Den FCM wieder zum Leben erweckt: Gute Arbeit, Herr Titz!

Fußballtrainer stehen meist nur dann im Fokus, wenn es nicht läuft und bis hin zur Freistellung nach Schuldigen für ein viel weitreichenderes Dilemma gesucht wird. Es wird Zeit, das zu ändern. Denn was Christian Titz – samt Fehlstart – aus dem 1. FC Magdeburg gezaubert hat, kann kaum hoch genug gewürdigt werden. Wir versuchen es trotzdem. Ein Kommentar.

Ziehe meinen Hut

Herr Titz, ich habe den 1. FC Magdeburg für sportlich tot gehalten, für fast schon abgestiegen. Es steht sogar archiviert in einem bedeutenden sozialen Medium, geschrieben habe ich es am 21. Februar, als ich mir beim besten Willen keinen anderen Saisonausgang mehr vorstellen konnte. Das war nach dem 0:4 daheim gegen den SC Verl. Einem Tag, der die ganze bisherige Saison nicht nur ziemlich treffend zusammenfasste, sondern der auch das Potenzial hatte, einer dieser Tiefschläge zu sein, von denen man sich nicht mehr erholt.

Wieder Verl. Wieder dieser Aygün Yildirim mit seinen zwei Treffern. Sie werden sich erinnert haben ans Jahr 2019, an die Regionalliga West. Verl siegte mit 4:1 in Essen, am Ende fehlten beim Saisonabbruch zwei Punkte, dann hätten Sie uns in dieser Saison wohl mit Ihrem ehemaligen Arbeitgeber in der 3. Liga besucht. Sie lösten den Vertrag auf, durften über sich lesen, Sie wären nicht ganz heimisch geworden im Ruhrgebiet. Werden Sie es nun an der Elbe? Sportlich gewiss, davon bin ich mittlerweile überzeugt. Weil Sie Geduld und Kontinuität verkörpern und der Verein sie Ihnen gegenüber bewahrte, und das in einer Phase, in der es kaum schwieriger hätte sein können. Das schweißt zusammen.

Sie haben aus 21 Punkten in nicht einmal acht Wochen 44 gemacht, sind seit neun Spielen ungeschlagen und haben dem FCM auf beeindruckende Weise wieder zum Leben erweckt. Davor ziehe ich meinen Hut. Die eine Kunst ist es, einen nicht enden wollenden Negativlauf mit dem Glück des Moments stoppen zu können, wie Sie es Anfang März in Köln getan haben. Damals haben Sie den FCM-Fans einen Funken Hoffnung geschenkt, den Kampf um den Klassenerhalt so lange wie möglich offenhalten zu können. Kaum jemand hatte da zu träumen gewagt, dass das letzte verbliebene Ziel einer lange hundsmiserablen Saison vorzeitig erreicht werden könnte. Die andere war es dann, aus dem Erfolg Routine zu machen, konstant an Selbstvertrauen zuzulegen und plötzlich selbst Spitzenteams zu verunsichern. Der Sieg in Rostock war ein beeindruckendes Beispiel dafür.

Aus dem Funken Hoffnung Feuer gemacht

Sie kamen als Feuerwehrmann und bewirkten, um in der Bildsprache zu bleiben, das genaue Gegenteil: Aus dem Funken wurde loderndes Feuer. Sie haben aus einer Mannschaft, die wirkte, als hätte sie selbst den Glauben an ihre Drittliga-Qualität verloren, trotz Startschwierigkeiten wie auf Knopfdruck das Maximum herausgeholt. Dezent eingesetzte spielerische Glanzmomente und absolute Konzentration in der eigenen Hälfte führen zu einer mittlerweile kaum mehr überwindbaren Defensive. Nur die besten vier Mannschaften der Liga kassieren weniger Treffer als der FCM! Das sind erstaunliche Werte für einen Klub, der im März noch am Abgrund stand.

Haben Sie sich die Tabelle vielleicht einmal ausgedruckt oder sie zumindest eine längere Zeit angeschaut? Schon klar: Ausruhen auf dem eigenen Erfolg ist trügerisch, daher sollte man sich dessen nicht lange hingeben. Doch gönnen Sie sich einen kurzen Moment der Selbstzufriedenheit. Ganz Drittliga-Deutschland staunt über Sie, über Ihren nicht minder gut arbeitenden Vorgesetzten Otmar Schork und den FCM, der in der oberen Tabellenhälfte steht. Die Aufholjagd ist mindestens so spektakulär wie jene von Eintracht Braunschweig und Carl Zeiss Jena vor zwei Jahren. Sie wollen es nur nicht bis zum letzten Spieltag darauf ankommen lassen. Das dürfte Nerven schonen.

Potenzial ist da

Das Leid eines Fußballtrainers ist oft das Gleiche. Sie können nicht wissen: Ist Ihr persönlicher Höhepunkt just gerade erreicht oder hat der Weg gerade erst begonnen? Werden Sie "nur" derjenige sein, der den FCM aller Voraussicht nach spektakulär in der 3. Liga hält, oder werden Sie an diesem Standort viel mehr erreichen? Das Potenzial ist da: Sie wollen Mut sehen und Treffer, haben einen klaren Spielstil. Ein selbst erzieltes Tor pro Spiel im groben Saisondurchschnitt? Das wird Ihnen als zu wenig vorkommen. Und Sie wollen doch irgendwann das schaffen, was Ihnen beim HSV und Rot-Weiss Essen verwehrt blieb: den Aufstieg.

Jetzt ist der Moment noch nicht gekommen, darüber zu sinnieren, das wäre unpassend. Genießen Sie den Moment und die Anerkennung der Fans. Ich wünsche Ihnen, dass Sie in möglichst naher Zukunft die Atmosphäre im Magdeburger Stadion kennenlernen dürfen. Bleibt der FCM seiner Form nur halbwegs treu, würde Ihnen nach Überstehen der Pandemie wohl der Rote Teppich ausgerollt werden. Spätestens dann wird sich bei Ihnen eine Vorahnung einstellen, was an diesem Standort wirklich möglich ist, wenn wieder alle langfristig an einem Strang ziehen. Die besten Voraussetzungen dafür schaffen Otmar Schork, Sie und das gesamte FCM-Profiteam just in diesen Wochen.

   

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