Bilanz nach Krawallen in Dresden: Über 200 Verletzte, 40 Festnahmen

Die Rückkehr von Dynamo Dresden in die 2. Bundesliga sollte ein Tag der Freude werden, doch schwere Ausschreitungen überschatteten den Aufstieg am Sonntag. Polizei und Feuerwehr zogen eine erschreckende Bilanz: Über 200 Personen wurden verletzt, darunter allein 185 Polizisten. Zudem gab es 40 Festnahmen und zahlreiche Ermittlungsverfahren.

Um 15:30 Uhr eskalierte die Lage

Sie blieben allesamt ungehört, die eindringlichen Appelle von Verein, Polizei und Stadt, zum Spiel gegen Türkgücü München nicht zum Stadion zu kommen. Mehr als 4.000 Anhänger hatten sich am frühen Nachmittag in Stadionnähe eingefunden, um den Aufstieg ihrer Mannschaft zu feiern. Zunächst verlief alles friedlich, wenngleich die Corona-Regeln wie Abstand halten und das Tragen einer Maske zum Großteil nicht eingehalten wurden. Rund 20 Minuten vor Abpfiff, als der Aufstieg praktisch feststand, eskalierte die Lage vor dem abgesperrten Stadion jedoch: Gewaltbereite Fans griffen die Polizei an, die wiederum mit Tränengas und Wasserwerfern reagierte. Über drei Stunden dauerten die Ausschreitungen an, erst am frühen Abend entspannte sich die Lage.

"Die erschreckenden Szenen rund um das Rudolf-Harbig-Stadion haben gezeigt, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei nur dann funktioniert, wenn beide Seiten das auch wollen", stellte Polizeipräsident Jörg Kubiessa fest. "Wir haben bis 15:30 Uhr ganz klar auf Kommunikation gesetzt. Als dann aber mindestens 500 Gewaltbereite unsere Polizeibeamten im Großen Garten unvermittelt und massiv mit Pyrotechnik, Flaschen sowie Steinen angriffen, fand diese Strategie zwangsläufig ihr Ende", so Kubiessa. Es sei bedauerlich, dass der sportliche Erfolg der SG Dynamo Dresden "von diesen bestürzenden Bildern" überschattet worden sei.

Über 200 Personen verletzt

Bei den Ausschreitungen sind über 200 Personen verletzt worden, darunter allein 185 Polizisten. Der überwiegende Anteil der Verletzungen resultiere aus dem Bewurf mit Flaschen, Steinen und Pyrotechnik, heißt es in einer entsprechenden Mitteilung. 155 der betroffenen Beamten seien weiter dienstfähig, 30 Beamte können ihren Dienst derzeit nicht ausüben. Elf Polizeibeamte mussten in Krankenhäusern behandelt werden, sechs von ihnen befinden sich auch am Montagnachmittag noch dort.

Durch umherfliegende Gegenstände sind auch einige Fans verletzt worden. Die Dresdner Feuerwehr löste daher einen sogenannten "MANV-Alarm" aus – für einen "Massenanfall an Verletzten". Insgesamt habe man 44 Menschen medizinisch versorgt und den Großteil von ihnen in umliegende Krankenhäuser bringen müssen. Unter den Verletzen waren auch Medienvertreter – darunter ein Kamerateam von RTL und ein 17-Jähriger, der auf der Lennéstraße von Unbekannten geschlagen und getreten wurde. Er war kurzzeitig bewusstlos und musste in ein Krankenhaus gebracht werden. Am Abend war er aber wieder ansprechbar.

Im Zusammenhang mit dem Einsatz sind 40 Personen in polizeiliche Gewahrsam genommen worden. Es handelte sich um Männer im Alter von 18 bis 69 Jahren, die inzwischen wieder entlassen worden sind. Insgesamt 32 Straftaten sind während des Einsatzes bekannt geworden – überwiegend handelte er sich um Beleidigungen, Widerstände gegen Vollstreckungsbeamte, Verstöße gegen das Sprengstoffgesetz, tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte, Körperverletzungsdelikte und schweren Landfriedensbruch. Außerdem wurden 103 Verstöße gegen die Corona-Verordnung geahndet. Während des Einsatzes sind zudem mindestens ein Dutzend Polizeifahrzeuge beschädigt worden. Dabei wurden unter anderem die Reifen zerstochen und die Spiegel abgetreten. Insgesamt waren rund 1.100 Beamte im Einsatz.

Aufstieg "völlig ins Abseits gestellt"

Dynamo, das den Aufstieg für sich im Stadion feierte, zeigte sich von den Vorfällen betroffen: "Es ist sehr schade, dass dieser Tag so schwer beschädigt wurde", twitterte der Klub. "Wir wünschen allen Verletzen da draußen rund um das Rudolf-Harbig-Stadion gute Besserung! Jeder betroffene Mensch ist auch an diesem Tag einer zu viel."

