Hansa Rostock: Kogge schippert sich in unruhige Gewässer
Nach dem peinlichen Landespokal-Aus im Halbfinale gegen den Fünftligisten 1. FC Neubrandenburg 04 zog die Clubführung des F.C. Hansa Rostock am Mittwoch die Reißleine. In den späten Abendstunden verkündete Vorstandschef Michael Dahlmann die sofortige Beurlaubung des Trainerduos Bergmann und Reinke. Wie konnte es dazu kommen? Fakt ist: Auslöser für diese Entscheidung war die blamable Niederlage gegen einen Oberligisten. Hansa glänzte 94 Minuten mit fehlender Durchschlagskraft. Eine taktische Ausrichtung war, trotz 80 Prozent Ballbesitzes kaum erkennbar. Stellungsfehler und Schwächen im Spielaufbau reihten sich nahtlos aneinander. Einsatz, Kreativität und der unbedingte Kampfeswille fehlten. Da war es schon mehr als bezeichnend, dass Mitte der zweiten Hälfte Michael Dahlmann seinen Weg ins Stadion fand und dieser neben der Rostocker Auswechselbank samt Trainergespann endete. Spätestens als „Bergmann raus“-Rufe durchs Stadion hallten und ein gellendes Pfeifkonzert die Verlierer in die Katakomben schickte, ahnte man, dass dies noch nicht das Ende der Fahnenstange sein würde. Der Unmut einiger Fans entledigte sich dann direkt vor dem Stadion, als aufgebrachte Anhänger gewaltsam versuchten, ein Tor zu öffnen, um zur Mannschaft zu gelangen. Geworfene Pflastersteine, Begrenzungspfähle und andere Gegenstände auf der einen gegen Pfefferspray der Polizei und Ordnungskräfte auf der anderen Seite. Wieder einmal zeigte sich Hansa von seiner unrühmlichen Seite. In der Zwischenzeit fiel im Stadioninnern die schnelle Entscheidung der Beurlaubung Bergmanns, die dann auch die aufgebrachten Fans am Zaun persönlich vom Vorstandschef mitgeteilt bekamen. Ruhe kam dadurch nicht in die Menge. Auch einige Stunden nach dem Spiel befanden sich die Spieler noch im Stadion und kreiste der Hubschrauber mit Suchscheinwerfer über der Hansestadt.
Das gewünschte schnelle Umschaltspiel blieb auf der Strecke
Wer dachte, die vergangene desaströse Saison mit dem Landespokal-Aus im Finale gegen Neustrelitz wäre der weiß-blaue Tiefpunkt gewesen, sieht sich seit gestern getäuscht. Die sportliche Ära Bergmann war als Langzeitprojekt geplant. Einen neuen erfolgreichen Kurs wollte man einschlagen mit dem 1A-Kandidaten. Attraktiven Fußball wollte man zeigen, die Fans begeistern und Spiele gewinnen. Unterm Strich bleibt jedoch nur eine Siegesserie vor Weihnachten, ohne die Hansa – wie auch schon in der Vorsaison – sicherlich um den Abstieg gekämpft hätte. Hoch und weit bringt Sicherheit – die Kogge agierte fast in jedem Spiel mit langen hohen Bällen. Ganz klar: für niemanden attraktiv. Man fuhr zwar Siege ein, die auch kurzfristig vom Aufstieg träumen ließen, aber das Wie rückt dabei in den Vordergrund. Bis auf wenige Ausnahmen (Leipzig, Wiesbaden) wurde ein Gegner nie wirklich beherrscht, nie wirklich Fußball gespielt, das gewünschte schnelle Umschaltspiel blieb auf der Strecke. Frische hungrige Spieler hatte man in der Sommerpause verpflichtet. Geblieben ist zu diesem Zeitpunkt eine blasse, blutleere Mannschaft: eine Abwehr, die mit 44 Gegentoren nicht immer überzeugen konnte, ein Mittelfeld aus dem eigentlich nur Top-Torjäger David Blacha heraussticht und ein Sturm, der nicht mit Torgefahr glänzt. Was war mit dem Team geschehen, welches zur Winterpause noch auf Platz vier der Tabelle lag? Vier Monate ohne Heimsieg und ein Abrutschen vom vierten auf den siebenten Tabellenplatz sprechen eine eindeutige Sprache. Eine spielerische Weiterentwicklung war in den vergangenen vier Monaten auch nicht mehr zu sehen. Stagnation statt Aufschwung – auch dies ist letzten Endes Bergmann und Co. anzukreiden.
