Braunschweig in Zeitnot: Das Kader-Gerüst steht noch nicht

Was ist da los an der Hamburger Straße? Eintracht Braunschweig scheint nicht in die berühmten Pötte zu kommen. Der Zweitliga-Absteiger hat am Dienstag seinen Vorbereitungsplan veröffentlicht – und damit offenbart, dass er sich in gravierender Zeitnot befindet. Denn der Kader für die Mission Wiederaufstieg steht noch nicht einmal zu Teilen.
BTSV hinkt Konkurrenz hinterher
Sommerpause, da passiert nicht viel. Wobei: Immerhin steht die Fußball-Weltmeisterschaft an – ersetzen kann sie guten Drittliga-Fußball natürlich nicht. Eintracht Braunschweig ist neu in dieser Spielklasse. Wenn die Löwen am Freitag der kommenden Woche das Eröffnungsspiel zwischen Russland und Saudi-Arabien verfolgen, werden sie den Laktattest und den Trainingsauftakt bereits in den Knochen haben. Coach Henrik Pedersen wird dann wissen, welcher Spieler mit guten Fitnesswerten aus dem Urlaub gekommen ist und wer Nachholbedarf hat.
Nur gibt es ein Problem: Eintracht Braunschweig hat kaum einen Spieler unter Vertrag, mit dem am Mittwoch zur Leistungsdiagnostik gerechnet werden kann. Der BTSV hinkt im Zeitplan allen anderen Drittligisten massiv hinterher. Zum Vergleich: Mitabsteiger Kaiserslautern hat bereits acht Neuzugänge vermeldet und den Großteil des Kaders zusammen.
Erst neun Spieler unter Vertrag
Braunschweig, ein Favorit für den Aufstieg? Nach aktuellem Stand kann davon keine Rede sein – auch wenn die neue Saison erst in knapp sieben Wochen beginn. Neun Spieler besitzen auch in der 3. Liga ein gültiges Arbeitspapier – 15 weitere Akteure müssten wohl allein zu dieser Basis hinzustoßen, um für 38 Spieltage plus DFB-Pokal und Niedersachsenpokal gewappnet zu sein. Allerdings täuscht diese Zwischenbilanz, zeigt sie doch auch zahlreiche Spieler, die den Weg in die Drittklassigkeit nicht mitgehen werden.
Da wäre etwa das skandinavische Trio: Der schwedische Nationalspieler Christoffer Nyman, seit langem verletzt, aber in Topform ein herausragender Stürmer – mit entsprechendem Verdienst. Dazu kommen die Innenverteidiger Gustav Valsvik aus Norwegen sowie Frederik Tingager aus Dänemark, die wohl ebenfalls gehen. Alle drei sind 25 Jahre alt und werden um jeden Preis versuchen, mindestens in einer der 2. Bundesliga gleichwertigen Spielklasse unterzukommen. Immerhin erhält Braunschweig dann eine Ablöse – wohl im siebenstelligen Bereich.
Trainersuche zog sich in die Länge
Der 21-jährige Nigerianer Suleiman Abdullahi, der im Sommer 2016 eine Million Euro Ablöse kostete, war derweil einer der wenigen Lichtblicke in der Abstiegssaison – er wird vom 1. FC Nürnberg umgarnt. Kaum vorstellbar, dass er oder der nicht überzeugende Onur Bulut in der 3. Liga verbleiben. Bleiben noch vier Profis übrig, zum überwiegenden Teil Talente.
Dafür soll Kapitän Ken Reichel bleiben. Es wäre ein wichtiges Zeichen gegen den kompletten Zerfall, der natürlich längst zur Realität geworden und für einen Absteiger auch nicht unüblich ist. Das Problem: Marc Arnold, sportlicher Leiter des BTSV, hat seit der Verkündung des neuen Cheftrainers in der vergangenen Woche – auch diese Entscheidung zog sich in die Länge – noch keinen Neuzugang vermeldet. Nicht einmal das Gerüst steht an der Hamburger Straße.
Wie schlagfertig kann die neue Mannschaft sein?
Denkbar schlechte Voraussetzungen für die sechswöchige Vorbereitung, deren veröffentlichter Zeitplan das ganze Dilemma der Eintracht unterstreicht: Kein Testspielgegner kann konkret benannt werden, das Ziel für ein Trainingslager auch nicht, nur ein Datum. Es sind allenfalls halbfertige Sachen, die die Eintracht bislang anbietet – das macht erste Fans unruhig. "Wir wollen eine neue Mannschaft formen“, verkündete Arnold am vergangenen Freitag, just als er zehn Spieler auf einen Schlag verabschiedet hatte – darunter Publikumsliebling Mirko Boland.
Wie schlagfertig wird diese Truppe sein? Viele ablösefreie Drittliga-Spieler sind vom Markt, erfahrene Zweitliga-Recken sind teurer und nicht immer die beste Wahl. Selbst die Regionalligen sind zum Teil längst durchforstet. Die besten Talente durften sich aussuchen, wo sie in wenigen Tagen zum Dienst antreten, als der BTSV noch nach seinem Übungsleiter fahndete. Nun ist er aktuell der einzige Drittligist ohne Neuzugang. Es ist ein doppelt schmerzhafter Abstieg für die Löwen, weil sich nun die damit verbundene Planungsunsicherheit auswirkt. Es wird allerhöchste Zeit, diesen Rückstand aufzuholen.