Die Gewinner und Verlierer der Drittliga-Saison 2019/20

Wir können uns festlegen: Hinter uns liegt die merkwürdigste Saison, die wir in der 3. Liga bisher erleben durften. Und doch hat sie Gewinner und Verlierer hervorgebracht wie jede andere Spielzeit auch – manche bedingt durch das Coronavirus, andere bedingt durch eigenes Versagen. Wir listen auf, wer sich in dieser Saison beachtlich präsentiert hat und wer nicht.

Gewinner

Die 3. Liga

Unser erster Gewinner ist: die 3. Liga. Die Liga? Ja, die Liga! Wer unsere Spielklasse seit Jahren verfolgt, der mag sich irgendwann in sie vergucken, auch wenn ihr die großen Stars fehlen, die feinen Spielzüge eher eine Seltenheit sind und manche Flanke hinter dem Tor landet. Das ist uns doch wurscht! Wo in der Bundesliga wieder einmal frühzeitig der Serienmeister seiner Sammlung einen weiteren Titel hinzufügte und im großen Finale einzig die Abstiegsfrage spannend war, da kämpften noch drei Viertel unserer Liga um die Platzierungen.

Was war das wieder einmal für ein beeindruckendes Saisonfinale. Mit einem Ergebnis, das verrückt klingt und uns doch nicht überrascht: Die Aufsteiger Braunschweig und Würzburg belegten vor der Corona-Pause, sprich nach dem 27. Spieltag, noch die Plätze 9 und 10. Duisburg, Mannheim und Meppen stürzten dagegen noch ab, wer hätte das so erwartet? Im Abstiegskampf war es bis zur Nachspielzeit des letzten Spieltags ähnlich turbulent. Letztlich fehlten Chemnitz mickrige zwei Tore zum Klassenerhalt. Damit aber sortiert sich dieser Tag lediglich auf Rang drei der knappsten Entscheidungen aller Zeiten ein – so verrückt ist die 3. Liga. 

Bayern II

Man muss die Bayern nicht mögen. Doch was das Team von Trainer Sebastian Hoeneß in dieser Saison geleistet hat, verdient Anerkennung – auch, wenn der Marktwert der Mannschaft deutlich über dem der Konkurrenten lag. Allein die Zahlen der Rückrunde lesen sich beeindruckend: 19 Spiele, 13 Siege, nur zwei Niederlagen, 42 Tore und 43 Punkte. Die Bayern spielten damit die zweitbeste Rückrunde der Drittliga-Historie und krönten sich am Ende zurecht zum Meister. Damit holte erstmals eine U23-Mannschaft den Titel, zudem sind die Bayern-Amateure der erste Aufsteiger, der am Ende ganz oben stand. Was den Meistertitel noch eindrucksvoller macht, ist die Tatsache, dass der FCB zum Ende der Hinrunde gerade mal 22 Punkte auf dem Konto hatte und den 15. Tabellenplatz belegte. 

Würzburger Kickers

Ein Punkt aus den letzten beiden Spielen reichte den Würzburger Kickers zum Aufstieg, doch fast hätten die Kickers diese Ausgangslage verspielt. Nach der 1:5-Klatsche bei Viktoria Köln geriet der FWK im letzten Saisonspiel auch gegen den Halleschen FC im Hintertreffen. Doch dann gab es in der Nachspielzeit einen Elfmeter, den Sebastian Schuppan eiskalt verwandelte. Der Rest war ein nicht enden wollender Jubel. Dabei sah es gerade zu Saisonbeginn nicht danach aus, als würden die Kickers in dieser Saison die Zweitliga-Rückkehr schaffen: Nach dem 7. Spieltag belegte Würzburg Rang 18 und war mit 21 Gegentoren die Schießbude der Liga. Die Wende kam im Winter, als Felix Magath als Sportchef von Hauptsponsor "Flyeralarm" vorgestellt wurde und im Hintergrund die Fäden zog. Mit 38 Punkten aus 19 Spielen in der Rückrunde schoben sich die Kickers immer weiter oben ran – und stiegen am Ende in letzter Sekunde direkt auf. Und das, obwohl Würzburg während der gesamten Saison nur an sechs Spieltagen einen der Top3-Plätze belegte – allerdings genau zum richtigen Zeitpunkt. Hut ab, Michael Schiele!

Die Oldie-Stürmer

Wir haben es zuletzt schon aufgeführt: Neben Top-Torjäger Kwasi Okyere Wriedt stach mit Albert Bunjaku, Mike Wunderlich, Sascha Mölders und Moritz Stoppelkamp ein "Oldie"-Quartett besonders hervor. Dass die genannten Spieler allesamt schon über 30 Jahre alt sind, merkte man ihnen zu keinem Zeitpunkt an – im Gegenteil: Bunjaku verbuchte 20 Tore und zwei Vorlagen, Wunderlich sammelte starke 28 Scorerpunkte und Mölders brachte es sogar auf 15 Tore und 15 Vorlagen. Und auch Moritz Stoppelkamp hat seine Klasse angesichts von 25 Scorerpunkten einmal mehr unter Beweis gestellt.

