Analyse: Warum sich der FCM in der 2. Liga etablieren wird

Was für eine Party, was für eine Freude: Der 1. FC Magdeburg ist nach drei Jahren zurück in der 2. Bundesliga. Drei Wochen könnte man an der Elbe bis zum Saisonende jetzt durchfeiern. Hinter den Kulissen aber geht es flugs weiter mit der Planung für die Zukunft. Denn im zweiten Anlauf will sich der FCM endlich unter den besten 33 Klubs Deutschlands etablieren.

Der FCM ist wieder da

Eine Bierdusche nach der anderen gossen sich Spieler, Betreuer und Trainerteam über den Kopf. Magdeburg feierte, zu Tausenden auf dem Stadionrasen, später auch in den Kneipen und in der Stadt – einige schlugen gar über die Stränge. All das, was sich in den vergangenen dreieinhalb Jahren und mit Beginn der Krisensituation beim vorherigen Zweitliga-Besuch an Frust angestaut hatte, fiel mit dem 3:0-Erfolg über den FSV Zwickau ab. Der 1. FC Magdeburg ist wieder wer! Und darf sich schon bald auf Duelle in Düsseldorf, Hannover, Nürnberg, Rostock, vielleicht auch Hamburg, St. Pauli oder gar Stuttgart freuen. Das alles nach zwei entbehrungsreichen Jahren der Corona-Pandemie, oft durften nur wenige oder gar keine Fans ins Stadion. Es gibt so viel zu bejubeln in Sachsen-Anhalt, da käme eine ganze Woche voller Feiertage gerade recht.

Die Verantwortlichen, allen voran Sportchef Otmar Schork und Trainer Christian Titz, werden sich der Party und Aufstiegseuphorie nicht zu lange hingeben können. Sie müssen nun, gemeinsam mit den langjährigen Mitarbeitern, analysieren: Welche Fehler hat Magdeburg damals gemacht und müssen jetzt vermieden werden? Welche Stolperfallen lauern auf dem Weg in die nächsthöhere Spielklasse? Ob der FCM als sein eigenes Beispiel, der SV Wehen Wiesbaden, der VfL Osnabrück oder nun der FC Ingolstadt: In den vergangenen Jahren haben es etliche Aufsteiger nicht geschafft, sich länger als zwei Jahre in der höheren Klasse festzuspielen. Hansa Rostock hat mit dem quasi sicheren Ligaverbleib immerhin einen Schritt dahin schon geschafft. Und wo sortiert sich Magdeburg ein? Die Analyse.

Sportliche Stärke

85 Punkte aus 38 Spielen bedeuteten einen Schnitt von 2,23 im Aufstiegsjahr 2017/18, jetzt liegt der FCM bei 2,18 Punkten pro Partie. Auffällig: Die Magdeburger haben, obgleich fünf Spiele weniger absolviert als vor vier Jahren, schon jetzt mehr eigene Tore erzielt, aber auch kassiert. Das kommt nicht von ungefähr: Schließlich spielt die Titz-Elf einen viel riskanteren, spektakuläreren Fußball, als es damals der nicht minder erfolgreiche Jens Härtel tat. Damit dieser Ansatz in der 3. Liga aufgeht, braucht es besondere Qualität oder besondere Hartnäckigkeit – wer ist nicht bereits alles in Schönheit gestorben, während massive Defensivreihen zum Aufstieg geführt haben. Gelingt dies aber, so wie einst dem SC Paderborn, so ist das spielerische Fundament gelegt, um auch eine Liga höher bestehen zu können. "Wir haben hier etwas begonnen, das noch nicht zu Ende ist", wird Schork von der "dpa" zitiert.

Einzelspieler

Christian Beck und Philip Türpitz hieß das offensive Erfolgsduo anno 2018, und sie blieben es auch in der 2. Liga mit immerhin 25 Torbeteiligungen. Nun dreht sich (fast) alles um einen Spieler: Baris Atik, der mit 38 (!) Scorerpunkten schon jetzt einen Drittliga-Rekord gebrochen hat und dabei munter auf verschiedensten Offensivpositionen rotierte. Selten wirkte ein Spieler mit der Liga derart unterfordert, umso spannender wird es sein, Atiks Rolle im kommenden Jahr zu beobachten – sofern der FCM seinen Spielmacher halten kann. Zwar hat sich der Vertrag des 27-Jährigen durch den Aufstieg dem Vernehmen nach verlängert, doch es ist ein offenes Geheimnis, dass Atik in den Notizbüchern zahlreicher Klubs steht, die mit einem wohl deutlich höheren Gehalt locken. Dahinter steckt mit Spielern wie Luca Schuler und Jason Ceka viel mehr Entwicklungspotenzial als früher, das Mittelfeld ist dank Andreas Müller und Amara Condé technisch auf ganz anderem Niveau.

