Das immer gleiche, frustrierende Arminia-Muster
Aus der Bundesliga in die Regionalliga? Das Schreckensszenario schien im Spätherbst schon fast zu den Akten gelegt. Doch plötzlich schliddert Arminia Bielefeld schon wieder in eine vehemente Krise – die jüngere Erfahrung zeigt, wie schwer sich die Ostwestfalen aus solchen Lagen wieder herausmanövriert bekommen. Vor allem Trainer Mitch Kniat rückt jetzt in den Mittelpunkt. Zumal die Spiele immer wieder ähnlich ablaufen.
"Individuell herausragend" – und keiner kann es mehr hören
Er wird sich bei seiner ersten Station als Sport-Geschäftsführer vieles gewünscht haben – aber nicht, so früh in eine solch missliche Lage zu rutschen: Auf Michael Mutzel prasseln als oberster Entscheider bei Arminia Bielefeld nach vier Niederlagen in Folge tausende Stimmen und Forderungen ein. Viele stammen aus dem Fan-Umfeld und verlangen, sich tiefergehend mit der Personalie Mitch Kniat auseinanderzusetzen, seinem Wunschtrainer, für den er im Sommer eine kolportiert knapp sechsstellige Summe an den kleinen Nachbarn SC Verl überwies. Während dieser auch den Verlust seines Ex-Kapitäns Mael Corboz an die "große" Arminia offenbar blendend verkraftet und seinerseits mit Adrian Fein einen Spieler als Ersatz präsentiert hat, an dem die Bielefelder zu Bundesliga-Zeiten im Winter 2020/21 interessiert waren, stolpert der DSC schier ohnmächtig die Drittliga-Treppe hinab.
Natürlich kommt das allen, die es mit den Ostwestfalen gehalten haben, seltsam bekannt vor. Nicht unbedingt aus der ersten von womöglich drei Abstiegssaisons in Folge – das Aus in der Bundesliga 2021/22 war ärgerlich und wohl auch vermeidbar, aber angesichts wirtschaftlicher Unterlegenheit kein Beinbruch. Doch plötzlich fühlen sich Arminias Fans böse erinnert an das direkte sportliche Vorjahr. An die Zweitliga-Saison, die mit einem exzellent besetzten Kader voller aktueller Erst- und Zweitliga-Spieler im Durchmarsch endete. "Individuell herausragend" sind zwei Worte, bei denen sich dem schwarz-weiß-blauen Anhang allmählich die Fußnägel hochrollen dürften. Darf denn selbst einer (scheidenden) Ikone wie Fabian Klos, der zu Saisonbeginn Charakter und Harmonie in der neuen Mannschaft – im Gegensatz zur alten – ausdrücklich hervorhob, nicht mehr vertraut werden? Lieb und nett, aber nicht widerstandsfähig: Altes Leid wiederholt sich an der Melanchthonstraße. Und der Null-Punkte-Start ins Jahr 2024 (1:2 in Münster, 0:1 gegen Ulm, 0:2 in Regensburg) ist eine harsche, aber durchaus verdiente Quittung dafür.
Eine bittere Entwicklung
Was hätte Mutzel besser machen können? Schnell wird vergessen: Die Voraussetzungen im Sommer, so ambitioniert sich Arminia geben musste, waren extrem komplizierte. So gut wie kein Spieler unter Vertrag, in den meisten Verhandlungen mit interessanten Akteuren naturgemäß erst ganz spät dabei. Schließlich war der DSC nicht nur per Relegation zum letztmöglichen Zeitpunkt abgestiegen, sondern hatte Mutzel erst kurz darauf als neuen Boss offiziell verpflichtet. Mutzel und Kniat pumpten entlang einer klar definierten, mutigen Spielidee signifikante Anteile des Etats in namhafte, am Ball versierte Offensivspieler und sparten dafür an der Abwehr sowie dem defensiven Mittelfeld. Das flog den Arminen schon im Verlauf der Hinrunde immer mal wieder um die Ohren, perspektivisch soll Corboz zumindest das Loch vor der Abwehr stopfen. Hinten, das ist ein offenes Geheimnis, fehlt ein Anführer – Gerrit Gohlke war immer mal wieder nicht spielfähig, Semi Belkahia erwischte ein schwieriges Halbjahr und flog zuletzt aus dem Kader.
Immer wieder laufen Spiele ähnlich ab: Arminia dominiert mindestens über Strecken, erspielt sich aber daraus zu wenig Torgefahr. Die Gegner sind darauf eingestellt und gewähren dem DSC seine Freiheiten, kochen ihn robust ab und setzen Nadelstiche, die – immer mal wieder unter gütiger Mithilfe der Bielefelder – die Abwehr durchdringen. Einmal in Rückstand, sieht sich Arminia einem drittliga-typischen Bollwerk gegenüber und findet nur mit großer Mühe Lösungen. Reichte es im Herbst in solchen Fällen zumindest noch zu einem Remis, so fahren die Ostwestfalen daraus jetzt in steter Regel Niederlagen ein. Die anderen Mitabsteiger Sandhausen (+12 Punkte) und Regensburg (24!) haben sich bedeutend besser auf die 3. Liga eingestellt, was doppelt frustrierend für den stolzen Klub von der Alm ist: SVS und Jahn haben nie Bundesliga gespielt, gehörten zu Zweitliga-Zeiten schon eher zur Kategorie "Pflichtsieg" – und machen den Arminen nun souveräne Drittliga-Arbeit vor. Eine bittere Entwicklung.
Wie lange hält die Geduld?
Üblicherweise endet ein solch schauriger sportlicher Trend in Bielefeld über kurz oder lang mit einer Trainerentlassung, befeuert vom hypernervösen Umfeld. Mitch Kniat kam mit besten Empfehlungen und großen Ideen, wirkt aber allmählich erschöpft. Ist er dem immensen Druck in und um die Schüco-Arena trotz gesundem Selbstvertrauen herum nicht gewachsen? In sozialen Medien und Foren ist er zumindest vor dem kommenden Heimspiel gegen Viktoria Köln schwer angezählt, der Glaube an ein positives Ende wird eher kleiner. Doch wohin dann mit einer Mannschaft, aus der sich der einstigen Berichterstattung zufolge ein maßgeblicher Teil der Profis wegen Kniat für den DSC entschieden hatte? Schüfe sich der Verein mit einer solchen Entscheidung vielleicht sogar noch größere Probleme?
Michael Mutzel handelte – und sprach nach der Regensburg-Niederlage vorsorglich gleich einmal eine Jobgarantie aus, zumindest für das kommende Spiel. Wie lange diese trügerische Sicherheit noch anhält? Bei Arminia Bielefeld weiß man nie.