1. FC Heidenheim: Der lange Weg zur Erfüllung eines Traums
Es ist der 19. April 2014, der 1. FC Heidenheim schafft mit einem 1:1 in Elversberg den Aufstieg in die zweite Bundesliga. Bereits drei Spieltage vor Saisonende dürfen sich die Fans in der kommenden Saison auf Spiele gegen Fortuna Düsseldorf, 1860 München und Union Berlin freuen. Ein Traum geht in Erfüllung und viele werden es sicher erst realisieren, wenn Anfang August dann auch das erste Spiel in der zweiten Bundesliga stattfindet. Doch bis es so weit ist, muss erst einmal die lange Sommerpause abgewartet werden. Nicht minder lang war der Weg des 1. FC Heidenheim von den Niederungen des Amateurfußballs bis in das Bundesliga-Unterhaus.
Über die Relegation in die Oberliga
FV Lauda, SV Bonlanden, Bahlinger SC. So hießen die Gegner vor gut zehn Jahren. In der Saison 2002/2003 spielte man noch unter dem Namen Heidenheimer SB in der Verbandsliga Württemberg. Und das damals schon ziemlich erfolgreich. Hinter dem TSV Crailsheim belegte man den zweiten Tabellenplatz und hatte in einer Aufstiegsrelegation die Möglichkeit den Sprung in die Oberliga Baden-Württemberg zu schaffen. Man unterlag jedoch der TSG Hoffenheim II und musste ein weiteres Jahr in der Verbandsliga verbringen. Auch dieses Mal verpasste man als Zweiter den direkten Sprung in die Oberliga. Meister wurde Normannia Gmünd. Wieder musste man deshalb in die Relegation. Dieses Mal hieß der Gegner Offenburger FV. Doch im Gegensatz zur vergangen Spielzeit konnte man sich gegen Offenburg durchsetzen. Ein 3:0 im Hinspiel und ein 2:0 im Rückspiel sicherten dem HSB den Aufstieg in die Oberliga. Unter den Feiernden war ein Gesicht, das man auch heute noch in Heidenheim sieht. FCH-Erfolgscoach Frank Schmidt war zu der Zeit noch Spieler beim HSB. Nicht nur wegen seiner starken Zweikampfführung, sondern auch wegen seiner Kopfballstärke und seiner Erfahrung war er damals schon der Kopf des Teams.
Als Neuling sorgt man für Furore
In der ersten Saison als Oberligist sorgte der FCH mit Offensivfußball für sehr attraktiven und zugleich erfolgreichen Fußball. Nach 34 Spieltagen belegte man als Aufsteiger einen respektablen fünften Platz. Ziemlich auffällig ist dabei die Tordifferenz von 71:66. In 13 der 34 Partien bekamen die Zuschauer fünf oder mehr Tore zu sehen. Zur gleichen Zeit erreichte Heidenheim das Finale des Landespokals. Da man aber an den Stuttgarter Kickers mit 1:3 scheiterte verpasste man die Teilnahme am DFB-Pokal. Es folgte die Saison 2005/2006 und diese sollte noch erfolgreicher verlaufen als noch die Spielzeit zuvor. Nach acht Spieltagen gelang der Sprung an die Tabellenspitze und dort blieb man 21 Spieltage in Folge. Jedoch verlor der 1. FCH diesen Platz nach vier sieglosen Partien am Stück. Die letzten vier Saisonspiele wurden dann zwar wieder allesamt gewonnen, doch am Ende belegte man mit 78 Punkten nur den zweiten Tabellenplatz hinter dem SSV Reutlingen 05. Wieder Oberliga und wieder sollte der Verein von der Ostalb eine gute Rolle spielen. Nach schwachem Saisonstart konnte man sich fangen und übernahm zwischenzeitlich die Tabellenführung. Am 24. Spieltag rutschte Heidenheim aber auf den dritten Rang ab, welchen man bis zu Saisonende dann innehatte.