Schwieriger Spagat zwischen finanzieller Konsolidierung und sportlichem Erfolg
Der weiß-blaue Fußballfan strafte den Verein indes mit Abwesenheit bei Heimspielen. Außerhalb des Platzes warb man noch mit der ins Leben gerufenen Kampagne „Du bist Hansa“ für neue Mitglieder. Man wollte möglichst viele Menschen mit dem weiß-blauen Lebensgefühl anstecken. Die Lust ins Stadion zu gehen, sank allerdings mit jedem schlechten Spiel der Kogge in 2014. Die Zuschauerzahlen gingen schwindelerregend zurück und fanden ihren Höhepunkt mit der Negativkulisse von 6.200 Fans am vergangenen Spieltag. Nach dem Pokal-Aus und den Randalen des Abends wirkt die veröffentlichte Meldung zum Schuldenschnitt nahezu hämisch. Die Gläubigerbanken des mit ca. 30 Millionen Euro verschuldeten Drittligisten haben beim Land Mecklenburg-Vorpommern einen Schuldenschnitt beantragt. Insgesamt handelt es sich hierbei um einen Erlass in Höhe von rund 2,65 Millionen Euro. Pluspunkte konnte Hansa bei Innenminister Lorenz Caffier, der gestern auch im Stadion zugegen war, sicherlich nicht sammeln… Hinzu kommt nun auch noch die vorzeitige Kündigung der bis Juni 2015 laufenden Arbeitsverträge von Bergmann und Reinke. Auch wenn es, laut Michael Dahlmann und Uwe Vester, eine „komplett alternativlose Entscheidung und keine impulsive Handlung war“, reißt sie doch erhebliche Löcher in die klamme Vereinskasse. Fakt ist, dass der Spagat zwischen finanzieller Konsolidierung und sportlichem Erfolg auf dem Platz schwierig wird.
Was bleibt, sind die überaus kurzen Halbwertszeiten der Hansa-Trainer der vergangenen Jahre. Kontinuität und Beständigkeit bleiben dabei auf der Strecke. Wer bei der Kogge an Bord geht, muss damit rechnen, dass er das Steuer auch schnell wieder abgeben kann. Das Zeitfenster für die Suche eines geeigneten neuen Kandidaten ist nun eng gesteckt. Wegen der fehlenden Trainerlizenz darf Interimscoach Robert Roelofsen nur übergangsweise dieses Amt ausüben. „Der DFB setzt dafür eine Frist von fünfzehn Tagen“, erklärte Uwe Vester. Erklärtes und neues vorgegebenes Saisonziel des neuen Trainers muss nun Platz vier der Tabelle sein, der automatisch für die Teilnahme am DFB-Pokal berechtigt. Diese würde Hansa 125.000 Euro Antrittsprämie garantieren. „In den verbleibenden sechs Ligaspielen haben wir noch die Möglichkeit in Richtung Platz vier zu marschieren. Deshalb haben wir gestern diesen Reiz gesetzt. Wir wollen in den DFB-Pokal, auch wenn es schwer wird“, machte Vester deutlich.
Beweisen können es die Hansa-Profis schon am kommenden Samstag bei der Auswärtspartie in Halle. Spätestens danach weiß man, ob neue Besen gut kehren…
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