Das Jahnstadion – den Jahn im Wohnzimmer
Beim Heimspiel gegen Rot-Weiß Erfurt am 10. Spieltag (2:2) feierten die Regensburger Fans einen Geburtstag. Einen ganz besonderen – nämlich den ihres Stadions! Das Jahnstadion wurde 85 Jahre alt. Mit einer wunderschönen Choreo gratulierten die Ultras Regensburg und die Fans am Turm ihrer traditionsreichen Heimat. Doch was macht dieses Stadion so besonders? Ist es nur der Standort, nämlich mitten im Herzen des Stadtteils Prüfening? Oder ist es seine Geschichte? Schließlich hat man hier von olympischem, Erstliga- und Amateurfußball schon alles gesehen. liga3-online.de hat es für Euch mal genauer unter die Lupe genommen.
Aufbau des Stadions – von Jahntribüne bis zum Turm
11.800 Menschen haben offiziell im Jahnstadion Platz, auch Stadion an der Prüfeninger Straße genannt. 9.800 Stehplätze gibt es in der Kurve, der Gegengerade und der Gästekurve, 2.000 Sitzplätze auf der Tribüne, davon sind gut 1.200 überdacht. Was sofort auffällt, ist ein großer Turm im Block H in der Mitte der Gegengerade. Dort steht die Uhrzeit und der aktuelle Spielstand. Passend zu Regensburg – der Stadt der Türme. Die Gästefans stehen in der Südkurve, nach einem Sponsor „andré-Kurve“ benannt. (Lustigerweise hängen die gegnerischen Fans ihr Zaunfahnen immer über die Werbebande, dann heißt es dort zum Beispiel: „Ultras Black Side – Wir sind Supermarktwerbung“). In die Tribüne integriert ist eine Gaststätte, seit jeher Treffpunkt für Fanclubs und allen Fans, die nach dem Spiel noch gemütlich bei einem Bier beisammen sitzen wollen. Tribüne und Turm – Tradition pur! Diese Tribüne ist jedoch nicht ganz so alt wie das Stadion selbst. Aber von vorne…
Jahn-Platz, Jahntribüne, Jahnstadion – Meilensteine der Geschichte
Ab 1907, als sich die Fußball-Abteilung bei Jahn Regensburg gegründet hatte, hatten sie noch keine feste Heimat. Die ersten Spiele trugen die Jahnfußballer im Stadtpark aus, später auch am Sportplatz der Oberrealschule (dem heutigen Goethe-Gymnasium). Erst 1926 pachtete der Verein ein Gelände in der Nähe der Schule, allerdings weit außerhalb der Stadt. Am 19. September 1926 schlug man dann den 1. FC Passau mit 7:0 – das war das erste Spiel auf dem neuen Jahn-Platz, sozusagen die Geburtsstunde (Dieses Ereignis jährte sich einen Tag nach dem Heimspiel gegen Erfurt zum 85. Mal). Jedoch war es damals wirklich nicht mehr als zwei Tore auf einem Feld. Als immer mehr Zuschauer den Jahn sehen wollten, baute man 1931 die Jahntribüne – aus dem Jahn-Platz wurde das Jahn-Stadion. Seinerzeit war es eine der modernsten Fußballtribünen Deutschlandweit!
Im Laufe der Jahre wurde viel umgebaut. 1949 wurden um das Spielfeld herum Stehränge gebaut, in den 50er Jahren kam der berühmte Turm dazu. 1987 wurde das Jahnstadion komplett saniert und auch die heutige Flutlichtanlage errichtet (bestehend aus 6 Flutlichtmasten). Der bisher letzte größere Umbau fand 2008 statt, als die (mittlerweile) alte Jahntribüne Sitzschalen bekam und zwei Zusatztribünen gebaut werden mussten – Auflagen vom DFB. So ist das heutige Fassungsvermögen auf 11.800 gesetzt. In den 50ern waren 17.000 Zuschauer der Schnitt – 30.000 der Rekord. Stand das Stadion damals noch auf weiter Flur außerhalb von Regensburg, steht es nun mitten in der Stadt. Regensburg ist gewachsen. Im Stadtteil Prüfening stehen nun Wohnhäuser um das Stadion, auch ein großes Bürogebäude. Von außen ist das Stadion also fast nicht zu sehen. Das hat einen gewissen Charme.
