Fortuna gegen Kiel: Kopie und Original trennen sich torlos
Zum Abschluss des 17. Spieltags trennten sich Fortuna Köln und Holstein Kiel in einer intensiven Partie mit 0:0. Die Mannschaft von Karsten Neitzel ist damit seit acht Spielen ungeschlagen und zudem seit 415 Minuten ohne Gegentor. Auf Seiten der Kölner sprach Trainer Uwe Koschinat nach dem Spiel von einer „Grenzerfahrung“ für seine Spieler. "Koschinats 90 Sekunden" heißt die öffentliche Gegneranalyse von Fortuna-Trainer Uwe Koschinat, die bei den Heimspielen des Aufsteigers stets vor dem Anpfiff den Zuschauern im Südstadion über die Lautsprecheranlage präsentiert wird. Der Fußballlehrer war sich sicher und betonte, dass sich seine Mannschaft gegen Holstein Kiel auf eine „körperliche Auseinandersetzung“ einstellen müsse und eine „große Herausforderung in Bezug auf Tempohärte und Robustheit“ bevorsteht. Die darauffolgenden 90 Minuten gaben dem Fußball-Lehrer Recht. Die rund 1.900 Zuschauer sahen ein Spiel, welches sich beinahe ausschließlich über harte Zweikämpfe und Duellen in der Luft definierte. Dass es am Ende keinen Sieger gab lag dabei an drei wesentlichen Faktoren:
Rahn gedoppelt – Kraus vergibt
Auch Koschinats Kollege Karsten Neitzel betrieb im Vorfeld der Partie ein intensives Videostudium und hatte Johannes Rahn als Fortunas Schlüsselspieler ausgemacht. So stattete er seine Defensiv-Reihe mit dem Auftrag aus, den 28-Jährigen immer wenn es möglich ist zu doppeln. Neitzel: „Wir waren vorbereitet auf viele lange Bälle, lange Einwürfe und gefährliche Standardsituationen, haben diese aber in der Anfangsphase nicht gut verteidigt.“ Die 90-minütige Sonderbewachung für Rahn griff anfangs noch nicht. Die Hausherren kamen in den ersten zwanzig Minuten zu lukrativen Abschlüssen. Markus Pazurek versuchte es gleich zweimal aus der zweiten Reihe, jeweils im Anschluss an einen Eckball. In der Folge isolierte die Holstein-Defensive allerdings Fortunas Zielspieler bei deren Offensive-Aktionen und verringerte so die Torgefährlichkeit des Aufsteigers auf ein Minimum. Die größte Möglichkeit der Fortuna kurz vor der Pause resultierte aus einem individuellen Fehler von Kiels Innenverteidiger Manuel Hartmann. Allerdings fand Fortunas Angreifer Thomas Kraus im direkten Duell mit Torhüter Kenneth Kronholm nicht die richtige Dosierung und lupfte das Leder über den Kieler Kasten. „Ich weiß nicht, was ich verbrochen habe, dass der Ball zurzeit einfach nicht reingeht“, haderte der Kapitän im Anschluss.
Kiel fehlt der entscheidende Punch – Fortuna scheut das Risiko
Nach der starken Anfangsphase der Hausherren waren es in der Folge die Gäste die den besseren Eindruck hinterließen. Kiel präsentierte sich in vielen Situationen vor allem aufmerksamer und ein stückweit handlungsschneller als der Aufsteiger. Bei eigenen Freistößen und Einwürfen verloren die Störche keine Zeit, sondern versuchten konsequent die teilweise unsortierte Fortuna-Defensive mit schnellen Spielfortsetzungen zu überraschen. Besonders über die linke Offensivseite kamen die Kieler dabei zum Erfolg und stellten mit Hilfe des offensivfreudigen Außenverteidigers Patrick Kohlmann häufig eine Überzahlsituation her. Im letzten Drittel des Spielfelds zeigte sich aber auch, warum Holstein Kiel in der Liga noch kein Aufstiegskandidat ist. Dem tempoharten Angriffsfußball fehlt in der Spitze ein Unterschiedsspieler, der im letzten Drittel des Spielfeldes die Qualität mitbringt in einem engen und umkämpften Spiel den entscheidenden Treffer zu erzielen. Die Fortuna kam in den zweiten 45 Minuten gar nicht mehr entscheidend vor das Tor der Gäste. „Ich hab mich nicht getraut aufgrund unserer Punktekonstellation ein offenes Spiel zu coachen“, gab Uwe Koschinat nach dem Spiel zu, der sonst ein Freund des Risikos ist und besonders zu Hause bis in die Schlussphase hinein auf Sieg spielt. Die aus Kölner Sicht ungünstigen Ergebnisse des Vortags, welche den Vorsprung des Aufsteigers auf die Abstiegsränge auf zwei Punkte reduzierte, sorgten beim Cheftrainer für einen Fokus auf die risikoärmere Variante.
Koschinat lobt Laux – Freistoß statt Elfmeter
Bei einem torlosen Spiel sind am Ende meist die Defensivreihen beider Mannschaft die Gewinner des Tages. Bis auf wenige Ausnahmen lieferten beide Ketten eine souveräne Leistung ab. Nur ganz selten konnte sich Kiels Angreifer Manuel Schäffler gegen Florian Hörnig in Szene setzen. Auf der anderen Seite ließen die Störche im gesamten zweiten Abschnitt keine ernsthafte Gelegenheit der Hausherren mehr zu „Es bleibt der positive Effekt, dass wir zu Null gespielt haben“, lobte Offensive-Spieler Thomas Kraus die eigenen Kollegen. Koschinat, der eigentlich nie einzelne Spieler hervorhebt, stellte diesmal Innenverteidiger Oliver Laux ein Sonderlob aus: „Wenn es heute einen Mann des Tages gab, dann er“. Laux ersetzte zu Beginn in der zweiten Halbzeit den an der Schulter verletzen Boné Uaferro (Koschinat: Es sieht wohl schlimmer aus“) und spielte anschließend nach über zwei Monaten ohne Spielpraxis fehlerfrei. Die strittigste Situation des Spiels ereignete sich in der Nachspielzeit, als der häufig im Mittelpunkt stehende Schiedsrichter Benedikt Kempkes den Gästen einen Elfmeter verweigerte und stattdessen auf Freistoß entschied. Markus Pazurek hatte zuvor Patrick Breitkreuz von den Beinen geholt. „Ich glaub schon, dass das Foul innerhalb des Strafraums war, aber heute war das Glück auf unserer Seite“, gab Fortunas Verteidiger Kusi Kwame hinterher zu.
Koschinat: „Original ist besser als die Kopie“
Am Ende des Tages waren beide Mannschaften mit dem Punkt zufrieden. Die Kieler dürfen sich weiterhin an ihrer positiven Serie (jetzt acht Spiele in Folge ungeschlagen) erfreuen und sind zudem seit 415 Minuten ohne Gegentor. Die Fortuna bekräftigt auch mit diesem Spiel die Erkenntnis, dass sie an guten Tagen „gegen jeden Gegner punkten kann“ (Kraus). Uwe Koschinat freute sich letztendlich nicht nur über den Zähler, sondern auch über eine ganz besondere „Grenzerfahrung“ für seine Spieler. „Wir sind auf unser Abbild getroffen. Das Original ist allerdings Holstein Kiel und wir nur eine Kopie. Viele Spieler werden dank diesem Spiel nachempfinden können, wie sich in der Regionalliga viele Mannschaften gegen uns gefühlt haben.“
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