Die besten Spiele des Jahres: Plätze 20 bis 4
Tore, Triumphe, Tränen: Auch wenn die Stadien längst nicht immer so gefüllt sein durften wie früher, hatten es die Spiele der 3. Liga auch 2021 in sich. Bevor wir uns vom bald vergangenen Jahr verabschieden und ein furioses 2022 anpeilen, blicken wir wie immer auf die Drittliga-Highlights der vergangenen zwölf Monate zurück. Wir starten mit dem Schnelldurchlauf der Plätze 20 bis 4.
Info: Die Plätze 3 bis 1 werden in den nächsten Tagen bis zum 31. Dezember veröffentlicht.
Aufsteiger zum Saisonbeginn bespielen? Kaum einer kann dem etwas Positives abgewinnen, zu viele mahnende Beispiele hat die Vergangenheit parat. Zweitliga-Absteiger Eintracht Braunschweig lernte schmerzhaft dazu, als Anfang August die Nobodys aus der Hauptstadt aufkreuzten und ganz kurzen Prozess machten: Ein Doppelpack des alles überragenden Tolcay Cigerci markierte den Grundstein in der ersten Halbzeit, nach dem Seitenwechsel bewies die Mannschaft von Trainer Benedetto Muzzicato Effizienz und schraubte das Ergebnis in luftige Höhen. Ein Debakel für den BTSV, dessen 6.700 Fans bei der Rückkehr ins Stadion Pfiffe verteilten. Es sollte der einzige Aussetzer der Braunschweiger in der Hinrunde bleiben.
Aufsteiger zum Saisonbeginn – ach, lassen wir das. Der 1. FC Kaiserslautern erfuhr eine nicht minder bittere Abreibung der frechen Berliner, was sogar dazu führte, dass die frustrierten Anhänger im Gästeblock in der Endphase der Partie einen Ordner befeierten, anstatt das Spiel zu verfolgen. Ihnen war nach drei Minuten – da durfte Björn Jopek mit Geleitschutz durch die Defensivreihe des FCK spazieren – womöglich schon klar, auf was sie sich da eingelassen hatten. Und tatsächlich: Vorne hatte Lautern kein Glück, hinten ergaben sie sich ihrem Schicksal und waren damit gut bedient. Kaum zu glauben, dass diese Lautrer vier Monate später das Bollwerk der 3. Liga stellen würden!
Es gibt diese Tage, wird sich mancher Waldhöfer nach dieser Partie unter der Woche gedacht haben. Im Südwestderby beim 1. FC Saarbrücken holte sich der SVW im Frühling eine blutige Nase ab, lud zu einfachen Treffern ein und war spätestens ab dem 3:0 in der 68. Minute nur noch ein besserer Sparringspartner für den besten Aufsteiger der Saison 2020/21 – der sein spielerisches Potenzial, das ihn in der Hinrunde bis zum Tabellenführer gebracht hatte, hier immer wieder auf den Platz brachte. Eine Galavorstellung an der Saar und ein feines Abschiedsgeschenk von Trainer Lukas Kwasniok, der wenig später seine Zelte beim FCS abbrach und bei Zweitligist Paderborn anheuerte.
So klar, wie die Tabellenlage es zu Jahresbeginn vermuten ließ, war das Duell zwischen dem späteren Zweitliga-Aufsteiger Dresden und Kaiserslautern ganz und gar nicht: Die sonst so harmlosen Roten Teufel brachten es in den ersten 58 Minuten auf eine 3:2-Führung, wurden dabei aber auch von einem Ehlers-Eigentor begünstigt. Giftige Gegenstöße und viel Mut trieben den FCK zu einer der bis dato stärksten Angriffs-Leistungen der Saison, doch die fehlende defensive Zuordnung kostete die Belohnung: Der alles überragende Philipp Hosiner bereitete das 1:1 und 3:3 vor, schoss die Führungstore zum 2:1 und das entscheidende 4:3 selbst. Eine glatte Eins, urteilte der "Kicker" – wir würden noch ein kleines Sternchen dahinter hinzufügen.
