Die Enttäuschung der Hinrunde: Alemannia Aachen
Kein Verein aus der 3. Liga hat in den vergangenen Monaten so ausführlich in der medialen Berichterstattung gestanden, wie Alemannia Aachen. Leider in negativer Hinsicht, denn die finanziellen Probleme beim Zweitliga-Absteiger haben sich letztlich auch auf die sportliche Leistungsfähigkeit der Spieler ausgewirkt. Der drittletzte Tabellenplatz vor der Winterpause würde sportlich den Abstieg in die viertklassige Regionalliga West bedeuten.
Stadionneubau als Millionengrab
Letztlich ist es der Stadionneubau des Tivoli-Stadion gewesen, der die Verbindlichkeiten für den langjährigen Zweitligisten hat steigen lassen. Wegen einer Liquiditätslücke in Höhe von 4,5 Millionen Euro musste der Traditionsverein aus dem Dreiländereck nun einen Insolvenzantrag im November stellen, der einen ganzen Verein in eine tiefe Depression gestürzt hat. Auch die Verantwortlichen des Europacup-Teilnehmers aus der Saison 2004/05 sind von der neuen Situation ein wenig schockiert und machen dies im Gespräch mit der „Sportschau“ auch deutlich: „Das ist der schwärzeste Tag in der Vereinsgeschichte. Mit diesem Desaster hätte keiner gerechnet“, so lautete die Aussage von Alemannias Aufsichtsratschef Meino Heyen, der vor allem das neue Stadion als Millionengrab erkannt hat.
„Insolvenzantrag ist unvermeidlich“
Auch der Restruktierungsbeauftragte Michael Mönig versuchte die überaus schwierige Entscheidung zu begründen: „Der Fehlbetrag würde jeden Monat deutlich mehr werden. Daher ist der Insolvenzantrag unvermeidlich.“ Immerhin findet der populäre Verein auch in Wirtschaft und Bevölkerung Unterstützung, wie Mönig bestätigen kann: „Ich habe bereits erste Signale von potenziellen Geldgebern erhalten, die sowohl den Geschäftsbetrieb im vorläufigen Insolvenzverfahren für die laufende Saison als auch den Neuanfang in der Regionalliga in der Saison 2013/14 unterstützen würden.“ Das klare Ziel hat der Verein auch schon geplant, wie er in einer offiziellen Pressemitteilung kundgetan hat: „Ziel ist es, gemäß Insolvenzordnung und DFB-Statuten den Spielbetrieb bis Juni 2013 zu gewährleisten, den Verein über ein Insolvenzplanverfahren zu sanieren und dann befreit in der Regionalliga neu zu starten.“
Traum Bundesliga, Realität 3. Liga
Das Stadion war zu überdimensioniert, auf Bundesligafußball ausgerichtet, der ehemalige Tivoli war alt, aber charmant, die Atmosphäre war für mehrere Punkte pro Saison gut, sodass dieser Vorteil weggefallen ist. Der in knallgelb gehaltene Neue Tivoli war letztlich das entscheidende Faktum für den wirtschaftlichen und folglich auch sportlichen Schaden, den der Verein seit mehreren Jahren genommen hat, vom schlechter werdenden Image ganz zu schweigen. Da Alemannia mehrere Jahre im biederen Mittelfeld der Zweitklassigkeit spielte und im Sommer 2012 sogar den bitteren Abstieg in die Drittklassigkeit antreten musste, konnten die anfallenden Zinsen nicht ausreichend bedient werden. Die fest einkalkulierten Einnahmen waren nicht existent. Dies muss auch Heyen ehrlich einräumen: „Wir sind in der dritten Liga nicht angekommen. Die Kosten waren zu hoch.“
Starker Kader, schwache Spieler
Sportlich war der direkte Wiederaufstieg vor der Spielzeit 2012/13 das erklärte Ziel, weshalb der Kader auch dementsprechend hochkarätig besetzt worden ist. Spieler wie Sascha Rösler, Albert Streit oder auch Aimen Demai verkörpern gehobenes Zweitliganiveau und hätten bei voller Ausschöpfung ihrer Leistungsfähigkeit die TSV Alemannia durchaus in Richtung Aufstiegskampf führen können. Allerdings sorgten grobe individuelle Fehler in der Defensive und Unkonzentriertheiten im Torabschluss dafür, dass spielerisch ansehnlich geführte Partien verloren gegangen sind. Kombinationsstark konnten die „Kartoffelkäfer“ sich zeitweise präsentieren. Allerdings fehlten die notwendige Entschlossenheit und die Effizienz. Durch die Problematik der drohenden Insolvenz wirkten einige Kicker auch nicht richtig befreit und demonstrierten auf dem Platz nicht das notwendige Selbstvertrauen.
Exodus von Spielern in der Winterpause
Somit steht das Team von Trainer Rene van Eck, der nach dem miesen Saisonstart Ralf Aussem abgelöst hat, mit einem Torverhältnis von 20:30 und 19 Punkten auf dem 18. Tabellenplatz. Viele Spieler werden den Verein verlassen, um bei einem sportlich ambitionierten Team unterzukommen. Manager Uwe Scherr möchte bei den Spielern nun rund eine Million Euro einsparen und versucht auch im gesamten Verein den Rotstift anzusetzen. In den verbleibenden 18 Saisonspielen werden talentierte Kicker aus der Reserve und Leihspieler eingesetzt, die ein Mitwirken als echte Bewährungschance ansehen.
Letztlich muss festgehalten werden, dass bei den Verantwortungsträgern der Alemannia der Realismus für die Wirklichkeit nicht existent gewesen ist. Es wurde mit Geldern geplant, die nicht als Einnahmen verbucht werden konnten. Viel war auf dem Prinzip Hoffnung aufgebaut. Durch den fehlenden sportlichen Erfolg konnten die enormen Ausgaben jedoch nicht decken, sodass es zu einem finanziellen Crash gekommen ist, der erst einmal verarbeitet werden muss.
FOTO: Lennart Ebersbach