Arminia: Aufbruch auf dem Platz, Störgeräusche im Umfeld
22 Tage nach dem bitteren Relegationsrückspiel gegen den SV Wehen Wiesbaden meldet sich Arminia Bielefeld für den Neustart in der 3. Liga an. Die Fans haben Interesse, doch hinter den Kulissen sorgt die bislang knappe Aufarbeitung des Doppel-Abstiegs für Missstimmung.
Alles neu – und dann ist da noch Fabian Klos
Die gute Nachricht vorab: Arminia Bielefeld konnte am Mittwoch ganz regulär den Trainingsbetrieb aufnehmen. Was zehn Tage noch illusorisch erschien, weil der DSC nur drei Spieler unter Vertrag hatte, fügte sich seither Stück für Stück zusammen. Von der 2. Bundesliga bis zur Regionalliga sammelte sich die Arminia um ihren neuen Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel einen Spieler nach dem anderen ein, alle waren ablösefrei, allen sollen heiß sein auf die Aufgabe – denn dies ist ja das neue Kriterium. Nur wer für Arminia Bielefeld brennt, der sich voll identifizieren kann mit dem sportlichen Problemfall des deutschen Profifußballs, der hilft den Ostwestfalen nun weiter. Fast 500 unentwegte Fans hatten in den Sommerferien schon wieder Lust entwickelt, willigten ein, nach dem herben Absturz in die 3. Liga die "Mannschaft danach" kennenzulernen.
Die bestand aus lauter neuen Gesichtern, auch der zuletzt ausgeliehene Vladislav Cherny und der in der 2. Bundesliga nicht berücksichtigte Christopher Schepp wirkten auf den einen oder anderen Zaungast wie neu verpflichtet. Einzig Fabian Klos stand da wie eine immergrüne Eiche, er geht in sein 13. Jahr, die sportliche Rolle ist noch unklar – zur hochintensiven Spielidee des neuen Trainers Mitch Kniat passt der 35-Jährige eigentlich nicht. Aber wie oft hat der Rekordtorjäger, den sie auf den Tribünen für seine bedingungslose Vereinstreue vergöttern, Zweifler schon eines Besseren gelehrt? Künftig bekommt er unter anderem einige starke Dribbler an seine Seite gestellt: Merveille Biankadi und Aygün Yildirim haben starke Drittliga-Jahre hinter sich, Nassim Boujellab könnte mit seiner Bundesliga-Erfahrung ein Krachertransfer werden, sein wahres Vermögen ist nach durchwachsenen letzten Jahren aber schwer einzuschätzen. Insgesamt waren 19 Spieler dabei, darunter Gast-Torwart Leo Oppermann (HSV II), der ausgeliehen werden soll. Gleich fünf Nachwuchsakteure füllten das Aufgebot auf.
Unzureichende Aufarbeitung stört Fans
Mutzel hat aufgeräumt – in der Mannschaft blieb ihm dazu kaum eine andere Option. Denn die wenigen Spieler, für die ein Verbleib in Frage gekommen wäre, sind schon bei anderen Klubs untergekommen oder werden dies noch tun: Ersatztorhüter Arne Schulz entschied sich für einen Wechsel zum SC Paderborn, Mittelfeldspieler Jomaine Consbruch wird nach einer persönlich starken Rückrunde mindestens in der 2. Bundesliga verbleiben und Sechser Benjamin Kanuric nahm ein Angebot des FC Ingolstadt an. Auch das Trainerteam wurde völlig umgekrempelt, "moderne Verantwortungsprofile" geschaffen, wie es Kniat in einer Klubmitteilung beschrieb. Athletikcoach Niklas Klasen blieb als einer von Wenigen an Bord, unter anderem verstärken dazu einige Vertraute Kniats wie Daniel Jara und Oliver Döking den DSC.
Die Liste an Widerständen, gegen die Kniat in Zukunft ankämpfen muss, ist keine kleine – und beeinflussen kann er davon ziemlich wenig. Denn rund um den Klub herrscht Unruhe und Unzufriedenheit: Das Bemühen der Social-Media-Abteilung, mit täglichen Transferankündiungen für Aufheiterung zu sorgen, ist zwar aller Ehren wert, kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass viele Fans den Niedergang ihrer Arminia unzureichend aufgearbeitet sehen.
Was war seit dem Abstieg vom Aufsichtsrat oder dem Präsidium, das in der Vorsaison erst spät zu Maßnahmen wie dem Aus des damaligen Sportchefs Samir Arabi griff und den Posten anschließend drei Monate lang nicht besetzte, öffentlich zu hören? Verdächtig wenig, außer dass sich Präsident Rainer Schütte samt seines Vorgängers Hans-Jürgen Laufer zum Termin eines Sponsoren mit Fans in die örtliche Straßenbahn setzte – und statt Erklärungen plattitüdig den Blick nach vorne richten wollte, wie ein Bericht in der lokalen Zeitung verriet.
Auch auf der Geschäftsstelle rumort es
Dass zeitgleich gut ein Drittel der Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle in diesen Tagen Arminia verlassen muss, weil die Bosse auslaufende Arbeitsverträge aus finanzieller Not nicht verlängern konnten, steht im klaren Widerspruch zum Wunsch nach Aufbruch. Dass dem Rest der Belegschaft ein Gehaltsverzicht nahegelegt wurde, um weitere Stellenstreichungen zu verhindern, ebenfalls. Die Folge: Laut "Westfalen-Blatt" haben sich die Mitarbeiter mit einem Brief an die Vereinsführung gewandt. Sie wollen nicht kommentarlos geradestehen für Fehler, die auf anderer Ebene gemacht wurden.
Auch in der Fanbasis regt sich Protest, vorneweg marschierte etwa "11 Freunde"-Chefredakteur Philipp Köster als bekennender DSC-Fan: "Wann genau wollen sich die Arminia-Funktionäre eigentlich dafür entschuldigen, dass in den letzten zwei Jahren den Klub in Schutt und Asche gelegt haben? Der beste Zeitpunkt dafür war nämlich vor ungefähr zwei Wochen, der zweitbeste Zeitpunkt ist jetzt und hier“, twitterte Köster kürzlich. Unklar ist, ob tatsächlich noch Konsequenzen folgen. Oder der Sturm sich legt, wie es in der Vergangenheit so oft der Fall war.
Arminia braucht Unterstützung, um die 3. Liga zu finanzieren
Das Schöne am Fußball war für Arminia Bielefeld zuletzt die Krux: Mit den Ergebnissen lassen sich viele Probleme im Handumdrehen beseitigen. Umso wichtiger wird die Frage, wie nahtlos Trainer Kniat seinen mutigen, kompromisslosen und sehr kurzweilig anzuschauenden Spielstil vom gemütlichen SC Verl in die pulsierende Großstadt Bielefeld übertragen kann – und wie viel Kredit ihm das spürbar angespannte Umfeld dafür gibt. Dass das "Bündnis Ostwestfalen" als Zusammenschluss regionaler Unternehmen für die Drittliga-Zulassung unterstützend eingriff, laut "Kicker" gar mit sechs Millionen Euro, zeigt: Auch finanziell hat Arminia nicht mehr viel Spielraum. Je schneller das Kapitel 3. Liga wieder beendet wird, desto besser – auch wenn mit dem jetzigen Grundgerüst ein Wiederaufstieg noch ganz weit entfernt ist.