Oberbürgermeister Dirk Hilbert bezeichnete die Gewalt gegenüber den Einsatzkräften als "nicht akzeptabel". Die Vorfälle seien "leider ein bitterer Beigeschmack für diesen sportlich so wichtigen Tag". Zudem würden die Bilder an den Aufstieg 2016 erinnern. "Schon damals konnte man sich für das Verhalten einiger Personen nur schämen. Ich hoffe sehr, dass sich der Verein aktiv mit diesen Ereignissen auseinandersetzt und bis zum Beginn der Saison in Liga 2 auch Antworten und Konzepte liefern kann", so Hilbert. "Denn die Leidtragenden sind vor allem die Fans, die seit Monaten geduldig auf die Rückkehr ins Stadion warten und dafür auch Verantwortung übernommen haben."

Sachsens Innenminister Roland Wöller verurteilte die Vorfälle gegenüber der "dpa" ebenfalls scharf: "Die Gewaltausbrüche gegen Polizeibeamte und Medienschaffende nach dem gestrigen Fußballspiel haben den Aufstieg von Dynamo Dresden leider völlig ins Abseits gestellt. Friedliche Fankultur sieht anders aus. Viele Polizisten, aber auch friedliche Fans wurden verletzt. Diese rohe Gewalt hat mit Sport nichts mehr zu tun und ist nicht hinzunehmen."

Aufarbeitung hat begonnen

Wie es zu den schweren Ausschreitungen kommen konnte, wird nun aufgearbeitet. Das Fanprojekt hat damit bereits am Montag begonnen und berichtet in einer Mitteilung von einem Treffen mit den Geschäftsführern und Angestellten der SGD sowie der Stadion-Projektgesellschaft. "Wir setzen darauf, dass in den kommenden Tagen weitere Gespräche u.a. mit der Landeshauptstadt Dresden und der Polizei folgen werden." Festhalten lasse sich aber bereits jetzt, "dass die Auseinandersetzungen rund um den Spieltag – wozu wir auch explizit Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten zählen – noch lange nachwirken werden und absolut inakzeptabel sind". Gleichzeitig gelte es nun, die Fehler, die zu dieser Dynamik geführt haben,  zu erkennen und zu besprechen werden. "Hier sind alle Seiten und Akteure gefragt, sich kritisch mit der eigenen Verantwortung für diese Situation auseinanderzusetzen. Wir als Fanprojekt Dresden e.V. haben dies für unseren Aufgabenbereich bereits begonnen."

Die Polizei hat indes eine Sonderkommission ins Leben gerufen. "Ihre Aufgabe wird es sein, die Ermittlungen der bereits festgestellten Straftaten voranzutreiben und weitere Straftaten im Zusammenhang mit den Geschehnissen am 16. Mai 2021 zu verfolgen."

Einige Fans geben derweil der Polizei die Schuld an den Ausschreitungen, weil sie das Stadion abgeriegelt hatte und mit Wasserwerfern und Panzerwagen angerückt war. Vom Auftreten der Einsatzkräfte fühlten sich manche Anhänger provoziert. Feststeht aber auch: Mit Flaschen, Steinen und Feuerwerkskörpern haben die Einsatzkräfte nicht geworfen. Gleichzeitig berichten Augenzeugen, dass sich unter die Krawallmacher auch Fans anderer Vereine gemischt haben sollen.

   

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ommentare

  1. Ein deeskalierendes Konzept hätte möglicherweise weniger Verletzte gefordert.
    Der Stadion-Außenbereich hätte zugänglich gemacht werden müssen. Ebenso hätten sich die Spieler zeigen müssen. Verein und Polizei haben genau diese Krawalle im Vorfeld erwartet. Entweder riegelt man alle Straßen komplett ab, und verhindert so überhaupt eine Ansammlung. Oder entwirft ein Konzept, wo man vielen Belangen einfach gerecht wird.
    Wer allerding Gegenstände, die schwere Verletzungen hervorrufen können, auf Menschen wirft, hat ein harte Betstrafung verdient. Ebenso müssen auch die Verantwortlichen aus Politik, Verein und Polizei zur Rechenschaft gezogen werden. Diese momentan einseitige Aufarbeitung wird nicht funktionieren. und wird den Tatsachen nicht gerecht.

  2. Missachtung des Versammlungsverbots sowie der Abstandsregeln.
    Hoffentlich wurden wenigstens die Fäuste vorher desinfiziert.
    Aber kleines Lob auch: viele hatten einen MNS auf.

    1. Dynamo Dresden Anhänger können nix dafür……wie immer,waren es die anderen. Wie in Magdeburg…. Dortmund…. Karlsruhe…..U.s.w

  3. Gepanzerte Fahrzeuge, Wasserwerfer, 200 Verletzte bei einer AufstiegsFEIER.
    Sieht irgendwie so aus als hätten da nicht nur die Fans mit ihrem Verhalten, sondern auch alle anderen Beteiligten bei Planung, Einschätzung der Lage und folgenden Entscheidungen massiv danebengelegen.

    1. Ich würde eher sagen, sie haben bei der Einschätzung der Lage genau richtig gelegen … ;-)

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