Analyse zur Winterpause: Das Halbjahres-Zeugnis #2

20 von 38 Spieltagen stehen in den Büchern. Wir haben in der 3. Liga einen überraschend souveränen Spitzenreiter, Überraschungskandidaten im oberen Drittel, Topfavoriten in Lauerstellung und – natürlich – auch Abstiegskandidaten, die so nicht jeder auf dem Zettel hatte. In zwei Teilen blicken wir auf alle Teilnehmer, analysieren Stärken und Schwächen und vergeben ein Zeugnis. Heute geht es um das hintere Mittelfeld und die heißesten Abstiegskandidaten.

Die Hinserie des Aufsteigers aus der Hauptstadt lässt sich gut in zwei Hälften teilen. Zunächst war da, mancher wird sich erinnern, der völlig furiose Auftakt mit 4:0-Siegen über Braunschweig und Kaiserslautern – beide Aufstiegskandidaten ließen sich in der Folge kein weiteres Mal derart abkochen. Die Viktoria grüßte plötzlich von der Tabellenspitze, hatte mit neun Punkten und 10:1-Toren aus den ersten drei Spieltagen gar einen neuen Drittliga-Rekord aufgestellt. Wusste aber vielleicht selbst: Auch wenn der Klub langfristig durchaus ambitioniert unterwegs ist, spiegelt dieser Zwischenstand vielleicht nicht das wahre Kräfteverhältnis wider. Es folgte die viel schwierigere Phase mit nur noch zwei Erfolgen und neun Punkten aus zwölf Spielen, aber der versöhnliche Abschluss mit dem 4:1 in Köln. 26 Punkte, das ist eine sehr ordentliche Bilanz für einen Neuling!

Groß war und ist die Abhängigkeit von Tolcay Cigerci (14 Torbeteiligungen), der begeisternd begann, dann wegen Verletzungsproblemen und einer roten Karte bitter fehlte. Zu erwähnen ist auch, dass die Elf von Benedetto Muzzicato stets für schönen Fußball steht, auch im schwierigen Herbst, als der Coach bei seiner Mannschaft eine gewisse mentale Müdigkeit feststellte. Die sollte im Januar dann verflogen sein – und umso gespannter sind wir, ob Berlin seine Platzierung wird halten können.

Note: 2-

 

Weiter geht es mit dem dritten Aufsteiger, und auch dieser hat ein gutes Polster von sieben Zählern auf die Abstiegsplätze aufgebaut. Wir müssen ehrlich sagen: Das hatte vom SC Freiburg II, der als einer der großen Unbekannten – aber eben auch mit einer Außenseiterrolle – in die 3. Liga gekommen war, keiner erwartet. Doch in Freiburg legt man großen Wert auf Talenteausbildung im Profifußball, hier ist die Durchlässigkeit hin zur ersten Mannschaft hoch. Sieben Siege stehen in der Bilanz von Trainer Thomas Stamm, fünf davon zu Null. Auffällig ist die schwache Offensivleistung: 15 Tore in 20 Spielen werden nur von Würzburg unterboten, das Torverhältnis (minus 13) entspricht nicht dem eines Tabellenzwölften. Doch die U23 setzte die wenigen Tore meist weise ein, etwa zu vier 1:0-Erfolgen.

Weshalb auch Routinier Vincent Vermeij vier erzielte Tore, jedes Mal gewann Freiburg, zur internen Treffer-Bestmarke reichen. Zu erwähnen ist, dass auch in Freiburg zeitweise Profis aushalfen, so etwa Nils Petersen, Keven Schlotterbeck, Benjamin Uphoff, Kevin Schade und Jonathan Schmid, der zuletzt nach heftiger Corona-Erkrankung sein Comeback in der Reserve gab. Insgesamt hat Freiburg bislang eher überperformt – die gute Ausgangslage für den Ligaverbleib muss noch bestätigt werden.

Note: 2

 

Nur fünf Niederlagen! Das sticht beim FSV Zwickau als Erstes ins Auge. Sollte ein Klub nicht besser einsortiert sein als auf Rang 13, wenn er nur jedes vierte Spiel verliert? Nicht, wenn man im Westen Sachsens offenbar das Ziel verfolgt, so viele Unentschieden wie möglich zu sammeln. 1860 München führte diese Bilanz auch mal an, dann aber zog Zwickau mit Ansage vorbei und kommt jetzt schon auf elf Punkteteilungen – auch so lassen sich Punkte hamstern. Und da es ja beim FSV ohnehin in jedem Jahr erst einmal gegen den Abstieg geht, braucht sich keiner beschweren. Aber dass in der Adventszeit die Ergebnisse ausgeblieben sind, die Elf von Joe Enochs seit fünf Spielen auf seinen Erfolg wartet, ist dann doch der kleine Makel. Die in Sachsen als Erstes verordneten Geisterspiele machten es auch nicht leichter.

