Bereit für die Rückkehr: In Münster hält die Aufsteiger-Euphorie
Mehr als drei Monate liegt das Aufstiegsspiel des SC Preußen Münster zurück. Erst wurde wochenlang gefeiert, Mitte Mai begann die Sommerpause – die längste aller Drittligisten. Umso größer ist die Vorfreude der Westfalen auf die 3. Liga. Zumal sie dafür nach den Eindrücken der Vorbereitungsspiele ziemlich gut gerüstet sind.
Der nominell stärkste Aufsteiger?
Platz 7 bis 11: Dort verortete das Fußball-Fachmagazin "Kicker" den SCP in der Endtabelle der an diesem Wochenende beginnenden Saison. Unser Eindruck war bei der Saisonprognose von liga3-online.de nicht ganz so optimistisch, doch dass es sich bei den Adlerträgern um den nominell stärksten Aufsteiger handelt, dafür gibt es starke Anzeichen. Zuletzt wurden 1.465 Zuschauer am vergangenen Freitag zu Zeugen einer Generalprobe, die mehr als nur ein feiner Vorgeschmack war: Beim 4:1 über die Kickers Offenbach, immerhin seit Jahren finanzieller Krösus und damit Topfavorit der Regionalliga Südwest, dominierte der Sportclub speziell die erste Halbzeit nach Belieben, erspielte sich etliche Chancen. "Ein sehr gutes Spiel", sagte Trainer Sascha Hildmann und grinste. "Es hat echt Spaß gemacht. Wir sind gut drauf, sind fit – jetzt kann es losgehen."
Schon in der Regionalliga hatte die Schwarz-Weiß-Grünen ihre kontinuierliche Offensivstärke ausgezeichnet. In 32 von 33 ausgetragenen Spielen der Saison 2022/23 hatte Hildmanns Elf mindestens einmal getroffen, 89 Tore summierten sich auf. Allen voran, weil der SCP aus individueller Qualität und etlichen Flügelläufen in gute Flankenpositionen kam und vorne sichere Vollstrecker im Kader wusste. Nun ist ein neues Element hinzugekommen: Tempo und zentrale Tiefenläufe dürften die Preußen künftig auszeichnen. In Rückkehrer Joel Grodowski und Daniel Kyerewaa kamen zwei pfeilschnelle Spieler hinzu, die auf bestem Wege in die Startelf für das Heimspiel gegen Borussia Dortmund II sind. Sie wahlweise aus einem kontrollierten Aufbau oder aus Umschaltmomenten heraus einzusetzen, dürfte eine weitere Waffe im Münsteraner Arsenal werden.
Zweitliga-erfahrene Spieler zunächst auf der Bank
Nicht nur Offenbach bekam seine Grenzen durch die variable Preußen-Offensive aufgezeigt. Zweitligist Eintracht Braunschweig wurde mit 3:1 besiegt, der niederländische Erstligist Almelo mit 4:2. Auch die Viertligisten Gladbach II (2:1) und Gütersloh (4:1) wurden trotz müder Trainingslager-Beine geschlagen. Einzig der SC Paderborn schaffte es Anfang Juli, den anderen SCP in die Schranken zu verweisen. Doch auch dort gelangen Münster bei einer 3:4-Niederlage einige Nadelstiche. Kurzum: die Abteilung Attacke ist bereit. Dazu nimmt das Kaderniveau im Bereich der Ergänzungsspieler kaum ab: Immerhin schaffen es zweitliga-erfahrene Kicker wie Routinier Andrew Wooten und Karlsruhe-Zugang Malik Batmaz voraussichtlich noch nicht in die erste Elf.
Kleinere Fragezeichen liegen noch auf den defensiveren Positionen, was verschiedene Gründe hat. Das Mittelfeld musste zunächst den Kreuzbandriss von Dennis Grote verkraften, er wird wohl bis zum Jahresende ausfallen. Neuverpflichtung Luca Bazzoli (Stuttgart II) machte sich das zu Nutze, wurde stärker und stärker – und dürfte mit dem ebenfalls neuen Rico Preißinger (Ingolstadt) den Bereich zwischen defensivem und zentralem Mittelfeld abdecken. Die Abwehrreihe wirbt mit starken Außenspielern, allen voran Kapitän Marc Lorenz, dessen Einsatz am Samstag infolge einer Fußprellung noch unsicher ist. Und auch Dominik Schad, gekommen vom 1. FC Kaiserslautern, hat mit seinem immensen Einsatzwillen das Zeug zum Publikumsliebling.
Hildmann hofft auf ausverkauftes Stadion
Dazu muss die Innenverteidigung, die in den aussagekräftigen Testspielen nie die Weiße Weste wahrte, das etwas zu hohe Fehlerniveau aus der Vorsaison reduzieren. Hier hängt vieles an Sebastian Mrowca, Kapitän der Wiesbadener Aufstiegsmannschaft. Er kurierte zuletzt eine Bauchmuskelzerrung aus, schafft er es aufs höchste Fitnesslevel, kann Hildmann in der Dreierkette schwer auf den 29-Jährigen verzichten.
Das letzte Puzzlestück bilden schließlich die Fans, was bei Preußen Münster derzeit weit mehr ist als eine Floskel. Selten präsentierte sich das Publikum derart geschlossen wie im vergangenen Jahr. Zwischen aktiver Fanszene und dem Umfeld wie dem Verein stimmt es, es wird an einem Strang gezogen, nicht gegeneinander gearbeitet. Das Ergebnis war zunächst das Aufstiegsjahr, bildlich dokumentiert in einem Film, der im Sommer die Säle des größten Münsteraner Kinos mehr als ein Dutzend Mal füllte. Jetzt soll der zweite Teil geschrieben werden, und das vor möglichst vollem Haus: 11.700 Zuschauer dürfen den Auftakt gegen Dortmund II verfolgen, mehr als 9.000 Karten waren zu Wochenbeginn bereits verkauft.
Ein rappelvolles Stadion gegen einen "gewöhnlichen" Gegner? Das gab es in der Drittliga-Zeit zwischen 2011 und 2020 nie. Doch Preußen boomt, die Euphorie ist riesig. "Ich hoffe auf ein ausverkauftes Haus", sagte Hildmann. "Dann brennt hier die Bude." Nichts anderes darf nach einem sehr gelungenen Warm-up erwartet werden.