Jahnstadion als Olympiastadion
Zwar trägt hier nur der Drittligist SSV Jahn Regensburg seine Fußballheimspiele aus, 1972 wurde das Stadion aber auch für einen anderen Zweck genutzt. Die olympischen Sommerspiele fanden in diesem Jahr in München statt. Das olympische Fußballturnier (mit Sieger Polen) wurde in 6 Städten ausgetragen – neben München und Nürnberg unter anderem eben auch Regensburg. Fünf Spiele fanden im Regensburger Jahnstadion statt – wie viele andere Drittligisten können von sich behaupten, in einem echten Olympiastadion seine Spiele auszutragen?
Trotz aller Tradition – das Stadion ist überholt
Die Planungen für ein neues Stadion in Regensburg laufen auf Hochtouren, nach aktuellstem Stand soll 2012/2013 der Spatenstich erfolgen. Denn das Jahnstadion ist längst überholt und nicht mehr tauglich für Profifußball. Keine fest installierten Toiletten, keine Rasenheizung, zwei improvisierte Stahltribünen vor der Haupttribüne. Bis vor drei Jahren hatte die Tribüne wie erwähnt nicht einmal Sitzschalen, die Zuschauer haben auf einfachen Holzbänken gesessen. Der Fanshop ist in einer Holzbaracke beheimatet, die Geschäftsstelle ist eine Burg aus Containern. Und der Gästeeingang ist fünf Meter breit zwischen zwei Gebäuden. Die Zeit des Stadions ist nach 85 Jahren eigentlich längst abgelaufen.
Dieses Stadion hat Flair!
Dennoch: Dieses Stadion hat Flair! Es hat Charme! Ein sehr altes und traditionsreiches Stadion mitten in der Stadt mit zahlreichen schönen Facetten. Hinter dem Gästeblock – wohl einmalig in Deutschland – ist eine Brauerei beheimatet, auf zwei weiteren Seiten stehen alte Wohnhäuser und ein riesiges Bürogebäude, aus denen einige wenige glückliche Jahnfans kein Spiel verpassen und den Jahn praktisch aus dem Wohnzimmer heraus sehen können. Hinter der Haupttribüne dann liegen viele Schrebergärten. Nicht nur die unmittelbare Stadionumgebung macht das Flair aus, auch die Aussicht ist nicht ohne! Von den Tribünen aus ist es möglich, eines der Regensburger Wahrzeichen zu sehen – den Dom St. Peter. Von der Gegengerade aus kann man die Silhouette des Stadtteils Königswiesen erkennen, mit seinen vielen Hochhäusern. Im Herbst können die Jahnfans dann die Sonne am Horizont untergehen sehen, wenn sie langsam hinter den Königswiesener Gebäuden verschwindet und das Jahnstadion in ein schönes Licht taucht – die Romantiker kommen hier also auch nicht zu kurz.
"Der ganze Turm steht hinter Dir!"
Beliebt bei den Gästefans ist der Gästeblock im Stadion an der Prüfeninger Straße. Zwar ist der Eingang eng, aber der Block selbst ist ein weites schönes Rund, das besonders die Fans begeistert, die mit einem großen Anhang an die Donau fahren. Die Heimfans dagegen stehen nicht in der Kurve. Anders als bei den meisten Vereinen stehen die Ultras Regensburg und die Fanclubs auf der Gegengerade am berühmten Turm. Auch wenn die Akustik dort nicht sehr gut ist, da sich die Stimmen leicht im weiten Rund verlieren, unterstützen die Jahnfans dennoch sehr stimmgewaltig und farbenfroh ihren Verein – den SSV Jahn Regensburg. Auf gut 200 Leute kommt der Support-Block. Viele andere Vereine haben mehr, aber die Regensburger Fans geben immer alles, hier zählt Qualität statt Quantität. Wie beim Verein selbst, der mit nur ganz wenigen (finanziellen) Mitteln auskommen muss und dabei das Beste herausholt – akutell mit 5 Punkten Abstand auf dem Aufstiegsplatz Nummer 2!
Lachendes Auge – Weindendes Auge
Regensburg freut sich zwar auf das neue Stadion, da das alte einfach nicht mehr reicht für 3. Liga (oder gar mehr). Ein wenig Wehmut ist aber trotzdem zu verspüren, wenn man daran denkt, dass die Tage dieses wunderschönen alten Stadions mit seinem Flair, seinen Facetten und seiner Atmosphäre gezählt sind. Es wird abgerissen werden. Infrastrukturell wird die neue Arena im Stadtsüden den alten Jahn-Platz um Längen überlegen sein. Was für den SSV Jahn nur von Vorteil ist. In den anderen Bereichen gewinnt klar das Stadion im Herzen von Prüfening.
Fotos Tribüne: Johannes Pritsch