 

Verlierer

Die Fans

Wenn man in ein paar Jahren auf diese außergewöhnliche Saison zurückblickt, wird man sich mit Schrecken daran erinnern, dass an den letzten elf Spieltagen keine Fans in die Stadien durften. Jahrelang stellten Geisterspiele die härteste Strafe für Fan-Vergehen da, ausgerechnet in der heißen Saisonphase waren sie plötzlich normal. Ein Zustand, den niemand gewollt hat. Und dennoch waren sie die einzige Möglichkeit, um die Saison unter den gegebenen Umständen irgendwie zu einem sportlichen Ende zu bringen. Wie sehr die Zuschauer fehlten, zeigte sich vor allem im Saisonfinale. Wie ekstatisch wäre der Jubel der FWK-Fans gewesen, als Schuppan die Würzburger Kickers in letzter Minute vom Punkt in die 2. Bundesliga schoss? Oder als Braunschweig auf der Video-Leinwand den Aufstieg klarmachte? Auch den Absteigern fehlten die Fans – vielleicht hätten sie noch etwas mehr aus der Mannschaft herauskitzeln können. Gleichzeitig muss den Fans auch ein Lob ausgesprochen werden: Es gab die Befürchtungen, dass massenhafte Versammlungen vor den Stadien den ambitionierten Plan, die Saison irgendwie im Powermodus zum Ende zu bringen, gefährden könnten – ganz abgesehen von der Infektionsgefahr, die von solchen Ereignissen für die gesamte Bevölkerung ausgeht. Doch fast alle von euch haben sich an die Bitten eurer Klubs gehalten.

Kaiserslautern, Uerdingen, Ingolstadt

Die zwei Traditionsvereine belegten einen Mittelfeldplatz, der dem Potenzial des Kaders in beiden Fällen nicht annähernd gerecht geworden ist. Lautern stürzte schon in der Hinrunde ab, die Probleme waren längst nicht nur sportlicher Natur. In der Vereinsspitze arbeiteten verschiedene Fronten gegeneinander, vieles drang an die Öffentlichkeit, der FCK wirkte und wirkt alles andere als seriös geführt. Der Antrag auf Insolvenz legte die finanziellen Probleme einmal mehr offen, die Roten Teufel benötigen dringend frisches Geld. 

Große Ziele, welch treffende Überleitung. Beim KFC Uerdingen sollte die 3. Liga eigentlich nur eine Durchgangsstation sein, doch diese Spielzeit geriet fast noch frustrierender als die zuvor. Tabellenplatz 13 ist maximaler Durchschnitt, dazu waren die spielerischen Vorstellungen oft unbefriedigend, weil offensiv harmlos. Außenstehende fragen sich: Wie viel Geduld hat Investor Mikhail Ponomarev mit seinem deutschen Fußballprojekt noch? Klar scheint, dass ein erheblicher Strategiewechsel notwendig ist, damit der Aufstieg irgendwann zum realistischen Ziel wird.

Ganz nah dran am Aufstieg war der FC Ingolstadt, doch am Ende fehlten Sekunden. Erst schoss Würzburg am letzten Drittliga-Spielzeit in letzter Minute das 2:2, dann traf der 1. FC Nürnberg im Rückspiel der Relegation in der sechsten Minute der Nachspielzeit zum 1:3 und entriss den Schanzern damit auf überaus dramatische Weise den Aufstieg. Bitter zudem: Wie schon in der letztjährigen Relegation scheiterten die Ingolstädter an der Auswärtstorregel.

Die Vereinskonten

Wo in den Bundesligen zumindest noch eine hübsche Summe TV-Geld verdient werden konnte, standen die Drittligisten im Endspurt ohne Zuschauereinnahmen ziemlich bedröppelt dar. Kurzarbeit war das Mittel der Wahl, um während der Corona-Zwangspause zu sparen. Davon aber kann künftig kaum Gebrauch gemacht werden, denn auch die neue Spielzeit wird angesichts des späten Starttermins im Eiltempo durchgeführt werden müssen. Gerade den "Big Players", ob Kaiserslautern, Magdeburg, Duisburg oder bald Dresden, fehlten ohne Zuschauer pro Heimspiel gewichtige sechsstellige Summen. Sollte die Infektionslage künftig zunächst keine oder nur wenige Besucher zulassen, und darauf deutet einiges hin, erwartet die chronisch auf Kante genähten Drittligisten nochmals ein erheblicher Sparkurs. Es wird ein Drahtseilakt für alle Beteiligten.

Der Fußball-Osten

Für die Klubs aus den östlichen Bundesländern verlief die Saison so schwach wie selten eine zuvor. Sechs Mannschaften waren angetreten, zwei stiegen ab, drei weitere schafften den Klassenerhalt mit viel Mühe. Nur Hansa Rostock durfte mit seiner Saison zufrieden sein und hätte mit etwas Geschick und Glück doch mehr erreichen können als den sechsten Tabellenplatz.

Chaos regierte derweil bei fast allen anderen Vereinen. Carl Zeiss Jena verschliss zwei Trainer und war nach einem Saisondrittel schon designierter Absteiger – ein kolossaler Fehlstart machte jegliche Hoffnungen zunichte. In Chemnitz litt der Ruf unter einer heiklen politischen Debatte um Spieler Daniel Frahn, dazu schwelte stets der Konflikt mit Insolvenzverwalter Klaus Siemon. Letztlich stieg der CFC ab. Magdeburg und Halle hatten vor der Saison durchaus Ambitionen, oben mitzuspielen, aber rutschten in eine Negativspirale und wurden jeweils erst durch den dritten Trainer binnen kurzer Zeit vor dem Absturz in die Regionalliga bewahrt. Zwickau schließlich schnitt deutlich schlechter ab als in den Vorjahren, aber erreichte mit dem Klassenerhalt eine angesichts des kleinen Etats respektable Leistung. Hinzukam der Zweitliga-Abstieg von Dynamo Dresden und verpasste Drittliga-Aufstieg von Lok Leipzig.

   

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