Engelbrecht-Interview: "Nahtoderfahrung hat mir Angst eingejagt"

Daniel Engelbrecht blickt mittlerweile auf eine einjährige Leidenszeit zurück. Am 20. Juli, dem ersten Spieltag der Drittliga-Saison 2013/2014, bricht der damals 22-Jährige beim Spiel der Stuttgarter Kickers gegen den FC Rot-Weiß Erfurt zusammen. Aufgrund der extrem hohen Temperaturen gehen er und die Betreuer zunächst von einem Kreislaufzusammenbruch aus. Doch nur drei Wochen später, es ist sein erster Einsatz seit dem erstmaligen Zusammenbrechen, wird ihm beim Spiel gegen Holstein Kiel erneut schwindlig und schwarz vor Augen. Der gebürtige Kölner wird genauer untersucht  – es wird eine Herzmuskelentzündung diagnostiziert! Engelbrecht musste knapp ein Jahr aussetzen. Mittlerweile kann der 23-Jährige wieder trainieren, wenn auch nur individuell. Im Interview mit liga3-online.de spricht der Stürmer über seine Leidenszeit, eine Nahtoderfahrung und über seine weiteren Plänen.

liga3-online.de: Hallo Herr Engelbrecht, schon dass Sie sich Zeit für ein ausführliches Interview genommen haben. Wie geht es Ihnen und wie verlief die Vorbereitung für Sie persönlich? 

Daniel Engelbrecht: Mir geht es gut soweit. Ich bin froh, dass ich wieder trainieren kann. Allerdings verlief meine Vorbereitung natürlich nicht wie eine gewöhnliche Vorbereitung. Ich habe die ersten Schritte zurück auf den Fußballplatz gemacht und mit unserem Athletik-Trainer Marc Rösgen, der im Moment ein Praktikum bei uns absolviert, ein Grundlagen-Ausdauertraining absolviert. Dabei ging es vor allem darum wieder Kraft aufzubauen, nachdem ich so lange kein Sport machen durfte. Es freut mich natürlich auch, dass vom ersten Tag an auch viele Übungen mit dem Ball dabei waren.

Lange Zeit war es ja fraglich, ob Sie überhaupt noch einmal gegen den Ball treten, vor allem an Profi-Sport war nach der Prognose Herzmuskelentzündung kaum zu denken. Wie blicken Sie auf die vergangene Zeit seit der Erkrankung zurück?

Natürlich war die Prognose für mich anfangs erschütternd und es war die schwerste Zeit meines Lebens. Vor allem die Nahtoderfahrung hat mir Angst eingejagt, ich hatte wirklich dass Gefühl ich würde sterben. Mit dieser Situation kam ich überhaupt nicht klar, hatte daraufhin ständige Angstzustände, Panikattacken und konnte nichtmehr schlafen. Ich habe mich nicht mal mehr auf die Straße getraut.

Können Sie diese Nahtoderfahrung noch genauer beschreiben?

Ich hatte gemerkt, dass ich keinen Sauerstoff mehr in meinen Kopf bekomme und hatte keine Kontrolle mehr über meinen Körper. Innerhalb von 10 Sekunden sah ich das ganze Leben an mir vorbeiziehen. Meine Kindheit, meine Jugend meine Familie und Freunde. Ich dachte echt, ich sterbe jetzt und hatte nur noch den Wunsch noch einmal mit meiner Familie und meinen Freunden zu reden. Früher hätte ich es nicht geglaubt, wenn jemand so etwas erzählt hätte, jetzt habe ich es selber erlebt.

Dann rette der Defibrillator Ihnen das Leben…

Ja genau. Der Defibrillator holte mich zurück. Es knallte und ich hatte das Gefühl jemand würde ein Feuer in meinem Bauch und meiner Brust zünden, welches von Innen nach Außen gehen würde. So ein Defibrillator hat 800 Volt und damit viel mehr als zum Beispiel eine normale Steckdose. Ich hatte überall Schmerzen und mein rechter Arm war in dem Moment vollkommend gelähmt. Diese Erfahrung und die Schmerzen waren Horror für mich.

Wer hat Ihnen anschließend geholfen mit der Situation um zu gehen?

