Ehemalige Drittligisten #6: VfR Aalen

Insgesamt 57 Mannschaften spielten seit der Saison 2008/2009 in der 3. Liga. Während einige Klubs den Sprung in die Bundesliga geschafft haben, sind andere Vereine vom Radar der breiten Öffentlichkeit verschwunden. liga3-online.de holt diese Klubs nun wieder hervor. Heute: der VfR Aalen.

Sturz in die Oberliga ist noch möglich

Eigentlich hätte beim VfR Aalen am vergangenen Wochenende ein Spitzenspiel angestanden: Der 1. FC Saarbrücken wäre höchstwahrscheinlich als Tabellenführer zur Ostalb-Arena gereist – und im Duell mit dem klammen Drittliga-Absteiger möglicherweise kurzen Prozess gemacht. So klar sind die Kräfteverhältnisse in dieser Spielklasse verteilt: Von einer möglichen Favoritenrolle sprach schon im vergangenen Sommer keiner beim VfR, manch ein Anhänger mochte noch insgeheim auf den Joker Überraschungsteam setzen. Doch nach dem ersten Viertel der laufenden Spielzeit war schon klar: Mit der Spitze haben die Schwarz-Weißen nichts zu tun, es geht allenfalls um eine solide Mittelfeldplatzierung. Doch selbst das ist nach einem schleichenden Abwärtstrend längst nicht mehr sicher: Seit die Regionalliga-Spielzeit Mitte März aufgrund der Corona-Pandemie ausgesetzt worden ist, liegt Aalen auf dem unbefriedigenden 14. Platz. Dieser könnte bei einer Beendigung der Saison zur Falltür in die fünftklassige Oberliga werden, etwa wenn Sonnenhof Großaspach als auch der 1. FC Kaiserslautern aus der 3. Liga absteigen.

Der Sturz in die Bedeutungslosigkeit ist noch ein extremes Szenario für jenen Klub, der zwischen 2012 und 2015 noch drei Jahre in der Zweitklassigkeit verbrachte, als bestes Ergebnis der Vereinshistorie einen neunten Platz in der Endabrechnung belegte. Neckend schaute man im Frühsommer 2012 auf den Erzrivalen: Im zwanzig Kilometer entfernten Heidenheim verpasste der dort ansässige FCH den erstmaligen Zweitliga-Aufstieg knapp, während Aalen jubelte. Wirtschaftlich aber steht Heidenheim längst auf soliderem Fundament, ein Milliardenunternehmen wie den Technologiekonzern Voith hat Aalen nicht zu bieten. So wurden die Rahmenbedingungen der schwäbischen Konkurrenten immer ungleicher. Nun ist Heidenheim seit 2014 Dauergast im Bundesliga-Unterhaus, und es war ausgerechnet der FCH, der den Aalener Abstieg am 33. Spieltag der Saison 2014/15 in dessen eigenem Stadion besiegelte. Schon bald könnte die gegensätzliche sportliche Entwicklung gipfeln, wenn Heidenheim – und daran arbeiten die Rot-Blauen kontinuierlich – erstmals in die Bundesliga aufsteigt.

Stadion-Tribünen wurden ausgetauscht

In Aalen wurde der Etat nach dem Abstieg im Mai 2019, der nach einer restlos enttäuschenden Saison zumindest früh eingeplant werden konnte, nochmals gekürzt. Finanziell spielt der VfR um Trainer Roland Seitz nicht in der gleichen Liga wie Saarbrücken, Elversberg oder auch der TSV Steinbach Haiger an der Spitze. Und doch ist die wochenlange Momentaufnahme während der Spielpause eine frustrierende. Mit dem mittlerweile 34-jährigen Daniel Bernhardt besitzt Aalen einen für die vierte Liga herausragenden und zudem enorm vereinstreuen Schlussmann. Vor ihm verteidigen in Marcel Appiah, Gino Windmüller, Sebastian Schiek und dem aktuell langzeitverletzten Stefan Wannenwetsch einige Kicker mit ausreichend Profierfahrung, die Offensive ist weniger prominent besetzt. Bernhardt und Ersatztorhüter Matthias Layer waren die Einzigen, die Aalen über den Sommer hinaus treu blieben. Es dauert offensichtlich, bis sich eine bunt zusammengewürfelte Mannschaft findet. Klar ist: 26 Punkte aus 22 Spielen genügen den Ansprüchen nicht – der Erste Saarbrücken hat mehr als doppelt so viele Zähler.

Üblicherweise leidet auch der Zuschauerschnitt in der nächstniedrigeren Liga. 3.645 Besucher wollten den VfR Aalen auf seiner Drittliga-Abschiedstournee im Vorjahr sehen, jetzt sind es (immerhin) noch 2.225. Eine respektable Zahl angesichts der nach wie vor ausbaufähigen Ergebnisse und der Tatsache, dass den Stehplatz-Besuchern "ihre" Osttribüne, eine von der Stadt Aalen angemietete Stahlrohrtribüne, im vergangenen Sommer kurzerhand abgebaut und damit genommen worden war. Mittlerweile gibt es einen der Liga angemessenen Nachfolger: Statt etwa 3.000 Leuten fasst die neue Tribüne nur noch etwa tausend VfR-Fans, für das aktuelle Besucheraufkommen genügt sie allerdings. Eingeweiht wurde das Bauwerk erst Mitte Februar beim Heimspiel gegen die Kickers Offenbach. Der überzeugende 3:0-Erfolg ist als bislang einziger Sieg des Jahres 2020 notiert, in dem die Seitz-Elf noch zwölf Partien absolvieren müsste. Im Landespokal war nach dem Duell mit den klassentieferen Stuttgarter Kickers – ein weiterer ehemaliger Drittligist – und einer daraus resultierenden 1:2-Pleite Schluss. Mehreinnahmen aus einer DFB-Pokalqualifikation bleiben in der kommenden Saison also Wunschtraum.

Eine Herkulesaufgabe

Was für eine Perspektive hat der VfR Aalen, kann er auf absehbare Zeit zurückkehren in die 3. Liga? Zunächst ist offen, welche Auswirkungen die Corona-Krise auf den wirtschaftlich gebeutelten Verein, der als Drittligist 2017 bereits einen Insolvenzantrag stellte und damals trotz Abzug von neun Punkten die Klasse hielt, haben wird. Im März wollte Aalen das Verbot von Großveranstaltungen noch kreativ umgehen und maximal 999 Zuschauer in sein Stadion lassen, jetzt befinden sich auch auf der Ostalb Spieler und Mitarbeiter in Kurzarbeit, ein Ende ist nicht absehbar. Sponsoren werden ihr Engagement nach Corona überdenken. Als Folge kann der Etat, der zuletzt unter die Zwei-Millionen-Grenze gerutscht sein soll, weiter sinken – das wird auch bei der Konkurrenz der Fall sein. Solange diese allerdings Offenbach, Elversberg, Steinbach und Homburg heißt, geht das Hauen und Stechen um den ersten Platz unverändert weiter. Dieser Regionalliga Südwest wieder zu entkommen, ist und bleibt eine Herkulesaufgabe.

 

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