Analyse: Das sind die Baustellen des MSV Duisburg zum Saisonstart
Durch Veränderungen sollte alles bergauf gehen, doch stattdessen ist der MSV Duisburg nach vier Spielen sieglos und Vorletzter. Ein Bild, das sich nun schon seit Jahren durch die Vereinsgeschichte zieht. Die Charakter- und Qualitätsfrage wird allmählich obligatorisch. Wo sind die Baustellen? liga3-online.de analysierte die Lage bei den Zebras.
Baustelle 1: Bereitschaft und Überzeugung
Drei Punkte aus vier Spielen – so sparsam sind die Zebras noch nie in eine Drittliga-Saison gestartet. Optimisten würden sagen, dass wenigstens die Duelle gegen potentiell direkte Konkurrenten im Abstiegskampf – wie Freiburg II und Halle – nicht verloren wurden. Doch die Ziele des MSV sind natürlich andere Regionen in der Tabelle. Cheftrainer Torsten Ziegner behauptete nach drei Spielen, dass noch keine Partie der Meidericher katastrophal gewesen sei. Dazu brannten die Zebras in den ersten 25 Minuten gegen Ulm ein Feuerwerk ab. Das stimmt auch alles. Doch von den positiven Eindrücken bleibt beim Blick auf die Tabelle nichts übrig.
Daher stellt sich schon zu Saisonbeginn die Mentalitätsfrage. Auch beim Trainer. Denn Ziegner, sauer darüber, dass die Führung gegen Ulm seinem Team keine Sicherheit gab, holte früh zur scharfen Kritik aus. Stellte Grundsätze infrage, äußerte öffentlich Bedenken, ob ein Teil der Spieler das Drittliga-Niveau Woche für Woche erreichen kann. Selbstverständlich ist ein Trainer massiv abhängig von der Bereitschaft seiner Spieler. Doch für die Einstellung und Förderung des inneren Antriebs steht er gleichermaßen in der Verantwortung. Zum Vergleich: Punktlose Verler holten am Wochenende den ersten Sieg nach zwei Rückständen. "Natürlich fällt uns ein Stein vom Herzen. Aber wir hatten auch vorher die absolute Überzeugung, dass wir zeitnah dran sind", sagte SCV-Coach Alexander Ende später. Die Überzeugung beim MSV hingegen scheint oftmals der Unsicherheit vor Rückschlägen zu weichen.
Baustelle 2: Abwehrverhalten und Standards
Der "unbedingte Wille, das Tor zu verteidigen" war daher ebenfalls ein Thema nach dem 1:1-Remis gegen Ulm. Zum wiederholten Male in der jungen Saison fiel ein Gegentreffer nach dem gleichen Muster. Über die rechte Angriffsseite des Gegners kommt ein Ball in den Strafraum, woraufhin sich spätestens am langen Pfosten niemand mehr für den Gegenspieler zuständig fühlt. Ob aus dem Spiel heraus wie gegen 1860, nach einem Eckball wie gegen den HFC oder jetzt wie jetzt nach einem Einwurf gegen Ulm – die Ausgangssituation war unterschiedlich, das Ergebnis aber gleich. Der Ball lag im Duisburger Netz, weil in der Regel nur auf das Spielgerät und nicht auf den Gegenspieler geschaut wurde.
Natürlich ist es unglücklich, dass sich mit Bitter und Feltscher gleich beide Rechtsverteidiger verletzten, zudem Kölle als Alternative auf der linken Seite ausfällt. Aber Ziegner sagte selbst nach dem Test gegen Velbert, als er erstmals dazu gezwungen war zu experimentieren, dass er auch von positionsfremden Spielern mindestens Laufen und Kämpfen erwarten kann. Diese Kriterien erfüllte beispielsweise ein Chinedu Ekene, der sich gegen Ulm bis zum Schluss mit Krämpfen plagte. Ein Konzentrationsproblem ist daher nicht an einem einzelnen Spieler festzumachen.
Baustelle 3: Keine Offensivtore
Mit dem Abgang von Moritz Stoppelkamp wollte die sportliche Leitung eine "echte Veränderung" herbeiführen, wie oftmals betont wurde. Eine neue Hierarchie aufbauen, eine neue Mentalität in die Mannschaft bringen. Aber das Unglück nahm seinen Lauf. Benjamin Girth, mit dem verlängert wurde, und Neuzugang Pascal Köpke verletzten sich in der Vorbereitung und konnten sich mit der Mannschaft nicht einspielen. Folglich wirkten beide Mittelstürmer in den vergangenen Partien schon über weite Strecken sehr verloren auf ihrem Posten. Tore kamen bislang nur von Innenverteidigern – wenngleich Sebastian Mai in der Schlussphase häufig mal als Neuner spielt, aber in der Rolle bisher noch nicht traf.
Auch die Außenbahnen bleiben eine Baustelle mit Ansage. Denn nach den unglücklichen Verletzungen von Kölle und Pledl bleiben fast nur noch Esswein und Müller als Alternativen. Außer, wenn wieder positionsfremde Spieler eingesetzt werden. Das Problem beim erfahrenen Esswein und beim jungen Müller ist allerdings noch, dass auch die beiden Neuzugänge bislang wenig Bindung zum Spiel der Duisburger haben. So bleibt das Konto der neuen Offensivkräfte insgesamt noch leer – und Kritiker fragen, woher die 17 Scorerpunkte des Ex-Kapitäns kommen sollen. Positiv sind drei Tore nach Standards. Das gab es beim MSV lange Zeit gar nicht.
Baustellte 4: Kommunikation und Außendarstellung
Dauer-Nörgler und Langzeit-Kritiker helfen dem MSV in der aktuellen Lage natürlich nicht. Deshalb merkte Ziegner in der Pressekonferenz vor Ulm auch an, dass er denjenigen, die nur Meckern wollen, nicht helfen könne. Gleichzeitig wendete sich der Cheftrainer an die Fans, welche die Situation der Duisburger mit einem gesunden Maß einordneten. Fakt ist jedoch, dass der MSV über kurz oder lang wieder alle gemeinsam ins Boot holen muss – um in Meiderich wieder ein Umfeld zu schaffen, das Spaß macht. Das wäre etwas, was den Spielern wirklich helfen würde.
Die finanziellen – und auch die sportlichen Argumente – der Duisburger sind in den letzten Jahren geschrumpft. Umso wichtiger ist die Außendarstellung der Zebras. Statt widersprüchlich anmutender Aussagen von Cheftrainer und Sportdirektor in Bezug auf die Kaderplanung, die sich durch einen kompletten Sommer ziehen, brauchen die Meidericher auch hinter den Kulissen wieder etwas mehr Feuer. Spieler, Fans und der gesamte Verein wollen mitgerissen werden. Keine schnippischen Antworten auf kritische Nachfragen und klare Kante statt ausweichender Haltung. Dann kann aus Unsicherheit auch wieder Überzeugung werden.