Das Fazit zur Hinrunde #1: Die Plätze 1 bis 10
Die Hinrunde der Drittliga-Saison 2017/18 ist Geschichte, 190 Spiele sind absolviert. Grund genug, ein Fazit zu ziehen. Wer konnte überzeugen? Wer übertraf die Erwartungen? Wer enttäuschte? Und wohin geht die Reise der 20 Vereine? Im ersten Teil unserer ausführlichen Analyse schauen wir auf die Teams aus der oberen Tabellenhälfte.
Was nach wenigen Wochen bei jedem Augenzeugen noch ungläubiges Staunen hervorrief, ist mittlerweile sichere Gewissheit geworden. Der SC Paderborn ist unter der Planung von Markus Krösche und Steffen Baumgart zu einem Spitzenteam der 3. Liga gewachsen. Die fast ausnahmslos aus der Regionalliga zu den Ostwestfalen gewechselten Neuzugänge wirbelten die Liga an fast jedem Spieltag kräftig durch. 47 Treffer stehen dabei symbolisch für den wiederbelebten Offensivfußball des SCP. Bezeichnend, dass die Baumgart-Elf alle vier Saisonniederlagen ausgerechnet dann kassierte, als Sven Michels kongenialer Sturmpartner Dennis Srbeny verletzungsbedingt ausfiel. Mit der Rückkehr des 23-Jährigen holte sich das Team am vergangenen Samstag die Herbstmeisterschaft.
Prognose: Bei 43 Punkten nach 19 Spielen muss man kein Prophet sein, um die große Favoritenstellung des SCP für einen der Aufstiegsplätze vorauszusehen. Auch wenn Trainer Steffen Baumgart stets demütig vor den noch anstehenden Aufgaben warnt, so darf man dem Herbstmeister die Konstanz für einen direkten Aufstiegsplatz zutrauen. Meistert der Tabellenerste das nicht unlösbare Auftaktprogramm, dann ist der Grundstein für einen der beiden festen Aufstiegsplätze gelegt.
Seit Jens Härtel vor dreieinhalb Jahren bei den Blau-Weißen anheuerte, führte der Weg des 1. FC Magdeburg stetig nach oben. Insofern war die Bestätigung des vierten Platzes aus der Drittliga-Premierensaison in der vergangenen Spielzeit fast ein kleiner Dämpfer. Noch einmal wollen sich die Elbestädter nicht so leicht den Schneid abkaufen lassen – und entwickelten sich im letzten Halbjahr zu wahren Mentalitätsroutiniers. Acht ihrer vierzehn Siege brachten die Magdeburger mit einem Tor Differenz nach Hause. Das über Jahre eingespielte Grundgerüst des Clubs wurde im Sommer durch Neuzugänge wie Türpitz und Rother qualitativ aufgewertet und überwand gar die durch eine monatelange Tormisere geschwächte One-Man-Show Christian Beck. Nach der zeitweiligen Mini-Krise im Oktober meldete sich der FCM eindrucksvoll mit vier Siegen in Folge zurück und zog mit Spitzenreiter Paderborn gleich.
Prognose: Neuer Dauerkarten-Rekord, neuer Punkte-Rekord, alte Leidenschaft: Das Vereinsumfeld will auf zu neuen Ufern und lechzt nach den nächsten Erfolgen. Auch die Mannschaft selbst geht in dieser Spielzeit offensiver mit dem Saisonziel um. In der Rückrunde warten vor allem auswärts einige knifflige Hürden auf die Elf von Trainer Jens Härtel, die psychisch mittlerweile allerdings so gefestigt scheint, dass auch harte Prüfungen sie nicht mehr vom Weg in Richtung 2. Bundesliga abzubringen vermögen.
Wehe(n), wenn die Offensive der Südhessen erst einmal losgelassen: In gleich fünf Spielen erzielte das Team von Trainer Rüdiger Rehm vier oder mehr Treffer. Dass selbst Spitzenteams wie Großaspach (5:0) und Paderborn (4:1) gegen den Hinrundendritten unter die Räder kamen, zeigt die brachiale Angriffswucht des SVWW. Doch nicht nur die Offensivabteilung verdiente sich in dieser Hinrunde Prädikate. Die Abwehr der Rehm-Schützlinge ist mit nur 13 Gegentreffern gar die beste der gesamten 3. Liga. Das Innenverteidigerduo um Steven Ruprecht und Sascha Mockenhaupt stand in der Hinrunde oft felsenfest. Den Rest entschärfte mit Markus Kolke einer der besten Torhüter der Liga. Die Wiesbadener haben in der Sommerpause an den neu besetzten Positionen um Moritz Kuhn, Stephan Andrist und Agyemang Diawusie so klug investiert, dass die Mitfavoritenrolle unter Rüdiger Rehm deutlich untermauert wurde.
