Braunschweig: Warum ein zweites 2018/19 unwahrscheinlich ist

Hello again, Eintracht Braunschweig: Nach einem einjährigen Abstecher in die 2. Bundesliga finden sich die Löwen eine Klasse tiefer wieder. Böse Erinnerungen an ein düsteres Vereinskapitel der jüngeren Vergangenheit werden bei manchem wach. Doch die ersten Kaderplanungen lassen darauf schließen, als wüsste man beim BTSV ganz genau, was man tut.

2018 fast alles falsch gemacht

Nach dem 4:0-Auswärtssieg beim VfL Osnabrück sechs Spieltage vor dem Saisonende waren die Fans der Eintracht völlig aus dem Häuschen. Ein perfekter Nachmittag, ein Sechs-Punkte-Spiel, ja selbst das leidige Thema Torverhältnis sah an diesem Tag auf einmal gar nicht mehr so kritisch aus. Sechs Wochen später hieß die Realität: Abstieg in die 3. Liga, zum zweiten Mal binnen drei Jahre. Gemeinsam mit dem VfL – der wusste das freilich erst zu einem späteren Zeitpunkt – und Mitaufsteiger Würzburg fielen die Niedersachsen gleich wieder durchs Loch. Und bildeten ein treffendes Beispiel dafür, wie groß die Unterschiede zwischen den Spielklassen geworden sind. Denn mit ein wenig Abstand gestand sich mancher BTSV-Fan ein, was anderer schon während der Saison bemerkt hatte: Trotz aller Aufrüstungsversuche war die spielerische Qualität im Vergleich mit der Konkurrenz dürftig, der Abstieg ging in Ordnung.

Der BTSV weiß bestens, wie es nun nicht laufen sollte. 2018 rutschten die Blau-Gelben, damals noch deutlich überraschender, ein erstes Mal aus der 2. Bundesliga abwärts, galten als Topfavorit – und rutschten so schnell ab wie selten ein Absteiger zuvor. Zehn Pünktchen hatte Braunschweig nach 18 Spielen erst gesammelt, war weit entfernt vom rettenden 16. Tabellenplatz. Da war Trainer Henrik Pedersen, gekommen zu Saisonbeginn, schon wieder weg: Der Däne war ebenso ein Fehlgriff wie mancher Transfer, ob Malte Amundsen, Michal Fasko oder Jonas Thorsen. Dazu kamen das Aus von Trainer-Ikone Torsten Lieberknecht, in Sportchef Marc Arnold wurde kurz nach Saisonbeginn ein weiterer langjähriger Bediensteter freigestellt. Die Stimmung purzelte rasant in den Keller, und noch heute ist ein mittelschweres Wunder, dass sich Braunschweig unter Trainer André Schubert und mit einem gewaltigen Kraftakt tatsächlich am allerletzten Spieltag rettete – dank eines einzigen Treffers!

Was für Schiele und den BTSV spricht

Ähnliche Fehler nochmals zu begehen, wäre dilettantisch. Gleichwohl macht ein Abstieg mit knapp 16 Monaten Corona-Pandemie in den Knochen die Aufgabe nicht leichter. Doch eine Reihe von Faktoren sprechen dafür, dass der BTSV in diesem Sommer leichter fällt und schneller wieder aufsteht. Trainer Daniel Meyer musste zwar ebenfalls nach dem Abstieg gehen, was an 2018 erinnert. Sein Nachfolger Michael Schiele kennt jedoch die Liga gut, gilt als positiver Charakter und Menschenfänger, führte Würzburg 2020 mit kontinuierlicher Arbeit in die 2. Liga. Arbeit, die nahezu überall geschätzt wurde, offenbar einzig nicht von der eigenen Vereinsführung. Zur ganzen Wahrheit gehört aber ebenso: In Sandhausen scheiterte Schiele im Winter, weitere Referenzen kann er als Cheftrainer nicht vorweisen. Ein bisschen Risiko ist also dabei. In Braunschweig wird Schiele sechster Coach seit der Ära Lieberknecht, ein halbes Dutzend Übungsleiter binnen 36 Monaten. Konstanz wird dort dringend benötigt. Ob man an der Hamburger Straße wirklich die Geduld besitzt, notfalls den von Schiele ausgegeben "Zweijahresplan" für die Zweitliga-Rückkehr abzuwarten?

Vielleicht genügt die Qualität ja bereits für einen Anlauf in dieser Saison. Nominell ist die 3. Liga schwächer geworden, die Eintracht wird oft Favorit sein. Damit tat sie sich selbst in der Aufstiegssaison 2019/20 oft schwer, heraus kamen wenige phänomenale Siege, sondern viel dreckige Arbeit – Trainer Marco Antwerpen musste trotz des erreichten Aufstiegs gehen. Konkurrenz wird es dennoch geben: Saarbrücken, 1860 München, Kaiserslautern, dazu die Mitabsteiger Würzburg und Osnabrück, Geheimtipps wie Duisburg, Magdeburg und Türkgücü – schnell steht die halbe Liga auf der Liste. Was hat Braunschweig dem schon jetzt entgegenzusetzen?

Eine knackige erste Elf

Zunächst eine erste Elf, die im Ligavergleich auf den meisten Positionen ihresgleichen sucht. Jasmin Fejzic, Danilo Wiebe, Brian Behrendt, Michael Schultz, Niko Kijewski, Jannis Nikolaou, Bryan Henning, Martin Kobylanski, Maurice Multhaup, Luc Ihorst und Benjamin Girth könnten schon jetzt – und der Kader ist mit 20 Spielern noch nicht annähernd vollständig – eine mehr als konkurrenzfähige Einheit bilden. Der obligatorische Umbruch nach einem Abstieg ist nicht zu groß ausgefallen, dennoch bietet er die Möglichkeit, gezielt neue Impulse zu setzen. Dass der BTSV zuletzt in der Lage war, eine ganze Reihe von Akteuren des VfL Osnabrück trotz derselben sportlichen Argumente zum Wechsel zu überreden, lässt die Mutmaßung zu: Auch finanziell hat der Klub um Sportdirektor Peter Vollmann auf einem corona-bedingt schwierigen Markt noch schlagkräftige Argumente – und damit schon vier Wochen vor dem Saisonstart eine ordentliche Basis gelegt.

Gesucht wird nach wie vor Tempo auf den Flügeln, das Braunschweiger Spiel braucht nach einer gerade offensiv keinen Zweitliga-Ansprüchen genügenden Saison mehr individuelle Qualität und Überraschungsmomente, um die starken Zielstürmer künftig auch aus dem Spiel heraus einsetzen zu können. Die Abgänge der sprintstarken Außenstürmer Marcel Bär (1860 München) und Fabio Kaufmann (Karlsruher SC) gilt es zu kompensieren, auch im zentralen Mittelfeld gibt es ohne Felix Kroos, Yassin Ben Balla und Dominik Wydra gewisse Vakanzen, die zum Teil aber schon gleichwertig ersetzt wurden (Bryan Henning, Robin Krauße). Verstärken sich die Norddeutschen noch der Breite, erzeugen mithilfe der "Gebliebenen" und der Aufstiegserfahrung etwa von Kapitän Kobylanski eine Einheit und setzen dann noch auf die Rückkehr der auch am Standort Braunschweig bitter vermissten Anhängerschaft: Es könnte die erhoffte Spitzenmannschaft werden.

 

   

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