Bei möglichen Neuverpflichtungen rückt die Defensive in den Fokus, 2018 war es ähnlich. Hier verpflichtete der FCM unter anderem mit Jan Kirchhoff und Romain Bregerie viel Erfahrung, beide erwiesen sich aber als nicht zuverlässig genug und wurden zu Flops. Insgesamt erreichten damals zu wenige Spieler der Aufstiegself Zweitliga-Niveau, was nicht rechtzeitig erkannt worden ist. Schaffen es Schork und Co., den Abwehrverbund mit einem gesunden Mix aus Spiel- und Passstärke, Entwicklungspotenzial und Routine aufzuwerten, sollte Magdeburg auch in der dann ungewohnten Rolle als Außenseiter eine gute Chance haben, um dieses Mal bestehen zu können. "Wir sind guten Mutes, einen Kader zusammenzustellen, der absolut zweitligatauglich sein wird", kündigte Schork an.

Sportliche Führung

Während Otmar Schork medial nur selten auftritt und noch seltener große Töne spuckt, ist sein Wirken ein Erfolgsfaktor. Gegen manches Stirnrunzeln von außen verfolgte er eine konsequente Transferpolitik, setzte auf viele junge Spieler aus unteren Ligen und ermöglichte es Trainer Christian Titz, ihm bekannte Leute wie Condé und Tatsuya Ito zu verpflichten. Dazu fand Schork mit Atik einen Rohdiamanten, dem ganz offenbar nur das richtige Umfeld fehlte, um riesiges Potenzial zu entfalten.

Die Erfahrung des 64-Jährigen aus acht Jahren beim SV Sandhausen, der seit zehn Jahren durchgehend in der 2. Liga spielt, ist ein großer Trumpf, die hatte der 1. FC Magdeburg nämlich zur Zeit, als Mario Kallnik die sportliche Verantwortung innehatte, noch nicht. Ex-Trainer Jens Härtel musste damals zu früh gehen – sein Zweitliga-Potenzial hat er aber nun in Rostock allemal nachgewiesen. Er lässt anderen Fußball spielen als Titz, doch Letzterer muss erst nachweisen, den FCM in der zweiten Liga an die 40-Punkte-Marke führen zu können.

Infrastruktur

Hier ist die Ausgangslage nicht groß anders als 2018, Magdeburg muss aus einer im Vergleich zu Großstädten wie Hamburg, Hannover und Düsseldorf strukturschwachen Region heraus agieren und hat im Zweitliga-Vergleich auch sicherlich nicht die besten Trainingsbedingungen. Der Etat wird ohne Investoren oder herausragende Großsponsoren im unteren Drittel einer dann enorm ausgeglichenen Spielklasse liegen. Ein Faustpfand bleibt der treue Anhang: Obgleich der FCM eine Liga höher nicht mehr Zuschauerkrösus sein wird, so wird die MDCC-Arena eine der lautesten und stimmungsvollsten Spielstätten bleiben. Erst recht, wenn der damalige Zuschauerschnitt von 20.100 – Platz 6 im Ligavergleich noch vor etwa Bielefeld und Bochum – erneut erreicht werden kann.

Fazit

2018/19 fehlten vier Punkte zur Relegation, sieben zum direkten Klassenerhalt. Insbesondere das Plus an Erfahrung und der beeindruckende spielerische Ansatz unter Titz geben Anlass, den 1. FC Magdeburg für deutlich konkurrenzfähiger zu halten. Schwieriger wird das Teilnehmerfeld: Vieles deutet darauf hin, dass es im kommenden Jahr kaum einen klaren Abstiegskandidaten geben wird – selbst im hinteren Mittelfeld tummeln sich derzeit Rang und Namen, etwa Fortuna Düsseldorf und Hannover 96. Magdeburg aber hat unter anderem im DFB-Pokalspiel gegen St. Pauli nachgewiesen, dass diese Mannschaft schon ohne externe Verstärkung Zweitliga-Format besitzt. Gelingen Sport-Geschäftsführer Schork noch eine Handvoll Glücksgriffe, ist der FCM bereit für das Abenteuer 2. Liga.

   

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