Was sich bislang ausgezahlt hat, ist der Erfahrungsvorteil – und damit ist nicht nur der 38-jährige Ronny König gemeint. Rückkehrer Patrick Göbel machte auf der rechten Seite mit sieben Vorlagen auf sich aufmerksam, Torwart Johannes Brinkies ist längst eine Institution. Zu gut für den FSV entwickelt sich Sechser Marco Schikora, der neben seiner Defensivarbeit auch noch fünfmal genetzt hat und im Fokus von Zweitligisten stehen soll. Bis zum Saisonende soll er aber am Projekt Ligaverbleib noch mithelfen, die Chancen stehen gut.

Note: 2-

 

Am Ende war es um Trainer Florian Schnorrenberg geschehen, der Hallesche FC griff als höchstwahrscheinlich letzter Verein dieses Drittliga-Jahres zur Entlassung. Das hatte sich lange angekündigt, nach jeder Krise stand der 44-Jährige zur Debatte, und davon gab es beim HFC so manche. Was dem Team völlig abging, war eine Weiterentwicklung. Und die braucht es, um das Umfeld im mittlerweile zehnten Jahr für die "Hausmannskost" 3. Liga zu begeistern – erst recht, wenn der Rivale aus Magdeburg in beeindruckender Manier dominiert und bald einmal mehr in der 2. Bundesliga auflaufen könnte, die an der Saale nur ein ferner Traum ist. Immerhin gelang in der Hinrunde der Sieg über den FCM, das war dann auch schon das Highlight des Herbstes.

Dass es zuletzt fünf Niederlagen aus sechs Spielen setzte (darunter gegen Schlusslicht Havelse) und nur eine der vergangenen zehn Partien gewonnen wurde, stimmt bedenklich. Auch das einst gigantische Verletzungspech taugt nicht mehr als alleinige Ausrede. Nur das Sturmduo Michael Eberwein (elf Tore) und Terrence Boyd (sieben Tore) funktioniert bislang. Doch auch sie konnten das immer wieder fehlerhafte Defensivverhalten des HFC nicht immer und zuletzt immer weniger aufwiegen. 33 Gegentore nach 20 Spielen sprechen eine deutliche Sprache. Zeit für einen Neuanfang! Mal wieder. Favorit auf die Schnorrenberg-Nachfolger soll André Meyer sein.

Note: 4-

 

Bei Viktoria Köln haben wir erst einmal gegoogelt, welches Saisonziel der Klub ursprünglich angestrebt hatte. Gefunden haben wir nichts. Vielleicht aus gutem Grund: Sportvorstand Franz Wunderlich, der erstmals ohne seinen Sohn Mike als Spielmacher auskommen musste, hatte im Vorjahr Platz 6 angekündigt, den Köln weit verfehlte. Und auch in diesem Jahr, in dem es wieder manch spannenden Neuzugang wie Daniel Buballa, Patrick Sontheimer und Federico Palacios gegeben hatte, funktioniert das Kollektiv nicht so recht. Spieltag 13 bis 15 retteten das Team vom Höhenberg, da gelangen drei Siege am Stück, und die Viktoria eilte von den Abstiegsplätzen, denen sie sich nach nur drei Punkten aus den letzten fünf Spielen schon wieder bedrohlich annähert (nur noch drei Punkte Vorsprung).

Was war das für ein verpatzter Jahresausklang gegen Viktoria Berlin! Ein 1:4 daheim, dazu der Verweis für Trainer Olaf Janßen – es war der letzte Kontrollverlust in einem ganz schwierigen Halbjahr. 22:36 Tore sagen einiges aus über vielschichtige Probleme rechts des Rheins. So muss Köln ohne echten Stürmer agieren, hat demzufolge vorne niemanden, der für viele Treffer infrage kommt. Auch die Bemühung des Mittelfelds um den hochveranlagten Kai Klefisch läuft so ins Leere. Und die Abwehr? Auch sie deutete bislang nicht nachhaltig Drittliga-Niveau an. Das könnte eine ganz enge Kiste werden…

Note: 4-

 