60 Minuten lang sah es im April nach einem wenig spektakulären Unentschieden aus, weitere gut 30 Zeigerumdrehungen danach, als würde die triste HFC-Serie von nur einem Punkt aus fünf Spielen noch eine weitere Woche Bestand haben – und Ex-Trainer Florian Schnorrenberg, der schon damals, einen schweren Stand hatte, noch mehr unter Beschuss geraten. Doch ihr kennt die Plattitüden: Ein Spiel dauert, bis der Schiri abpfeift. Das nahm sich Halle zu Herzen, und wie! Erst feuerte der längst aufgerückte Verteidiger Stipe Vucur den Ball in der 89. Minute unter die Latte, dann vollendete Torjäger Terrence Boyd eine Mischung aus weitem Ball und schneller Kombination zum 2:1. Wie einst Manchester United gegen den FC Bayern klaute der HFC dem KFC drei Punkte, machte einen großen Schritt zum vorzeitigen Ligaverbleib – und rettete Schnorrenberg damals den Job.
Machen wir keine zu große Geschichte daraus: Havelse gegen Kaiserslautern war eines der einseitigsten Duelle der Drittliga-Geschichte, schon zur Pause stand es 4:0 für die Gäste. Die brannten nun auch kein Feuerwerk in den Hannoveraner Rasen, nutzten aber jede Lücke des überforderten Liganeulings erbarmungslos aus. Als nach 56 Minuten Daniel Hanslik per Doppelpack bereits das halbe Dutzend vollendet hatte, kramten die Statistiker bereits nach den Drittliga-Rekorden vom SV Wehen Wiesbaden (7:0 bei Fortuna Köln) und Saarbrücken (7:0 bei Carl Zeiss Jena). Doch Lautern ließ es gemächlicher angehen und begnügte sich mit dem 6:0 – dem Start einer starken Aufholjagd im Herbst.
Es sollte nicht die einzige Partie bleiben, die im Oktober mit einem Kantersieg endete. Denn vier Wochen nach dem Ausrufezeichen des FCK schickten sich die Münchner Löwen in ganz ähnlicher Ausgangslage an, den bis dato schwierigen Saisonstart hinter sich zu lassen. Und wieder war es ein Aufsteiger, der den Frust des Favoriten ausbaden musste. Spieler des Tages war Stefan Lex, der zwei Tore sowie eine Vorlage beisteuerte. Ihm folgte, und das heute eine interessante Randnotiz, ein gewisser Sascha Mölders, um den es später riesigen Ärger gab. Der erzielte vier Wochen vor seinem Rauswurf das 2:0 und damit sein vorletztes Tor im Löwen-Trikot.
Wenn zwei Mannschaften mit Mut und einer guten Spielphilosophie aufeinandertreffen, darf man sich darauf auch als Neutraler freuen. Das Duell zwischen dem Waldhof und dem VfL war so eines, und es hielt, was es versprach: Erst übernahm Osnabrück die Kontrolle, ging durch Lukas Kunze sehenswert in Führung. Dann ackerte sich der SVW mit Spielglück und dank Dominik Martinovic sogar noch zur Pausenführung (36./44.). Auf den Simakala-Ausgleich (65.) folgte der Waldhöfer Sturmlauf, den Martinovic mit seinem zweiten Elfmetertor des Tages zum 3:2 krönte. Doch eine letzte Wendung hatte dieser verrückte Tag noch – ein Eigentor von Kapitän Marcel Seegert bescherte Osnabrück den verdienten Punkt.
Dieses Spiel zweier ganz kleiner Drittligisten, zu allem Überfluss auch noch terminiert auf den ungeliebten Montagabend, war auf dem Papier nur etwas für Hartgesottene, letztlich trudelten 1.159 zahlende Zuschauer im Jahnsportpark ein. Und die durften sich über ein munteres, kurzweiliges Spiel freuen, wenn auch die Berliner das Aufsteigerduell verloren. 1:0, 2:1, 3:2 – drei Führungen genügten nicht gegen einen TSV in außergewöhnlicher Form: effizient vor dem gegnerischen Tor, spielfreudig wie selten, sicherlich am oberen Limit dessen, was in der 3. Liga für ihn möglich ist. Das Ergebnis: mehrere Aufholjagden und ein 4:3-Sieg, der im Gedächtnis bleibt, selbst wenn die Saison vielleicht mit dem direkten Wiederabstieg endet.