Ein 9:1 und ein Glücksfall für den Verein
Die Saison 2007/2008 sollte dann für den Verein eine ganz besondere werden. In der darauffolgenden Spielzeit führte man die 3.Liga ein. Deshalb wurde die bisherige Regionalliga der 3.Liga untergeordnet, weshalb sich gleich vier Teams aus der Oberliga sich für die neuformierte Regionalliga qualifizieren konnten. Erstmals ging man als 1. FC Heidenheim 1846 e.V. in die Spielzeit. Geschäftsführer Holger Sanwald hatte eine Vision vor Augen. Doch dazu musste die Fußballabteilung vom bisherigen Gesamtverein abgespalten werden, um die großen Anforderungen des DFB erfüllen zu können. Das Sportliche durfte man dabei aber nicht vergessen. Ein mäßiger Saisonstart und eine herbe Derbypleite gegen den SSV Ulm waren die Ursachen, dass der bisherige Trainer Dieter Märkle ersetzt wurde. Man wollte sich bei der Trainersuche Zeit lassen, weshalb man für die kommenden zwei Spiele Frank Schmidt, der inzwischen seine Spielerkarriere beendet hatte, als Cheftrainer auf die Bank setzte. In Gmünd konnte er sein erstes Spiel als Interimscoach mit 2:1 gewinnen. Es folgte das Heimspiel gegen den VfL Kirchheim/Teck, welches in beeindruckender Manier mit 9:1 gewonnen wurde. Daraufhin stattete man Schmidt mit einem Vertrag bis zum Winter aus. Platz drei zur Halbserie überzeugte Sanwald so sehr, um Schmidt als langfristige Lösung an den Verein zu binden. Eine weise Entscheidung, wie sich später herausstellen sollte. Am letzten Spieltag konnte man mit einem 5:0 über den TSV Schwieberdingen den vierten Tabellenplatz sichern. Letztlich waren es zwei Punkte, die man Vorsprung auf den Fünften, die TSG Hoffenheim II, hatte. Als Krönung der Saison setzte man sich im Landespokalfinale knapp mit 3:2 gegen den TSV Crailsheim durch und qualifizierte sich somit für den DFB-Pokal.
Von deutschen Meistern und Schneeschiebern
Mit Erol Sabanov, Ingo Feistle, Tim Göhlert und Alper Bagceci standen schon damals vier Spieler im Kader, die bis zur aktuellen Saison noch immer für den 1. FCH auflaufen. Vor dem ersten Spieltag der Regionalliga Süd stand das Highlight im DFB-Pokal an. Dort empfing man, den späteren deutschen Meister, den VfL Wolfsburg. Unter dem damaligen Trainer Felix Magath liefen Spieler wie Grafite, Gentner oder auch Misimovic für den VfL auf. Man schlug sich wacker, doch konnte man die 0:3 Niederlage nicht verhindern. Vermutlich hat das Spiel gegen Wolfsburg mehr Kraft gekostet als anfangs vermutet, denn aus den ersten beiden Saisonspielen holten die Brenzstädter nur einen Punkt. Mit einem spektakulären 5:4 Heimerfolg am dritten Spieltag gegen Eintracht Bamberg leitete man die Wende ein. Doch die Saison sollte noch mehr an Kuriositäten und Besonderheiten mit sich bringen. Es war der 22. November 2008. Es stand das Heimspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden II auf dem Programm. An sich nichts Besonderes, doch an Fußballspielen war lange Zeit nicht zu denken. Eine dichte Schneedecke bedeckte den Platz, der damals noch über keine Rasenheizung verfügte. Das Spiel absagen kam für die Spieler aber nicht in Frage und so packten Schnatterer und Co. mit an. Mit Schneeschaufeln befreiten sie die Linien vom Schnee. Und dieser Einsatz sollte sich auszahlen. Trotz eines Rückstandes nach nicht einmal einer Minute konnte das Spiel mit 2:1 gewonnen werden. Negatives Highlight war zum Abschluss der Hinrunde die 1:6 Niederlage gegen den 1. FC Nürnberg II. Doch in der Rückrunde ließ das Team dann nichts mehr anbrennen und konnte am vorletzten Spieltag in Karlsruhe den Aufstieg in die 3. Liga feiern. Da spielte es dann auch keine Rolle, dass der Saisonabschluss zu Hause gegen Nürnberg II mit 0:3 verloren ging.