Denkt man einmal zurück an die Art und Weise, mit der vor wenigen Jahren der KFC Uerdingen krampfhaft versuchte, Erfolg zu erzwingen und letztlich immer wieder zur Lachnummer der Liga wurde. War er ein mahnendes Beispiel für alle Klubs, auch bei größerer finanzieller Reserve lieber eine langfristige Strategie zu entwickeln, anstatt den Profifußball anzugehen wie eine Manager-Simulation? Offenbar nicht für alle. Türkgücü hat in Petr Ruman und Peter Hyballa schon zwei Trainer verschlissen, allein die Auswahl wirft schon Fragen auf, kämpfte sich jetzt mit einem Interimscoach in die Winterpause. Bei der Suche nach Coach Nummer drei in dieser Saison überschritt Türkgücü die Frist von 15 Werktagen um satte acht Tage, hat nun aber einen neuen Trainer gefunden. Bekanntgegeben werden soll er allerdings erst nach Weihnachten – aus "organisatorischen Gründen". Was immer das heißen mag. Nur ein Last-Minute-Ausgleich gegen Verl verhinderte das Überwintern auf einem Abstiegsrang, der angesichts der individuellen Qualität im Team einem kleinen Skandal gleichkäme.

Doch es bleibt das Gefühl, als werde ungeheures Potenzial verschenkt. Laut "SZ" sollen vier Spieler schon wieder auf einer Streichliste stehen, kein Wunder ob eines Kaders mit 29 Akteuren, unter denen aber kaum Spieler sind, die gerne auf der Bank sitzen. Identifikation? Eingespieltheit? Ein Erfolgsplan? All das wird rund um das Olympiastadion vermisst, die Konsequenz sind auch ernüchternde Zuschauerzahlen. Im Schnitt strömten nur knapp 1.100 Fans zu den Heimspielen, damit ist Türkgücü Letzter der Zuschauertabelle. Gegen Zwickau kamen Ende November sogar nur 388 Besucher. Die Frage ist: Wie lange schaut sich Investor Hasan Kivran das noch an? Genau vor einem Jahr war er plötzlich schon mal weg, nur um dann doch weiterzumachen. Geht es im neuen Jahr nicht bergauf, dann …

Note: 5-

 

Wo sie rundherum die Cheftrainer entlassen, bewahrt man im bodenständigen Ostwestfalen bislang die Ruhe. Klubboss Raimund Bertels und Coach Guerino Capretti wissen, was sie aneinander haben – der eine hat in Verl professionelle Strukturen geschaffen, der andere eine Regionalliga-Mannschaft aus dem oberen Mittelfeld unverhofft auf die nationale Ebene geführt. Ähnlich wie Schlusslicht Havelse kämpft auch der SCV damit, seine Heimspiele (noch) nicht zuhause austragen zu dürfen, Verl fährt alle zwei Wochen 70 Kilometer nach Lotte. Die Konsequenz: Der Sportclub ist auswärts erfolgreicher denn als Gastgeber.

Nun kann bei einem 17. nicht nur dieser Umstand schuld sein. Eine 40-Gegentore-Defensive bereitet massive Sorgen – seit dem 11. Spieltag gab es in neun von zehn Partien mindestens zwei Gegentore! Dreimal verspielte Verl zudem kürzlich erst 2:1-Führungen, zeigte sich etliche Male inkonsequent vor dem Tor. Platz 17 mit zwei Punkten Rückstand auf das rettende Ufer ist somit die logische Konsequenz. Und dennoch: Von der spielerischen Qualität her ist die Capretti-Elf besser als ihr Tabellenplatz. Die Aussicht, ab der kommenden Saison auch in der 5.000 Zuschauer fassenden, eigenen Arena spielen dürfen, gibt den Schub Extramotivation. Bewahrt das Umfeld die Ruhe, ist ein Turnaround hier gut vorstellbar.

Note: 4-

 

Turnaround-Spezialisten sind sie ja auch beim MSV Duisburg. Wir erinnern uns gerne an die Hupkonzerte vor dem Stadion an der Wedau, als im vergangenen Frühjahr endlich der Knoten platzte und ein bis dato stark abstiegsgefährdeter MSV in wenigen Wochen die Punkte für den Klassenerhalt sammelte. Auf solch eine Entwicklung sollte man sich nicht in jedem Jahr verlassen. Doch das Klassement spricht Fakten: Vier Punkte Rückstand stehen da auf den rettenden 16. Platz, dann ist da noch ein mögliches Nachholspiel gegen den VfL Osnabrück, dessen Abbruch nach rassistischen Rufen alle sportlichen Tiefpunkte dieses gebrauchten Jahres nochmals deutlich unterboten hatte.