Montagsspiele mit Havelse machen Laune – das bestätigte sich drei Wochen darauf auch beim Duell mit dem Sportclub Verl in Lotte. Die Vorzeichen waren ganz ähnlich wie zuvor in Berlin, dieses Mal schauten gar nur 576 Fans zu. Aber was bekamen sie zu sehen! Havelses 1:0-Führung nach zehn Minuten war elf Zeigerumdrehungen später in ein 3:1 aus Verler Sicht gedreht, dreimal hatte der überragende Dribbler Kasim Rabihic seinen Teamkollegen die Tore aufgelegt. Havelse verkürzte zweimal auf 3:2 und 4:3, erst auf den fünften Verler Streich von Julian Schwermann hatte der tapfer kämpfende, aber defensiv zu anfällige Aufsteiger dann keine Antwort mehr parat. Der Vorbereiter des Endstands? Kasim Rabihic, natürlich.
Ein 0:0 schafft es auch nicht alle Jahre in unsere Rangliste. Dieses Südwestderby zwischen Kaiserslautern und Waldhof Mannheim aber hat es verdient, auch wenn das Geschehen auf dem Rasen des Fritz-Walter-Stadions gerade in der ersten Halbzeit nicht viel mit Fußball zu tun hatte. Schiedsrichter Florian Heft war die Partie entglitten, auch die Akteure auf wie neben dem Rasen benahmen sich munter daneben. Während der SVW zumeist Verwarnungen sammelte und nur Ex-Sportchef Jochen Kientz die Rote Karte sah, gingen auf Lautrer Seite Kenny Redondo und Marvin Senger schon vor der Pause duschen. Eine vermeintlich leichte Aufgabe für den Waldhof? Überhaupt nicht: Mannheim biss sich an der 4-4-0-Formation des FCK die Zähne aus, kam kaum zu Chancen und blieb torlos. So gingen tatsächlich die dezimierten Roten Teufel als moralischer Sieger aus diesem hitzigen und denkwürdigen Derby hervor.
Abende wie diese sind es, an die sich Löwen-Fans an den Weihnachtstagen gerne erinnert haben. In Bayern müssen Fußballspiele schon seit längerer Zeit ohne Zuschauer stattfinden – Ende Oktober, vor den Corona-Varianten Delta und Omikron, war die Lage noch ganz anders. Die meisten der 15.000 Fans im ausverkauften Grünwalder Stadion feierten die Löwen für eine absolute Willensleistung, die gegen Zweitliga-Topteam Schalke zum Überwintern im DFB-Pokal führte. Stefan Lex hatte nach fünf Minuten die Führung erzielt, danach hatte Sechzig erbarmungslos aufs Gaspedal gedrückt und gute Chancen auf weitere Tore. Das Publikum war mitgerissen, auch als Schalke trotz der Unterzahl nach Roter Karte gegen Thiaw noch starke Möglichkeiten hatte. Marco Hiller zwischen den Pfosten war aber eine Bank und rundete diesen wunderbaren Pokalabend ab.
Bremer Brücke? Pokal? Dieser Mix hat in der Vergangenheit so manches Mal funktioniert. Anfang August waren die Bedingungen ausgezeichnet, Osnabrück kam mit dem Schwung eines 2:1-Siegs in Saarbrücken. Und ließen das den Bundesliga-Absteiger aus dem Norden auch spüren: Kämpferisch war der VfL von Trainer Daniel Scherning top eingestellt, und was aus dem Spiel heraus nicht funktionierte, brachten die gefährlichen Standards: Maurice Trapp köpfte das 1:0 kurz vor dem Pausenpfiff. Danach prüfte Bremen ein ums andere Mal die Standhaftigkeit des Osnabrücker Aluminiums, ehe Sven Köhler in der 96. (!) Minute von der Mittellinie (!) aus den 2:0-Endstand erzielte. Ein Coup für Lila-Weiß, ein schlimmer Tag für Werder-Trainer Markus Anfang – aber zumindest für ihn war dies sicherlich nicht die dunkelste Stunde dieses Jahres.
