Der Hallesche FC siegt gegen die Krise
Manchmal fehlen einem einfach die Worte. Noch in der letzten Woche deutete nichts darauf hin, dass es beim Halleschen FC in absehbarer Zeit aufwärts gehen würde. Verletzungen, Sperren, Niederlagen, Grüppchenbildung, Trainerdiskussionen – an der Saale kam alles zusammen. Und zu allem Überfluss war der Gast im heimischen ERDGAS-Sportpark, wo man seit April nicht mehr gewinnen konnte, kein anderer als Tabellenführer SV Wehen Wiesbaden. Klare Angelegenheit? Mitnichten!
Köhler bleibt seiner Linie treu – und gewinnt.
Während unter der Woche gar flehentlich gehofft wurde, man möge bei der unvermeidlichen Niederlage gegen die Wiesbadener wenigstens seine spielerische Würde bewahren, wagte niemand von einem Punktgewinn oder gar dem ersten Saisonsieg in Halle zu träumen. Was am Samstag dann folgte war eine Für-Demonstration: Für ein Lebenszeichen, für den ersten Heimsieg, für die mannschaftliche Geschlossenheit, für die Fans und ganz besonders für Sven Köhler. Dieser stand vor der Partie, nach vier sieglosen Spielen in Folge, massiv unter Druck. Eine Situation, die das Trainer-Urgestein in Halle mittlerweile sehr gut kennt. Doch wie schon in den Krisensituationen der letzten Jahre gelang es Köhler, im punktuell richtigen Moment das Richtige zu tun. Vor allem aber blieb er seiner Linie treu: Er verzichtete auf markige Worte, Schein-Maßnahmen wie Suspendierungen oder teambildende Aktionen wie das ausgelutschte Laufen über Glasscherben. Er blieb Sven Köhler, absorbierte die Kritik gegen sich und seine Spieler und ließ die Mannschaft selber entscheiden, wie die vermeintlich entschiedene Partie laufen soll.
Halle bleibt stabil
So bildete sich im Abschlusstraining vor dem Spiel gegen Wiesbaden ein Mannschaftskreis, in dem mehrfach lautstark diskutiert wurde. Weit davon entfernt, aktiv einzugreifen: Sven Köhler. Dieser verzog sich in eine andere Ecke des Trainingsplatzes, während im Kreis Ivica Banovic und Marco Engelhardt den Ton angaben. Beide sorgten dann ihrerseits am Samstag im Schatten dafür, dass die Mannschaft stabiler stand als eine Gruppe Bodybuilder. Während Andy Gogia mit zwei Toren glänzte, Tony Schmidt und Robert Schick im Angriff wirbelten, dirigierte Engelhardt mit der Kraft des Routiniers als Innenverteidiger die Defensive. Sicherlich keine Lösung bis zum Saisonende, aber ein Schachzug, der Sven Köhler vielleicht den Kopf rettete.
Traumduo Jansen-Banovic
Vorne hingegen brillierte das Duo Ivica Banovic und Max Jansen. Als Zimmergenossen in die Vorbereitung gestartet, zeigten die Neuzugänge eindrucksvoll, warum sie sich von Anfang an blendend verstanden haben. Die Ergänzung von Banovic und Jansen lässt sich nicht klassisch in offensiv und defensiv teilen, nein, beide sind Alleskönner mit Spezifikationen. Während Banovic als aggressiver Routinier mit Erfahrung gleichzeitig geniale Pässe spielen kann – so geschehen beim 1:0 durch Gogia – ist Jansen als Kreativspieler gleichzeitig problemlos in der Lage, defensive Situationen wunderbar leichtfüßig spielerisch zu klären. Man muss bei diesem Vergnügen die Finger kreuzen, das beide fit bleiben.
Gogia übernimmt Verantwortung
Brillieren konnte, bei allen hintergründigen Raffinessen, trotz allem natürlich Andy Gogia. Nach Kritik in der letzten Saison, dass der nachweislich beste Fußballspieler des HFC in wichtigen Spielen keine Verantwortung übernehme und abtauche, konnte Gogia erneut nachweisen, dass er, wenn es darauf ankommt, ganz vorne marschiert. Im Gegensatz zu einigen Kollegen hat er zudem eine recht ordentliche Chancenverwertung. Auch wenn Gogia nicht zu den Lautesten auf und neben dem Feld gehört, Verantwortung übernimmt er.
Was wird aus Kleinheider?
Zwei Fragezeichen bleiben nach dem Sieg des HFC trotzdem: Bleibt Lukas Königshofer die Nummer eins im Tor der Hallenser und was wird aus Sören Bertram. Letzterer verletzte sich in seinem ersten Startelfeinsatz seit Monaten direkt schwer und fällt mindestens einen Monat aus – wenn nicht sogar bis zur Rückrunde. Ein Wehrmutstropfen für die ganze Mannschaft, auch, weil Bertram neben Gogia so etwas wie die Nummer zwei der Zauberfüße in Halle ist. Zusammen spielen werden sie nun erst im Dezember wieder, wie erwähnt: frühestens. Bei Königshofer gehen die Blicke vor allem zur eigentlichen Nummer eins Pierre Kleinheider. Dieser sah sich nach einer bärenstarken Saison im Sommer bereits zu Höherem berufen und pokerte um einen neuen und vor allem besseren Vertrag, im besten Fall in der 2. Bundesliga. Er blieb schließlich beim HFC und musste sich gefallen lassen, dass Präsident Schädlich mehr Druck auf seine Nummer eins forderte – und der Verein mit Lukas Königshofer einen etablierten Torhüter von Rapid Wien verpflichtete, der keinesfalls für die hallesche Ersatzbank geholt wurde. Nach einigen Unsicherheiten hat der Österreicher nun die Nase vorn – aber zu Recht? Bekanntlich sind Denkpausen in der Torhütergilde nicht gerade als Ansporn bekannt. Dementsprechend frustriert reagierte auch Kleinheider auf die Degradierung. Trotz des Sieges bleibt es also spannend in Halle.
Die Partie in Fotos:
FOTOS: Marcus Bölke