Kartensammler Klarer sorgt für Verwirrung
Gegen den Wuppertaler SV bestritten die Heidenheimer ihr erstes Drittligaspiel der Geschichte. Tim Göhlert war der erste Torschütze für den 1. FCH in der 3. Liga. Das Spiel endete 2:2. Als Abstiegskandidat Nummer eins vor der Saison gehandelt, konnte man sich gegen Ende der Hinrunde in eine komfortable Ausgangsposition bringen. Für viel Aufsehen sorgte der 6:1-Heimerfolg gegen Wacker Burghausen am elften Spieltag. Richtig kurios wurde es am 36. Spieltag. Es geht um Mittelfeldspieler Martin Klarer, der aufgrund seiner zehnten gelben Karte in Jena eigentlich nicht auflaufen hätte dürfen. Er tat es trotzdem und das Spiel gewann Heidenheim mit 2:1. Jena legte Protest ein und sie sollten vom DFB auch Recht bekommen. Am zwölften Spieltag kassierte Klarer in Braunschweig seine erste gelbe Karte. Fälschlicherweise schrieb der Schiedsrichter damals aber die Nummer neun und nicht die Nummer 19 auf den Spielberichtsbogen. Da es sich um eine Tatsachenentscheidung handelte, blieb das Ergebnis stehen. Zu diesem Zeitpunkt belegte Heidenheim den sechsten Tabellenplatz, welchen sie auch am Ende der Saison für sich beanspruchten.
Zu Gast beim Meister I
Bekanntlich ist die zweite Saison eines Aufsteigers immer die Schwierigere, doch das hat man in Heidenheim nicht gesehen. Einzig an den beiden ersten Spieltagen war man nicht unter den ersten zehn vertreten. So pendelte man die gesamte Saison über zwischen Platz fünf und Platz neun. Das Highlight war das Derby gegen den nördlichen Nachbarn aus Aalen. Erstmals war das Stadion mit 10.000 Zuschauern ausverkauft. Das Spiel endete torlos. Am letzten Spieltag war man zu Gast in Braunschweig, der schon vor dem 4:0-Erfolg gegen den 1. FCH als Meister und Aufsteiger feststand. Die Partystimmung in Braunschweig ging auch an den Heidenheimer Auswärtsfahrern nicht vorbei, so startete man eine Polonaise im Gästeblock und feierte auf diese Weise, trotz der herben Niederlage zum Abschluss, mit den Braunschweigern. Tabellenplatz neun stand am Ende dieser Saison zu Buche.
Zu Gast beim Meister II
Da man den Landespokal gewinnen konnte, startete man in der Saison 2011/2012 im DFB-Pokal. Dort trafen die Brenzstädter auf den SV Werder Bremen. Man geriet in Rückstand, bekam zu Beginn der zweiten Halbzeit einen Elfmeter gegen sich und behielt am Ende dennoch die Überhand. Ein genialer Freistoß von Christian Sauter und eine starke Aktion von Marc Schnatterer sorgten für eine 2:1 Führung, die bis zum Ende Bestand haben sollte. Auch in der zweiten Runde schnupperte man an einer Sensation. Trotz zahlreicher Chancen ging es gegen Borussia Mönchengladbach mit einem 0:0 nach 120 Minuten ins Elfmeterschießen, welches die Gäste dann für sich entscheiden konnten. In der Liga erreichte man die beste Saisonplatzierung. Lange Zeit spielte man um den Aufstieg mit, doch am Ende sollte es nur zu Platz vier reichen. Knackpunkt der Saison war die 1:2-Niederlage gegen Bremen II. Man führte dank eines Treffers von Schnatterer, doch in der 90. Minute dann der Schock. Leon Balogun erzielte mit dem Kopf den Ausgleich und nur wenige Sekunden nach dem Anstoß fiel dann auch schon das 1:2. Wieder war es Balogun und wieder war es der Kopf. Auch in dieser Saison war das Derby gegen den VfR Aalen ausverkauft und dieses Mal konnte man sogar mit 3:1 als Sieger vom Platz gehen. Am letzten Spieltag setzten sich die Brenzstädter auch mit 2:1 gegen den SV Sandhausen durch. Doch das war am Ende wertlos. Sandhausen und Aalen stiegen mit so wenig Punkten wie bisher noch nie in die 2. Liga auf. Und Regensburg konnte mit einem 1:1 am letzten Spieltag den Relegationsplatz sichern. Da der VfR Aalen am letzten Spieltag gegen Osnabrück mit 0:4 unter die Räder kam, wurde der SVS Meister. Während auf der einen Seite die Sandhäuser die Meisterschaft feierten, verpassten die Heidenheimer die Relegation nur um einen Punkt.