Ein Highlight mit Beteiligung vom Sommer-Aufsteiger Rostock haben wir auch in petto: Beim 3:2 über Verl gesellte sich zum damals obligatorischen Last-Minute-Glücksgefühl auch noch eine sehr bemerkenswerte Aufholjagd. Verl nutzte einen frühen Strafstoß zur Führung, kombinierte sich stark zum zweiten Tor kurz vor der Pause. Diese Stiche taten weh! Doch Hansas besondere Nehmerqualität kam auch hier zum Tragen: Schon nach einer Stunde stand es 2:2 statt 0:2. Und als alles auf ein Unentschieden hindeutete, kam einmal mehr Philip Türpitz, dieses Mal mit einem wuchtigen Distanzschuss. Hansa, die Scharfschützen der Nachspielzeit – im Frühjahr 2021 war das fast schon die Regel, und später führte es bis zum Aufstieg.
Duisburg gegen Ingolstadt, das bedeutete im Mai einen so gerade geretteten MSV gegen einen FCI mitten im Aufstiegsrennen. Doch die Schanzer schienen zu stolpern, nach zehn Minuten führte Duisburg: Rechtsverteidiger Maximilian Sauer brachte die Meidericher in Front, es war sein erstes Tor im Profifußball seit mehr als fünf Jahren. Ingolstadt gelang nichts, bis der scheidende Aufstiegstrainer Tomas Oral zu einem besonderen Mittel griff und zur Pause dreimal wechselte. Eins, zwei, drei, vier, fünfmal schepperte es im Tor der auseinanderfallenden Gastgeber – Ingolstadt ging erhobenen Hauptes von der Wedau und nahm den Schwung mit, um sich im Entscheidungsspiel um Platz 3 auch gegen 1860 München noch souverän durchzusetzen.
Fünf Tore hätte der SC Verl problemlos auch bei einem wilden und in der Verteidigung sehr schläfrigen Halleschen FC im August erzielen können – dass er es nicht tat und beste Chancen versäumte, wurde ihm tatsächlich noch zum Verhängnis. Doch der Reihe nach: Schon die Startphase dieses Acht-Tore-Wahnsinns war großartig. Michael Eberweins erstes von drei Toren konterte Verl binnen zwei Minuten, nach 20 Minuten stand es 2:1. Klingt alles ähnlich wie bei Platz 11 unserer Rangliste? Es kommt noch besser: Wieder legte dieser Kasim Rabihic beide SCV-Tore auf. Eberwein konterte zum 2:2, Ron Berlinski schnürte seinen Doppelpack zum 3:2 – Pause, durchatmen. Als Verl auf zwei Tore davonzog, wackelte Halle schließlich gehörig, es lag ein Debakel in der Luft. Doch was dem HFC später im Jahr an Moral abging, davon hatte er an diesem Freitagabend reichlich. 3:4 Derstroff in der 75., 4:4 Eberwein in der 87. Minute, erst dann fiel der Vorhang. Was für ein Spiel.
Anfang Februar sah die Tabelle der 3. Liga im Aufstiegsrennen kaum anders aus als Mitte Mai: Dynamo Dresden, der FC Ingolstadt, 1860 München und Hansa Rostock duellierten sich an der Spitze, Ingolstadt aber blieb den Nachweis von Offensivpower damals meist schuldig. Abstiegskandidat Viktoria Köln schien das auszunutzen, führte durch Timmy Thiele im Audi-Sportpark lange mit 1:0. Es lief die 93. Minute, als das Spiel verrückte Züge annahm: Fabijan Buntic, Keeper des FCI, knallte eine Ablage nach einer Ecke mit dem linken Fuß per Dropkick ins lange Eck – kolossaler Jubel. Doch damit nicht genug: 60 Sekunden später schob Caniggia Elva tatsächlich noch zum 2:1 ein gegen geschockte Kölner. Was für ein spektakuläres Finale!