Die Verletzungen und der Fußball im Geburtsland Polen
Sie wurden im gleichen Jahr vom Deutschen Fußball-Bund auch als Nachwuchsspieler des Jahres ausgezeichnet. Danach hatten Sie jedoch großes Verletzungspech und zogen sich 2005, 2012 und 2013 insgesamt drei Kreuzbandrisse zu. Wie haben Sie es geschafft, trotz dieser Rückschläge nicht aufzugeben?
Für mich war es sehr schwer, das muss ich zugeben. Nach meinem dritten Kreuzbandriss habe ich natürlich auch schon daran gedacht, mit dem Profisport aufzuhören. Ich habe mir dann auch eine dreimonatige Auszeit genommen, in der ich über alles nachgedacht habe. Aber im Endeffekt lebe ich für den Fußball und meine Familie hat mich da sehr gut unterstützt. Für mich war es fast das wichtigste Ziel, dass mich mein Sohn wieder im Stadion spielen sehen kann – das wollte ich unbedingt. Das hat mir dann die Kraft gegeben. Wir sind eine fußballverrückte Familie, meine Frau habe ich auf dem Platz kennengelernt, sie hat selber auch gespielt. Meine Brüder spielen alle, mein Vater hat mich immer trainiert. Deshalb kam ein Karriereende nicht so richtig in Frage. Wenn es dann soweit ist, muss man es auch akzeptieren – das würde ich auch. Aber irgendwann habe ich den Spaß wiedergefunden und so lange alles passt, mache ich auch weiter. Es waren schon sehr schwierige Jahre und ohne die Unterstützung meiner Familie wäre das so nie möglich gewesen.
Was für Lehren zieht man als junger Spieler aus solchen Situationen? Hört man bei gewissen Anzeichen auch eher auf seinen Körper und setzt mal mit dem Training aus, statt wieder eine Verletzung zu riskieren?
Absolut! In solchen Phasen lernt man seinen Körper ganz neu kennen. Ich weiß jetzt auch, worauf ich achten muss. Ich muss auch vor und nach dem Training viel für meinen Körper machen, um verletzungsvorbeugend zu arbeiten. Diese Zeit hat mich auch menschlich weitergebracht. Aus allem Negativen kann auch etwas Positives mitnehmen, das habe ich aus den Verletzungen mitgenommen. Wenn ich jetzt merke, dass es zu viel werden könnte, mache ich auch mal ein oder zwei Tage Pause. Da habe ich auch die volle Unterstützung vom Trainer. So wie es ist passt es und es muss auch nichts mehr dazukommen. (lacht)
Sie meinten eben, dass man auch positive Sachen mitnimmt. Welche meinen Sie?
Fußball ist nicht alles! Ich hatte auch andere Schicksalsschläge in der Familie, wo ich mir dann sage, es sind nur die Knie, ich kann immer noch laufen und verliere nichts an Lebensqualität. Ich hatte auch schlechte Phasen, in denen ich mit niemandem reden wollte, aber letztlich muss man sich denken, dass es im Leben weitergeht. Es gibt Schlimmeres und Fußball ist nicht alles. Als ich mit 17 meinen ersten Kreuzbandriss hatte, gab es nichts Schlimmeres für mich. Da war nur Fußball, Fußball, Fußball angesagt. Mit der Zeit habe ich aber gelernt, dass es im Leben auch andere Sachen gibt. Ich denke trotzdem, dass es für mich eine wichtige Erfahrung war, die ich auch an andere Spieler weitergeben kann.
Sie waren bis zur U20 Nationalspieler im Dress des DFB, spielten jedoch ab der U21 für Polen. Was war der Grund dafür, dass Sie sich 2010 dafür entschieden, für Ihr Geburtsland aufzulaufen?
Ich kann die Sprache und fühle mich in Polen auch sehr heimisch. Auch große Teile meiner Familie leben noch dort. Vorher kam auch nie die Anfrage von der polnischen Nationalmannschaft. Der Verband sah mich als Deutschen an und damit war für mich klar, das Trikot des DFB zu tragen. Irgendwann hat es sich im polnischen Verband so entwickelt, dass auch bei deutschen Spielern angefragt wurde. Und man muss auch realistisch sein: Für mich war die Chance in Polen auf Länderspiele viel größer. Deshalb war klar, wenn ich die Möglichkeit bekomme, will ich diese auch nutzen. Ich bin auch froh und stolz, dass ich das gemacht habe, weil ich auch so den Bezug zu meinem Land nicht verliere. Es war aber eine sehr schöne Zeit, mit Deutschland an der U19-EM 2009 teilzunehmen.
Wem drücken Sie die Daumen, wenn Polen am 11. Oktober die deutsche Nationalmannschaft in der Europameisterschafts-Qualifikation empfängt?
Ich bin da ganz neutral. Da sich jetzt mehr Mannschaften qualifizieren können, haben wir Polen auch eine große Chance. Sonst würde ich Polen die Daumen drücken, da sie die Punkte brauchen und Deutschland es eh immer schafft. Aber jetzt gehe ich davon aus, dass es beide schaffen werden. Daher wünsche ich mir zwei Unentschieden – das würde ich unterschreiben.
Verfolgen Sie auch das Fußballgeschehen in den polnischen Ligen und in der Nationalmannschaft?
Ich verfolge das grundsätzlich. Ich hatte in den letzten Jahren auch einige Angebote aus Polen und hatte auch überlegt, diese Herausforderung anzunehmen, habe es wegen der Familie aber nicht gemacht. Da ich sehr fußballbegeistert bin, verfolge ich auch den Fußball in Polen sehr aktiv. Durch die Europameisterschaft in Polen und der Ukraine ist auch ein Fußball-Boom ausgebrochen. Gerade auch durch die Dortmunder Spieler Lewandowski, Blaszczykowski und Piszczek, die ich auch kennenlernen durfte, hat sich der Fußball in Polen sehr weiterentwickelt. Deswegen bin ich auch optimistisch, dass es jetzt so weitergeht. Es ist eine gute Liga und es macht Spaß, dort zuzuschauen.
Also wäre ein Wechsel nach Polen auch irgendwann denkbar?
Ich sage niemals nie. (lacht) Es würde mich auf jeden Fall reizen, aber ich will jetzt gesund bleiben und noch ein paar Jahre hier spielen.
Sie müssen ja ab 2016 eh erst einmal mit Erfurt in der zweiten Liga spielen.
(lacht) Ja, das wäre natürlich schön.
Bereits am Samstag geht es weiter, im Steigerwaldstadion ist die zweite Mannschaft des FSV Mainz 05 zu Gast, die ihr Spiel gegen Münster mit 4:0 gewonnen hat. Das Selbstvertrauen des Gegners wird groß sein. Was erwarten Sie für ein Spiel? Wird es wie zuletzt auf die Geduld der Mannschaft ankommen?
Auf jeden Fall. Die werden jetzt mit breiter Brust kommen, das ist klar. Aber wir wollen zu Hause gewinnen, das ist selbstverständlich. Wir werden so spielen, wie die letzten Mal auch – versuchen, die Null zu halten und unsere Tore dann machen. Mainz hat jetzt 4:0 gewonnen, das war für die jetzt auch ein wichtiger Sieg. Doch wir wollen oben mitspielen und auch gewinnen – das ist Priorität Nummer eins. Es wird auf jeden Fall ein schwieriges Spiel und ein harter Brocken. Aber ich bin guter Dinge, dass wir zu Hause unter Druck gewinnen können.
Vielen Dank für das Interview und alles Gute für die Zukunft!
FOTO: Sven Wundrig