünftig so präsentieren, wie die Menschen in der Region sind: Eben „glaubwürdig, ambitioniert, bodenständig – einfach unverkennbar ostbayerisch“.
Mia spuin fia eich!
Daher wird beim Jahn in Zukunft nicht mehr nur für sich selber Fußball gespielt. Der Jahn spielt für Ostbayern Fußball: „Mia spuin fia eich!“ – „Wir spielen für euch!“ Der Sportchef beschrieb den SSV Jahn zwar als „ein kleines Licht“ im Profifußball: „Der Spruch, dass Geld Tore schießt, stimmt. Ginge es nur nach den Zahlen, könnte man denen recht geben, die sagen, es wäre nicht schlimm, wenn der Jahn nicht da wäre", so Dr. Keller, „Aber der Jahn ist mehr als Fußball! Der Jahn ist der größte Botschafter der Region“
Und um diese Regionalität zu untermauern gäbe es nur einen Weg: „Wenn wir uns ostbayerisch verkaufen wollen, muss auch die Mannschaft ostbayerisch sein. Zu 100% werden wir das natürlich nie schaffen, aber derzeit sind schon 40% unseres Kaders aus der Region oder aus unserer eigenen Jugend! Unser Ziel sind 50%, das Gerüst soll einheimisch sein!“ Dazu sind zwei Säulen notwendig – die infrastrukturelle und die sportliche. Die Infrastruktur wäre mit dem Umbau des Sportparks Kaulbachweg schon erreicht. Aber auch für die sportliche Seite hat Keller ein Konzept entwickelt: Die Die Nachwuchsarbeit fußt in Zukunft auf einem schriftlich fixierten Ausbildungskonzept, bestehend aus drei Säulen: Persönlichkeitsausbildung, Fußballausbildung und Schul-/Berufsausbildung.
Gemeinsamer Wertekodex und Spielphilosophie
Die Persönlichkeitsausbildung setzt dabei auf die Förderung der Sozial- und Selbstkompetenz der Jahntalente. Die Kinder und Jugendlichen sollen nicht nur zu guten Fußballern, sondern über die Möglichkeiten des Leistungssports auch zu Persönlichkeiten reifen. Die neuen Markenwerte des Jahn – bodenständig, glaubwürdig und ambitioniert – sollen von ihnen auf und neben dem Platz gelebt werden. „Und dabei nenne ich diese Säule nicht ohne Grund als erstes!“, betont Keller. Was die Fußballausbildung betrifft, so sind künftig für alle Nachwuchsteams des Jahn verbindliche Spielsysteme und Spielprinzipien vorgeschrieben. Genauso sind Trainingsinhalte, -ziele und -methoden für jede Jahrgangsstufe exakt und aufeinander aufbauend formuliert. Auf diese Weise wird bereits konzeptionell eine systematische Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Nachwuchsmannschaften als insbesondere auch zwischen Nachwuchs- und Profibereich hergestellt. Die Förderung der schulisch-beruflichen Laufbahn der Jahntalente bildet die dritte Säule des Ausbildungskonzepts. Der SSV Jahn versteht es als unabdingbare Voraussetzung auf gute schulische Leistungen seiner Spieler zu achten. Bereits in jungen Jahren nur auf die Karte Profifußball zu setzen, ist der falsche Weg für einen Nachwuchsfußballer. Die Jahntalente brauchen ein zweites Standbein – nicht nur zur Absicherung ihrer Zukunft, sondern auch zur Verbreiterung der Perspektiven ihrer Persönlichkeitsentwicklung. Die Jahnschmiede setzt daher auf richtungsweisende Schul- und Unternehmenskooperationen. Gleichermaßen sorgen Trainer mit pädagogischer Ausbildung für eine fortlaufende Leistungsreflexion bei den Spielern. Leistungssport und Schule werden auf diese Weise optimal miteinander verbunden. „Bereits heute hat ein Teil des aktuellen Kaders eine abgeschlossene Berufsausbildung oder befindet sich gerade in dieser“, hebt Keller hervor, „doch der Anteil muss noch größer werden“.
Damit das Vorhaben auch seine Professionalität und die Ehrlichkeit behält, konnte der SSV Jahn Christian Schlegl (CSU) und Joachim Wolbergs (SPD) als Kuratoren gewinnen. Die beiden Oberbürgermeister-Kandidaten (einer von beiden wird im März zum OB von Regensburg gewählt werden) stehen auf der Seite des Jahn und wollen den Verein nach vorne bringen, sie sitzen auch zusammen im Aufsichtsrat des Vereins.
Dr. Christian Keller machte in seinem Vortag deutlich, dass die Wirtschaft sich wieder auf den Jahn verlassen kann. Denn es ist klar, so wie der Verein in der Vergangenheit geführt wurde, kann man so eine ambitionierte Neuausrichtung nicht erreichen. „Es ist natürlich einfach, hohe Ziele auszugeben und sich dafür feiern zu lassen. Aber es ist schwierig, diese Ziele bodenständig zu erreichen! Denn: wer nach oben klettert und nicht gesichert ist, der fällt tief. Der Jahn ist schon oft tief gefallen. Aber heute fällt der Jahn nicht mehr! Ich weiß, dass auch schon andere vor mir die Zukunft als erfolgversprechend bezeichnet und als Ergebnis verbrannte Erde hinterlassen haben. Aber diese Zeiten, wo Undurchsichtigkeit und Chaos herrschten, sind vorbei! Der SSV Jahn hat heute transparente Strukturen, er tickt wie ein wirtschaftliches Unternehmen. Der Jahn ist wieder ein verlässlicher Partner und spielt nicht mehr für sich selbst, der Jahn spielt für ganz Ostbayern! Mia spuin fia eich“
Foto: Regensburg1889.de / Videos: SSV Jahn Regensburg