Prognose: Der Kader des SV Wehen Wiesbaden ist groß und qualitativ breit genug für einen Schlussspurt im Aufstiegskampf. Eine Durststrecke wie im Spätsommer, als die Rehm-Elf aus vier Spielen nur zwei Punkte zusammenklaubte, dürfen sich die Hessen dann aber nicht noch einmal erlauben. Bleibt die Achse Kolke-Mockenhaupt-Andrich-Schäffler lange ohne Verletzungssorgen, dann wird das Team bis zum letzten Spieltag mindestens um seine jetzige Position mitspielen.
Den Ostseestädtern gebührt das Prädikat des zweiten Überraschungsteams der 3. Liga nach dem SC Paderborn. Beinahe geräuschlos und beharrlich festigte Trainer Pavel Dotchev sein Team mit 16 Neuzugängen in der Tabellenregion zwischen Platz 3 und 8. Kein Abstiegskampf, keine Aufregung! Die in der ersten Hälfte der Hinrunde oft schwankenden Leistungen ihres neu zusammengestellten Teams verziehen die Hansa-Fans ihren Lieblingen schnell – auch die lange Durststrecke bis zum ersten Saison-Heimsieg am 11. Spieltag. Schließlich ließ die Kogge in den sieben Begegnungen bis zum Hinrunden-Abschluss 18 von 21 möglichen Punkten folgen – inklusive eines spektakulären 5:3-Sieges über Fortuna Köln – und entfachte in Rostock eine seit Jahren nicht verspürte Aufbruchsstimmung, die wohl lediglich Trainer Pavel Dotchev selbst wohl viel zu früh aufkommen dürfte.
Prognose: Lange agierte das neu zusammengewürfelte Team zu unbeständig, um eine Festigung auf einem der vorderen Plätze zu rechtfertigen. Bis in den Spätsommer hinein resultierte die Platzierung in der vorderen Tabellenhälfte eher aus der ebenso unbeständigen Konkurrenz im Verfolgerfeld denn aus dem eigenen Erfolg. Mit der eingekehrten Routine mauserte sich Hansa zuletzt zu einem ernstzunehmenden Konkurrenten hinter dem Spitzenduo. Mit der Aussicht, am Ende auf einem der ersten drei Plätze einzukommen, wird auch Hansa-Investor Rolf Elgeti den Verein in der Winterpause finanziell auf Spitzenteam trimmen.
Zugegeben: Lange warteten alle Beobachter auf den Einbruch der Fortuna, der sich der vergangenen Saison ähnlich wie ein Omen über den Hinrundenverlauf legen sollte. Doch die Kölner sträubten sich. Das Team von Cheftrainer Uwe Koschinat heimste Punkt um Punkt ein und blieb bis zum zehnten Spieltag ungeschlagen. Selbst nach dem 14. Durchgang straften die Rot-Weißen alle Experten Lügen und grüßten mit 30 Punkten vom zweiten Tabellenplatz. Dann kam der prognostizierte Einbruch, der jedoch nicht vom qualitativen Gefüge herrührte, sondern an einem unfassbar bitteren Verletzungspech lag. Konnte die Koschinat-Elf den Muskelfaserriss eines Leistungsträgers wie Manuel Farrona-Pulido zuvor noch auffangen, so fielen im weiteren Saisonverlauf alle vier(!) etatmäßigen Innenverteidiger der Fortuna aus. In den restlichen fünf Hinrundenspielen holten die Kölner nur noch zwei Punkte.
Prognose: Die Fortuna hat bereits jetzt mit 32 Zählern vier Punkte mehr als zum gleichen Zeitpunkt der vergangenen Saison. Der Großteil der Punkte im Kampf um den Klassenerhalt ist also eingefahren, zumal die Abstiegskandidaten in diesem Jahr nicht den Eindruck erwecken, Druck von unten entfachen zu können. Mit dem sich lichtenden Lazarett kann die Koschinat-Elf Anfang 2018 wieder Punkte einfahren und sich einen Platz in der ersten Tabellenhälfte sichern. Im engsten Verfolgerfeld um die Aufstiegsplätze wird die Fortuna allerdings nicht mitmischen.
Es ist schon beeindruckend, wie schnell es Trainer Sascha Hildmann gelungen ist, den personellen Umbruch bei der SG Sonnenhof Großaspach zu moderieren. Dreizehn Abgänge, zwölf Neue, von denen die meisten zuvor in der Regionalliga gespielt hatten – man konnte leicht auf die Idee kommen, dass Großaspach in dieser Saison zu kämpfen haben wird. Doch das Gegenteil ist der Fall: Die Neuen passen, die Philosophie von Hildmann auch, der selbsterklärte Dorfverein trumpft auf.
