"Katastrophe für die 3. Liga": Dynamo-Sportchef schlägt Alarm

Obwohl die Drittligisten in der vergangenen Saison einen Rekorderlös von durchschnittlich 10,8 Millionen Euro verbuchten, machten sie im Schnitt 1,6 Millionen Euro Verlust – ebenfalls Rekord. Eine Entwicklung, die durchaus nachdenklich stimmt. Im "Kicker" schlägt Ralf Becker, Sport-Geschäftsführer von Dynamo Dresden, nun Alarm und übt Kritik an der Finanzplanung einiger Klubs.

Investoren-Projekte als Ursache?

235,6 Millionen Euro! Diese Summe gaben die Drittligisten (ohne Bayern II) in der vergangenen Saison aus – und damit so viel wie noch nie in der Geschichte der 3. Liga. Im Schnitt lagen die Ausgaben der Klubs bei 12,4 Millionen Euro – ein Anstieg von 3,7 Millionen Euro im Vergleich zur Saison 2016/17. Ein Grund: "Die Gehälter in der 3. Liga sind im Vergleich zu meiner Zeit in Kiel (2016-2018, d. Red.) extrem nach oben geschossen", so Becker. Die Zahlen belegen das: Gaben die Klubs in der Saison 2016/17 im Schnitt 3,27 Millionen Euro für ihr Personal aus, waren es in der zurückliegenden Spielzeit 4,24 Millionen – ein Anstieg um 29,6 Prozent. Dass die durchschnittlichen Erträge in diesem Zeitraum allerdings nur um 24,1 Prozent gewachsen sind, verdeutlicht einen überproportionalen Anstieg der Löhne.

Eine durchaus bedenkliche Entwicklung, die Becker "in erster Linie auf die Projekte mit Investoren wie bei Türkgücü oder in Uerdingen" zurückführt. Dabei gehe es dem 50-Jährigen "gar nicht" um eine generelle Ablehnung von Investoren-Modellen, sondern um die Art der Umsetzung: "Ob man die Modelle mag oder nicht, Hopp oder Mateschitz haben in Hoffenheim und Leipzig bewiesen, dass sich mit externen Aufwendungen Nachhaltigkeit erzeugen lässt." Bei Uerdingen und Türkgücü sieht Becker das derzeit nicht: "Einerseits werden die Gehälter massiv nach oben getrieben (Kevin Großkreutz soll beim KFC einst über 50.000 Euro im Monat verdient haben, d. Red.), andererseits steht immer wieder im Raum, dass der Investor die Lust verliert." Kurz vor Weihnachten hatte Hasan Kivran seinen Ausstieg bei Türkgücü angekündigt, blieb dann aber doch. Und auch beim KFC war nach dem angekündigten Rückzug von Investor Mikhail Ponomarev wochenlang unklar, ob die Saison zu Ende gespielt werden kann. Selbst jetzt gibt es noch keine endgültige Sicherheit.

Von Profibedingungen sind beide Klubs ebenfalls weit entfernt, vor allem im Hinblick auf die Trainingsmöglichkeiten: Während Türkgücü auf einer Betriebssportanlage trainiert, konnte sich der KFC zuletzt nichtmal auf Rasen vorbereiten. Zudem war bekannt geworden, dass die Spieler ihr Wasser selber zahlen mussten. Dass so ein Konstrukt wie beim KFC möglich geworden sei, "schadet uns allen", sagt Becker. "Ich empfinde das als Katastrophe – für die 3. Liga, aber auch den Fußball im Allgemeinen."

Kritik am FCK: "Unfairer Wettbewerb"

Kritik übt Dynamos Sportchef auch am 1. FC Kaiserslautern: "Ich finde, der FCK ist ein super Klub. Und Soeren Oliver Voigt unternimmt alles, um diesen Verein zu retten, das ist legitim. Aber ich verstehe nicht, mit welchen Summen nach der Insolvenz gearbeitet wird. Wenn einerseits Raten für in der Vergangenheit verpflichtete Spieler nicht gezahlt werden, dann aber gleichzeitig die Konkurrenz im Bemühen um neue Spieler mit finanziell deutlich besseren Angeboten ausgestochen wird, dann ist das nicht fair." Was Becker meint: Aus dem Transfer von Lucas Röser, der 2019 von Dresden nach Kaiserslautern wechselte, waren noch 50.000 Euro offen. Weil der FCK im Juni 2020 jedoch Insolvenz anmeldete, floss der ausstehende Betrag in die Insolvenzmasse. Dynamo reihte sich damit in die lange Reihe der rund 17.000 Gläubiger ein und erhielt am Ende – wie alle anderen Gläubiger – nur vier Prozent der offenen Forderung, also 2.000 Euro.

Die Sachsen waren zudem nicht der einzige Verein, der nach einem Transfergeschäft mit dem 1. FC Kaiserslautern in die Röhre schaute. Sonnenhof Großaspach hätte für den Transfer von Philipp Hercher noch 125.000 Euro zugestanden, auch die Würzburger Kickers mussten sich mit 8.000 statt 200.000 Euro für ausstehende Zahlungen aus dem Transfer von Janik Bachmann zufrieden geben. "Was sollen da Klubs wie Lübeck oder Verl denken, die versuchen, mit Seriosität und schmalem Etat zu überleben?", kritisiert Becker und spricht von einem "unfairen Wettbewerb". FCK-Geschäftsführer Voigt hatte das Handeln des FCK damit verteidigt, dass der Gläubigerausschuss für die Transferplanung im Sommer grünes Licht gegeben und der Verkauf einiger Topspieler über vier Millionen Euro eingebracht hatte. Zudem kassierte der FCK durch den Einstieg einer regionalen Investorengruppe elf Millionen Euro.

Appell an den DFB

Becker appelliert vor dem Hintergrund der steigenden Gehälter derweil an den DFB: "Das schadet dem Fußball und der Glaubwürdigkeit. Es kann nicht in unser aller Sinne sein, und ich finde es wichtig, das anzusprechen. Es braucht ein Regulativ." Der Verband hatte zuletzt immer wieder an die finanzielle Vernunft der Klubs appelliert – bislang augenscheinlich ohne größeren Erfolg. Vieles deutet darauf hin, dass die Verluste der Klubs in dieser Saison nochmals ansteigen. Zwar nicht zuletzt wegen Corona, aber auch, weil immer mehr Klubs die 3. Liga so schnell wie möglich nach oben verlassen wollen. Schließlich winken dort Millionen-Summen aus den TV-Geldern. Eine Tatsache, für die nicht wenige Vereine ins finanzielle Risiko gehen.

Hat Ralf Becker Recht?

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