Das Zeugnis für alle Drittliga-Klubs #1

Mit dem Abschluss einer Saison, die turbulent war wie kaum eine andere, kommt unser großes Drittliga-Zeugnis für alle 20 Vereine. Wer hat seine Erwartungen übertroffen, wer muss nachsitzen und wer präsentierte sich genau so, wie es nach Rahmenbedingungen zu erwarten war? Den Anfang machen die "Klassenstreber" aus der oberen Tabellenhälfte – wobei nicht jeder Bestnoten abstaubt.

Als Aufsteiger den gesamten Wettbewerb zu gewinnen – das hat nicht einmal RB Leipzig vor sechs Jahren geschafft. Der Durchmarsch auf dem Papier, der in der Realität keiner sein darf, ist in der 3. Liga zwar keine Seltenheit und viele Fans merkten im überschwänglichen Jubel der Bayern-Reserve nicht zu Unrecht die wirtschaftlichen Möglichkeiten des Rekordmeisters sowie seinen gegenwärtigen Marktwert an. Dennoch kann man vor Trainer Sebastian Hoeneß nur den Hut ziehen: Die Rückrunde mit ihren 43 Punkten und 42 erzielten Toren war ein absolutes Meisterwerk. Bekanntlich belegte der FCB nach dem Ende der Hinrunde gerade mal Rang 15. Man muss die jungen Talente erst einmal auf das Niveau bekommen, in der beinharten Liga zu überstehen. Dies gelang mit Bravour, und das muss neidlos anerkannt werden.

Note: 1

 

Die Rothosen erwischten einen mäßigen Start, waren zwischendurch sogar Schießbude der Liga. Jeweils fünf Gegentore in Unterhaching und Braunschweig, ein 0:3 daheim gegen den späteren Absteiger Sonnenhof Großaspach – zweitliga-tauglich war zu diesem Zeitpunkt fast überhaupt nichts an den Kickers. Doch auch in Würzburg machte spätestens die Rückrunde – angetrieben zwar nicht durch prominente Spieler, aber seit Januar mit Markenbotschafter Felix Magath in der Hinterhand – den Unterschied: 38 Punkte holte der FWK allen voran dank des Offensivduos Pfeiffer/Kaufmann. Dass Sebastian Schuppan in der letzten Minute seiner aktiven Karriere in einem Herzschlag-Finale den entscheidenden Treffer beisteuerte, war wohl eine der schönsten Geschichten der Drittliga-Historie.

Note: 2+

 

Direkt aufgestiegen und doch nicht wirklich glücklich: Von außen betrachtet, mag Eintracht Braunschweig schwer zu verstehen sein, erst recht nicht nach der Trennung vom Erfolgstrainer Marco Antwerpen. Tatsächlich aber versteht die Eintracht, die sowohl unter Vorgänger Christian Flüthmann als auch vor Corona unter Antwerpen sehr wechselhaft auftrat, die Rückkehr in die 2. Bundesliga nur als einen Baustein: Sie muss sich dort wieder etablieren, um finanziell profitabel zu werden. Dafür braucht es ein spielerisches Konzept, hinter dem der ganze Klub mit einem guten Gefühl steht. Die individuelle Qualität gerade in der Offensive versprach mehr, als der BTSV zeigte. Dem hohen Aufwand genügten die gezeigten Leistungen selbst im Saisonendspurt offenbar nicht.

Note: 2-

 

Gemeinsam mit Braunschweig zählte Ingolstadt zu den absoluten Topfavoriten, wurde dieser Rolle allerdings nur zu Saisonbeginn und im Schlussspurt gerecht. Zwischendrin schwächelte der FCI erheblich, was auch bei den Schanzern zu einem Trainerwechsel – Tomas Oral ersetzte Jeff Saibene – führte. Nach Leistungen sowie dem Torverhältnis wäre Ingolstadt vielleicht sogar der verdientere Aufsteiger gewesen. So wurde man zum Opfer des gewagten Plans, die Saison mit zahlreichen hektischen Wochen zu beenden: In der Relegation spielte Zweitligist Nürnberg zunächst seinen Frischevorteil voll aus und hatte im Rückspiel schließlich richtig Glück. Der FCI geht nach zwei Last-Minute-Dramen in eine Drittliga-Ehrenrunde, die so nicht eingeplant und aufgrund der ebenfalls schwachen Aufstiegskonkurrenz sicherlich nicht nötig gewesen ist.

Note: 2-

 

Mit jedem Abstieg aus der 2. Bundesliga, und davon gab es in jüngerer Vergangenheit so einige, wird beim MSV Duisburg schnell das Geld knapp. Der Kader, der sehr kurzfristig zusammengestellt worden war, wirkte vor der Saison nicht aufstiegstauglich, war in der Hinrunde dann phasenweise spielerisch dominant und mit das Beste, was die 3. Liga zu bieten hatte. Der Herbstmeistertitel war die logische Folge. Aber was geschah 2020? Plötzlich fehlte den Zebras Konstanz, sie gewannen nur noch fünf Rückrunden-Spiele, punkteten wie eine Mittelfeldmannschaft und mussten nach der Corona-Zwangspause mehrere Klubs ziehen lassen. Das Halbjahreszeugnis wäre ein sehr gutes gewesen, so aber wurde das Wunschziel Aufstieg verfehlt.

