Auflösungserscheinungen bei Türkgücü: "Jungs sind am Boden"

Beim 1:5 gegen den 1. FC Saarbrücken kassierte Türkgücü München am Montagabend die höchste Pleite seiner Drittliga-Historie. Doch das spielte aufgrund der aktuellen Lage bei den Münchnern am Ende keine große Rolle. Entsprechend war Trainer Andreas Heraf auch nicht sauer auf seine Spieler, sondern nahm sie in Schutz – und gab interessante Einblicke in die aktuelle Trainingsarbeit.

"Sehr hohe Resignation"

Von Auflösungserscheinungen wollte Heraf nach der Partie zwar nicht sprechen, doch eine andere Umschreibung gibt es eigentlich nicht dafür, wie sich Türkgücü ab Mitte der ersten Hälfte präsentierte. Nur zwölf Minuten nach dem Führungstreffer von Sinan Karweina (12.) lagen die Münchner nach einem Doppelschlag (21. / 24.) in Rückstand, bevor die Partie nach einem weiteren Doppelschlag zu Beginn der zweiten Halbzeit (53. / 55.) bereits entschieden war. Mit anschließend nur noch einem weiteren Gegentreffer war Türkgücü sogar noch gut bedient, es hätte durchaus noch häufiger klingeln können. "Wir haben jedes Gegentor selbst verschuldet und sind nach jedem Gegentreffer schwächer geworden", haderte Heraf im "Telekom"-Interview. "Die Motivation, die Konzentration, die Körperspannung – alles war dahin. Dann hat es nicht mehr so ausgesehen, als würden wir leben. Am Ende war ich froh, dass es schnell vorbei war."

Doch wirklich böse war der Österreicher seinen Spielern nicht – zu schwierig ist die aktuelle Lage bei Türkgücü. Heraf zufolge sei die Motivation mittlerweile im Keller und werde jeden Tag ein bisschen schlechter. "Die ganze Woche versuche ich, die Jungs mit Torschusstraining und Trainingsspielen bei Laune zu halten. Alles andere macht einfach keinen Sinn, weil die Jungs am Boden sind. Taktik, Verschieben oder Laufarbeit kann die Mannschaft im Moment nicht mehr hören. Dafür habe ich auch volles Verständnis." Der gebürtige Wiener sprach von einer "unglaublichen Unsicherheit" und einer "sehr hohen Resignation", weil viele nicht mehr damit rechnen würden, dass die Saison zu Ende gespielt werde. "Ich kann aber keinem böse sein. Es ist unglaublich schwierig."

Türkgücü benötigt neuen Investor

Wie Insolvenzverwalter Max Liebig in einem Statement gegenüber "MagentaSport" bestätigte, ist der Spielbetrieb vorerst nur noch bis Ende März gesichert. Danach kassiert der Klub kein Insolvenzgeld mehr und müsste die Löhne und Gehälter der Spieler wieder selbst erwirtschaften und bezahlen können. Dies sei nach aktuellem Stand nur möglich, "wenn bis dahin ein Investor gefunden wird, der die Finanzierung sicherstellt", so Liebig. Doch ob ein neuer Geldgeber gefunden wird, "steht in den Sternen", weiß auch Heraf. Sollte die Suche erfolglos bleiben, müsste Türkgücü nach dem Auswärtsspiel in Wiesbaden am 19. März (es ist die letzte Partie in diesem Monat) den Spielbetrieb einstellen, sodass alle Partien annulliert werden und aus der Wertung fallen. Aufgeben will Heraf aber noch nicht: "Wir haben einen Vertrag unterschrieben, und den werden wir bis zum letzten Tag, an dem wir gefordert sind, durchziehen – auch wenn es nicht einfach ist. Aber wir haben nichts mehr zu verlieren."

Doch selbst wenn Türkgücü die Saison regulär zu Ende spielen sollte: Der Abstieg ist angesichts von zwölf Punkten Rückstand auf das rettende Ufer bei nur noch zehn ausstehenden Spielen kaum noch zu verhindern. Zwar haben die Münchner am Freitag Widerspruch gegen den Elf-Punkte-Abzug eingelegt, doch die Erfolgsaussichten sind sehr gering: "Die Herren beim DFB werden sich etwas dabei gedacht haben, warum es elf Punkte sind. Daher habe ich relativ wenig Hoffnung, dass es zu einer Minderung kommt", so Heraf. Türkgücü argumentiert unter anderem mit den nach wie vor anhaltenden Auswirkungen durch die Corona-Pandemie. Doch die Regularien des DFB sind eindeutig – sowohl, was den Neun-Punkte-Abzug aufgrund der Insolvenz, als auch den Abzug von zwei Punkten wegen einer nicht vollständig geschlossenen Finanzlücke angeht. So geht die Abschiedstour aus der 3. Liga weiter – und führt Türkgücü am Samstag zur U23 von Borussia Dortmund. Es könnte schon der drittletzte Auftritt der Münchner in dieser Saison sein.

   

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