Meine Familie stand immer hinter mir und hat mich durchgehend unterstützt. Doch ich habe auch psychologische Hilfe in Anspruch genommen. In der sechswöchigen Therapie wurde ich zwar nicht geheilt, aber ich habe gelernt mit den Angstzuständen und Panikattacken besser umzugehen. Zum Beispiel indem ich versuche mich abzulenken, wenn ich an mein Herz oder diese Erfahrung denken muss. Die Angst, dass der Defibrillator wieder einsetzt, ist mein ständiger Begleiter, aber jeden Tag komme ich besser damit klar.

Eine Erfahrung, die sicherlich keiner erleben möchte. Vielen Dank, dass Sie so ausführlich darüber berichten. Wird der Defibrillator irgendwann wieder herausgenommen?

Das ist nicht vorgesehen. Ich habe zwar die meiste Angst vor dem Defibrillator, doch er gibt mir auch viel Sicherheit. Er hat mich damals vor dem Tod bewahrt und ist mein ständiger Schutzengel.

Wie gehen Ihre Familie und Ihr Freundeskreis mit der Situation um?

Meine Familie hätte damals natürlich am liebsten gehabt, wenn ich die Fußballschuhe an den Nagel hänge. Allerdings haben sie meine Entscheidung für den Fußball akzeptiert, mitgetragen und mich durchgehend unterstützt. In meinen Bekanntenkreis habe ich leider auch negative Erfahrungen machen müssen, manche meiner damaligen Freunde haben die Krankheit heruntergespielt und mir keine Ruhe gegeben, wenn ich Ruhe brauchte. Die meisten waren allerdings immer für mich da und haben alles für mich getan, wofür ich ihnen sehr dankbar bin.

Was hat Sie dazu bewegt sich für den Fußball zu entscheiden, obwohl ihre komplette Familie dagegen war?

Fußball ist einfach mein Leben, seit Kindesbeinen auf. Es ist einfach mein Traum, mit der Mannschaft auf dem Platz zu stehen. Der Profi-Fußball war immer mein Ziel, kostete es was es wolle. Wenn ich mir einmal was in den Kopf gesetzt habe, mache ich das auch. Ich muss für mich selber entscheiden, was ich aus meinem Leben machen will, deswegen habe ich die Entscheidung so getroffen. Natürlich kann ich jedoch auch die Ängste meiner Familie nachvollziehen.

Wie gehen ihre Mitspieler und Trainer mit ihrer Situation um?

Super, sie erkundigen sich ständig bei mir wie es mir geht und haben viel Verständnis für meine Situation. Mit Horst Steffen bin ich ständig in Kontakt, er macht mir keinerlei Druck und versteht auch, wenn ich einen Tag mal nicht trainieren kann. Mein Herz ist ja praktisch mein Chef, und wenn es sagt es geht nicht kann ich nichts machen.

Zu einem haben Sie aber während der ganzen Zeit eine besondere Beziehung aufgebaut…

Ja wenn man das so sagen kann natürlich zu Marc Rösgen. Wir trainieren ja jeden Tag zusammen und er unterstützt mich einfach super. Ich bin froh, dass er mein tägliches Training begleitet und nur für mich zuständig ist. Vielleicht spielt es auch eine Rolle, dass er wie auch ich aus dem Rheinland kommt.

Wo verfolgen Sie eigentlich die Spiele Ihrer Mannschaft?

Ich war bisher bei jedem Testspiel dabei und habe den Jungs zugeschaut. Generell bin ich immer nah an der Mannschaft, obwohl ich (noch) nicht mit ihr trainiere. Ich werde auch weiterhin jedes Spiel mit dabei sein, wenn die Saison losgeht.

Was trauen Sie ihren Kollegen zu und wie lautet das Saisonziel?

Über das Saisonziel werden wir wohl erst in den nächsten Tagen sprechen. Allerdings sehe ich viel Potenzial in der Mannschaft. Das macht mich optimistisch, dass wir eine gute Saison spielen werden.

Abschließend noch eine Frage. Wann werden die Fans Sie wieder auf dem Platz sehen?

Da habe ich mir kein Ziel gesetzt. Erst einmal bin ich froh, dass ich wieder trainieren kann. Auch wenn Fußball alles für mich ist, muss ich natürlich immer auf mein Herz hören.

Vielen Dank für das Interview und alles Gute und vor allem viel Gesundheit für die Zukunft.

 

FOTO: Marcel Junghanns / Klettermaxe Photographie / Fototifosi

 

 

   

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