Prognose: Satte 31 Zähler hat Großaspach nach 19 Spielen auf dem Konto, das Team wirkt stabil: Nur einmal verlor die SG mehr als ein Spiel in Folge – zwischen dem 10. und 13. Spieltag setzte es drei Niederlagen hintereinander, auf die aber vier Siege in Folge folgten. Großaspach wird mit Auf- und Abstieg nichts zu tun haben, weiter konstant punkten und am Ende auf Rang sechs bis zehn einlaufen.
Wer die Spielvereinigung Unterhaching auch nur einmal über neunzig Minuten hat spielen sehen, bekam einen Eindruck davon, welch außergewöhnliche Truppe Trainer Claus Schromm betreut. Als Aufsteiger gehört Unterhaching seit Spieltag eins zu den spielstärksten Teams, ist frech, gut organisiert und abgezockt. Das Kollektiv passt, Einzelkönner wie Sascha Bigalke und Stephan Hain gehören zu den Ausnahmeerscheinungen in einer Liga, in der sonst das Körperliche dominiert.
Prognose: Wenn die Schlüsselspieler fit und in Form bleiben, wird Unterhaching auch im Jahr 2018 eine richtig gute Rolle zu spielen. Für den Aufstieg wird es (noch) nicht reichen, aber den aktuellen Platz sieben kann die SpVgg Unterhaching verteidigen, vielleicht sogar noch verbessern.
Die Leistungen des Karlsruher SC in den ersten 19 Spielen dieser Spielzeit lassen sich leicht in zwei Phasen einteilen: Nach sechs Spielen taumelte der Zweitliga-Absteiger auch eine Klasse tiefer dem Tabellenkeller entgegen, dann übernahm Alois Schwartz als Trainer und seitdem läuft es. In 14 Spielen unter Schwarz holte Karlsruhe im Schnitt zwei Punkte pro Spiel, das ist, wenn man es auf eine ganze Saison hochrechnet, die Bilanz eines Aufsteigers. Platz acht mit 30 Punkten – sechs fehlen auf den Relegationsrang drei.
Prognose: Der KSC wird seine starke Form der letzten Woche und Monate konservieren, allein schon, weil der Kader für die 3. Liga sehr breit besetzt ist und eine hohe individuelle Klasse aufweist. Und weil Schwartz nur nach Leistung und nicht nach Namen oder Verdiensten aufstellt, wie Dominik Stroh-Engel, der als vermeintlicher Top-Torjäger kam und aktuell höchstens Joker ist, erfahren musste. Wenn es im Frühjahr ernst wird in Sachen Aufstieg, werden die Badener da sein – Platz drei ist möglich.
Wie der Aufsteiger aus dem Emsland auftritt, nötigt Fußball-Fans bundesweit seit Monaten Respekt ab. Mit einer Mannschaft, die auch nach dem Aufstieg nur punktuell verändert wurde, ärgert der SVM die großen Namen und beendet die Hinrunde auf einem hervorragenden neunten Platz. Niemand tritt gerne gegen das Team von Christian Neidhart, ein größeres Kompliment kann man dem Aufsteiger kaum machen. Die Abhängigkeit von Spielern wie Torjäger Benjamin Girth (11 Tore), Marius Kleinsorge oder Thilo Leugers ist allerdings groß, vielleicht zu groß.
Prognose: Der SV Meppen wird das Niveau der tollen Hinrunde nicht ganz halten können, am Ende aber auf Platz 11- 14 einlaufen – ohne dabei zittern zu müssen. Für mehr wird es nicht reichen, weil der Kader auf einigen Positionen nicht genügend gleichwertige Alternativen hergibt und nicht alle Spieler die Form der ersten 19 Spiele halten können. Der Klassenerhalt gelingt aber ohne Probleme – und das ist für den SV Meppen ein toller Erfolg.
Wer sich bei den Protagonisten der 3. Liga umhört, wir schnell zu hören bekommen, dass es absolut keinen Spaß macht, gegen den VfR Aalen anzutreten. Trainer Peter Vollmann hat dort eine griffige und erfahrene Mannschaft geformt, die im 4-1-4-1 sicher steht und gleichzeitig starke Konter setzt. Spieler wie Daniel Bernhardt, Thomas Geyer oder Matthias Morys sind abgezockt genug, um die Mannschaft auch durch kritische Phasen zu führen. In Aalen hoffen sie darauf, dass Robert Müller (Syndesmoseriss) bald wieder einsatzfähig ist. Müller ist keiner, der Spiele im Alleingang entscheidet, aber eben Vollmanns verlängerter Arm auf dem Feld.
Prognose: Zuletzte punktete Aalen gut, holte aus den letzten sechs Spielen 13 Punkt, der Lohn dafür: Platz zehn, wobei der Abstand nach unten komfortabel und der dann noch oben doch recht groß ist, Tabellenmittelfeld eben. Und dort wird der VfR auch am Saisonende stehen. Für den Abstiegskampf ist Aalens Team zu gut, aber nicht konstant genug, um im Austiegsrennen noch ein Faktor zu werden.