90 Minuten pure Anspannung ohne Happy End
Die Enttäuschung war groß und nun sollte diese Saison der Aufstieg gelingen. Im DFB-Pokal musste man sich in der ersten Runde dem VfL Bochum mit 0:2 geschlagen geben. Der Fokus lag ohnehin auf der Liga. Am siebten Spieltag konnte man mit einem Sieg gegen Darmstadt die Tabellenführung erobern. Doch bis zur Winterpause lief dann nicht mehr viel zusammen. Mit 13 Punkten Rückstand hakte man das Thema Aufstieg fast schon ab. Doch nach grandiosen Spiele nach der Winterpause mit nur einer Niederlage (2:1 in Chemnitz) pirschte man sich allmählich aber sicher an die Aufstiegsplätze heran. Darunter waren kuriose Siege wie gegen Bielefeld und Erfurt, wo man jeweils in zweifacher Überzahl spielte. Für Aufsehen sorgte auch die Heimpartie gegen den SV Darmstadt 98. Der Darmstädter Gorka wurde mit einer gelb-roten Karte vom Platz geschickt. Fakt ist jedoch, dass Gorka zu diesem Zeitpunkt noch keine gelbe Karte erhalten hat. Eine Verwechslung mit Sulu lag vor – dachten alle – im Spielbericht war vermerkt, dass Gorka wegen einer Beleidigung mit glatt Rot vom Platz flog. Eine Szene, die noch Wochen danach für Gesprächsstoff sorgte. 14 Spieltage lang standen die Heidenheimer auf dem fünften Tabellenplatz. Am vorletzten Spieltag gelang mit einem Sieg in Saarbrücken der Sprung auf Rang drei. Begleitet über die gesamte Saison wurde das Team von Aljoscha Pause und dessen Filmcrew. Im Dokumentarfilm „Trainer“ spielte Frank Schmidt eine Hauptrolle. Und auch am letzten Spieltag gegen Offenbach war das Filmteam dabei. Sie sahen verkrampfte Heidenheimer, die mit einem Seig den Relegationsplatz hätten sichern können. Michael Thurk hatte in der 94. Minute mit einem Freistoß die größte Chance. Sein Schlenzer ging jedoch knapp am Winkel vorbei. So verpasste man abermals wegen nur eines Punktes den Relegationsplatz. Man rutschte sogar wieder auf den fünften Tabellenplatz ab. Doch dank des dritten Triumphes in Folge im Landespokal, qualifizierte man sich wieder für die erste Runde im DFB-Pokal.
Durch Konstanz zum Aufstieg
Die Enttäuschung bei den Verantwortlichen und Fans war groß. Aber dieses Gefühl solle in Heidenheim keiner mehr erleben. Das Team wurde zusammengehalten und sinnvoll ergänzt, so dass man mit großen Erwartungen in die neue Saison startete. Der Saisonstart verlief zufriedenstellend. Im DFB-Pokal lieferte man gegen den TSV 1860 München einen großen Kampf, unterlag aber knapp im Elfmeterschießen. Ab dem siebten Spieltag setzte man sich an der Tabellenspitze fest. Am 35. Spieltag machte man mit einem 1:1 in Elversberg den Aufstieg fix. Eine Serie von 16 ungeschlagenen Partien in Folge war Grundstein für den Erfolg. Darunter auch zwei sehr wichtige Unentschieden. Nach einem 3:0-Rückstand kam man beim Gastspiel gegen die Stuttgarter Kickers noch zu einem 3:3. Eine kleine Vorentscheidung war dann das 1:1 beim Topspiel in Leipzig. Auch hier bewies das Team Moral und erzielte nach einem Rückstand noch den verdienten Ausgleich. Verdient war auch das Wort, welches daraufhin die Medien dominierte, wenn man vom Aufstieg des 1. FC Heidenheim sprach. Durch kontinuierliche und solide Arbeit hat man ein Umfeld aufgebaut, welches zweitligareif ist. In dieser Saison ist die Mannschaft nachgezogen und hat durch beeindruckende Leistungen sich, den Verein und die Stadt, mit dem Aufstieg in die zweite Fußball-Bundesliga belohnt. Das Neuland soll aber nicht nur als Abenteuer angesehen werden. Man hat vor, sich als gestandener Zweitligist zu etablieren. Und wenn sich die Möglichkeit ergeben würde noch mehr zu erreichen, so würde dies in Heidenheim keiner ablehnen.
FOTOS: Marcel Junghanns / Klettermaxe Photographie / Fototifosi