Dabei gäbe es sportlich schon genug zu diskutieren. Neun von zehn Auswärtsspielen wurden verloren, teils auf hanebüchene Art und Weise wie in Zwickau, wo ein 2:1-Vorsprung in der 86. Minute in einer 2:3-Pleite endete, oder das 0:1 in Freiburg nach einem völlig unnötigen Last-Minute-Elfmeter. Erlebnisse, die einer Mannschaft das letzte Selbstvertrauen aus dem Körper saugen, die ohnehin schon unter defensiven Wacklern zu leiden hatte. Positiver Ausreißer ist ein Stürmer: Orhan Ademis zehn Tore bewahrten die Zebras vor Schlimmerem. Er allein wird Duisburg aber nicht aus dem Keller schießen. Ob Hagen Schmidt im neuen Jahr mit neuem Personal die Wende einleiten kann? Mitte Oktober als Nachfolger von Pavel Dotchev verpflichtet, konnte er in sieben Liga-Spielen nur einen Sieg feiern. Der Trainereffekt ist längst verpufft.

Note: 5

 

Alptraumhafte Hinrunden sind am Dallenberg bekannt. Das Vorjahr in der 2. Bundesliga, das sich so viel weiter entfernt anfühlt, brachte einen horrenden Auftakt mit sich, vier Punkte aus zwölf Spielen, null Aufstiegseuphorie. Jetzt wiederholt sich das Bild, sieben Monate nach dem direkten Wiederabstieg in die 3. Liga: Würzburg kriegt, hart formuliert, nichts auf die Kette, Trainer Torsten Ziegner ging als Fehlgriff in die Vereinsgeschichte ein. Und während Michael Schiele nun in Braunschweig um den Aufstieg spielt, den sie in Unterfranken einst nicht mehr haben wollten, fegt Danny Schwarz die Scherben eines gebrauchten Halbjahres zusammen. Das 0:3 gegen 1860 vom Montagabend passte so gut ins Bild: In guten Phasen trifft der FWK das Tor nicht, in schlechten könnte er gleich die weiße Fahne hissen.

Drei Siege, 14 Tore – das war bislang gar nichts. Der jungen Mannschaft fehlen die Stützen, einer wie Marvin Pourié kann das kaum ausfüllen, der anfängliche Kapitän Christian Strohdiek spielt überhaupt nicht mehr, die anderen scheinen mit sich selbst beschäftigt. Gibt es im Winter nun den nächsten Umbruch, wird den strauchelnden Talenten Erfahrung vorgesetzt? Und wäre das überhaupt der richtige Weg? Würzburg ist von genau diesem abgekommen. Es droht der direkte Durchmarsch in die Regionalliga.

Note: 5

 

Es ist ein bisschen schade, dass der TSV Havelse über die gesamte Saison hinweg außer Konkurrenz zu laufen scheint. Acht Punkte beträgt die Differenz hin zur Nichtabstiegszone, und wo diese verspielt wurden, weiß die Mannschaft aus Garbsen genau: Sieben Auftaktniederlagen bedeuteten einen Negativrekord in der 3. Liga, erst seitdem liegt der Schnitt bei knapp über einem Zähler pro Partie, damit läge Havelse auf Augenhöhe mit Mannschaften wie Türkgücü und Halle. Trotzdem ist dem sympathischen Letzten Respekt entgegenzubringen für die Entwicklung gerade der semiprofessionellen Kicker im Kader, die sich nur einmal von Kaiserslautern demütigen ließen, zuletzt aber auch starken Gegnern wie 1860, Osnabrück, Mannheim und Saarbrücken das Leben schwermachten und sie teils sogar ärgerten.

Fynn Lakenmaker, Yannik Jaeschke, Kianz Froese, dieses Trio sticht vor dem gegnerischen Tor hervor, und trotz 42 Gegentoren bewies auch Keeper Norman Quindt immer wieder seine Qualität. Dass es trotz allem schwierig wird mit einer Aufholjagd, auch weil die finanziellen Mittel für spektakuläre Wintertransfers fehlen, ist Havelse bewusst. Höchstwahrscheinlich geht es direkt wieder in die Regionalliga. Dann aber verabschieden sich Rüdiger Ziehl und seine Spieler, wenn sie die aktuelle Form bestätigen, mit dem guten Gefühl, alles gegeben zu haben.

Note: 4-

   

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