Note: 3

 

Drehen wir den Spieß wieder um: Hansa Rostock steckte nach der Hinrunde irgendwo im Mittelfeld fest, der Abstand war nach oben wie nach unten ziemlich ähnlich – es war eben pures Mittelmaß. An Trainer Jens Härtel wurde dennoch nicht öffentlich gezweifelt, was nach dessen Leistungen dazumal in Magdeburg vielleicht auch keine schlechte Idee war. Das neue Jahr zeigte dann auch das Gegenteil: Vor allem im letzten Saisondrittel, als der FCH fast einen Zwei-Punkte-Schnitt hinlegte, schien sich selbst ohne die so wichtigen Fans der Kogge eine Aufstiegshoffnung einzustellen. Letztlich fehlten zwar einige Punkte, aber so nah war Hansa der Rückkehr in die zweite Liga lange nicht. Die Saison war ein Mutmacher für die Zukunft, auch wenn zur ganzen Wahrheit gehört: Nach dem Aufwand, den Rostock betreibt, müsste der Klub eigentlich immer im oberen Drittel stehen.

Note: 3+

 

Alles Gute, Christian Neidhart! Einer der authentischsten Trainer verlässt die 3. Liga und den SV Meppen in Richtung Rot-Weiss Essen – vielleicht sehen wir ihn ja irgendwann wieder. Als Abschiedsgeschenk brachte er eine phänomenale Spielzeit mit sich, auch wenn im Endspurt kurzzeitig die Puste ausging und der ganz große Coup nicht gelang. 69 Tore! 16 Siege! 59 Punkte! Selbst ganz zum Schluss, als es um nichts mehr ging als Punktprämien und Torjäger Deniz Undav, der die glorreichsten Momente eines starken Jahres bescherte, den Verein vorzeitig verlassen hatte, schoss der SVM noch Münster in die Regionalliga und besiegte Aufsteiger Braunschweig. Was für ein starker Charakter dieser Mannschaft, die nun allerdings teilweise auseinanderbricht.

Note: 2+

 

Ohne Turbulenzen geht es in Giesing einfach nicht. Der Abgang von Ex-Trainer und Ikone Daniel Bierofka im vergangenen Herbst wirkt nach der Corona-Pause bereits Jahre entfernt, dabei hätte er fast ein Beben ausgelöst. Michael Köllner, so meinten es viele, würde als Bierofkas Nachfolger ein Minenfeld betreten. Doch der Mann mit dem Headset schuf sich durch gute Leistungen und gekonnte Rhetorik selbst schnell ein Standing bei den Löwen-Fans und machte aus den nach wie vor begrenzten Möglichkeiten sehr viel – bis zum letzten Spieltag bestand immerhin noch die theoretische Chance, eine Aufstiegsrelegation zu spielen! Aber das käme noch mindestens ein Jahr zu früh. Dennoch war es ein gutes 1860-Jahr.

Note: 2

 

Ein Aufsteiger, der in der oberen Tabellenhälfte landet, sollte sich dafür keineswegs schämen. Es ist völlig spekulativ abzuschätzen, ob ohne die Corona-Unterbrechung mehr möglich gewesen wäre – standen die "Buwe" doch im März auf dem zweiten Rang und plädierten anschließend vehement für einen Saisonabbruch, der sie unter Umständen in die Zweitklassigkeit befördert hätte. So passierte das, was einige erwartet hatten: Die individuelle Qualität der Konkurrenz setzte sich im anstrengenden Saisonfinale durch, letztlich waren allen voran die Auftritte daheim (Platz 16 der Heimtabelle) nicht. Nun kündigt sich ein Umbruch an: Trainer Bernhard Trares ist bereits weg, ebenso einige Leistungsträger.

Note: 2-

Das Ende der Saison war sportlich versöhnlich für diejenigen, die beim FCK überhaupt noch auf den Sport geschaut haben. Zwischen geplanter Insolvenz, Investoren, die Geld hinterlegten oder dies auch nicht taten, einem riesigen Zoff mit Vereinsikone Gerry Ehrmann und natürlich auch einem Trainerwechsel inklusive Abstiegskampf war am Betzenberg alles drin, und die Schlagzeilen außerhalb des Sportlichen scheinen sich auch in der Sommerpause fortzuführen. Tabellarisch gehören die Roten Teufel in den Aufstiegskampf und nicht ins hintere Mittelfeld, wo sie weite Teile der Saison verbracht haben. Das ist im Schuljargon so gerade ausreichend, mehr nicht.

Note: 4

   

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