Erfahrungsplus am Marschweg: VfB Oldenburg im Kadercheck
Das erste Jahr in der 3. Liga ist fast immer eine große Unbekannte für alle Beteiligten. Beim VfB Oldenburg werden sie aber so realistisch sein, um einschätzen zu können: Platz 16 ist das größte Saisonziel, jeder Rang darüber ein Geschenk. Doch mit den jüngsten Transferbemühungen arbeiten sich die Niedersachsen Stück für Stück ins neue sportliche Zuhause hinein – ein krasser Außenseiter ist das nicht mehr. Der Kadercheck.
Torhüter
Niederländer Pelle Boevink war außerhalb der Regionalliga Nord bis vor wenigen Wochen kaum einem Experten ein Begriff, dann zeigte er in den 180 Relegationsminuten gegen den BFC Dynamo etliche starke Szenen, war mit Paraden, Lufthoheit bei Flanken und stets Ruhe ausstrahlender Körpersprache ein echter Rückhalt. Nun wird über das Interesse aus der 2. Liga berichtet, angeblich klopfen Paderborn, St. Pauli und Nürnberg an.
Doch kürzlich hat der VfB vorgesorgt: Für die Mannschaft von Dario Fossi kommt mit Sebastian Mielitz ein bundesliga-erfahrener Schnapper (66 Spiele für Werder Bremen) vom FC Helsingör aus der zweiten dänischen Liga. Der bald 33-Jährige muss aber zeigen, dass er seine Lorbeeren nicht nur aus der mittlerweile ein Jahrzehnt entfernten Vergangenheit mehr bezieht. Unabhängig von Boevinks Zukunft stehen noch der erfahrene Dominik Kisiel und der 18-jährige Moritz Onken als Ersatzleute bereit.
Außenverteidiger
Aufgestiegen ist der VfB mit einer offensiven 4-3-3-Formation, heißt: Flexiblen Außenverteidigern kommt eine wichtige Rolle zu Teil. Der gebürtige Oldenburger Dennis Engel übernahm den Posten hinten rechts im Aufstiegsjahr, servierte so manch erfolgreiche Hereingabe. Seine Drittliga-Erfahrung ist aber auf vier Jokereinsätze für die Sportfreunde Lotte begrenzt. Konkurrenz machen wird ihm der 22-jährige Dominique Ndure, gekommen vom ehemaligen Ligarivalen Holstein Kiel II. Er kann die Rolle offensiv interpretieren und auch eine Reihe weiter vorn spielen. Und auch auf der linken Seite ist die Doppelbesetzung hergestellt: Nico Knystock ist ein ähnlich verlässlicher Vertreter wie Engel, hat mit Dortmund II 2014/15 schon in der 3. Liga gespielt. Er wird sich mit Neuzugang Justin Plautz (St. Pauli II, ohne höherklassige Erfahrung) ein möglichst enges Rennen liefern.
Innenverteidiger
Vier Zentrumsverteidiger stehen im Aufgebot, zwei davon gehen als Ankerfiguren durch: Marcel Appiah, der es mit 34 Jahren noch einmal in die 3. Liga geschafft hat und der für Bielefeld und Osnabrück 115 Dritt- sowie 52 Zweitliga-Spiele sammelte. Und Oliver Steurer, sieben Jahre jünger, aber auch mit Einsätzen aus diesen Spielklassen ausgestattet. Mal schauen, wie gut Steurer das schlimme Jahr beim MSV Duisburg wegsteckt. Dritter im Bunde ist Appiahs Abwehrpartner Leon Deichmann, Bruder von 1860-Offensivmann Yannick. Am 25-Jährigen muss auch Steurer erst vorbeikommen. Komplettiert wird das Quartett von Fabian Herbst, ein konstanter Ersatzmann, dem im Verein weitere Entwicklungsschritte zugetraut werden. Auch Allrounder Gazi Siala kann in der Viererkette aushelfen.
Zentrales Mittelfeld
In der Regionalliga waren es eigentlich immer zwei Achter und ein Sechser, in die sich das Dreier-Mittelfeld im beliebten 4-3-3 aufteilte. Eine Etage höher ist aber auch eine defensivere Verteilung denkbar. Unangefochten ist der polnische Sechser Robert Zietarski, für den Oldenburg die erste Auslandsstation ist, als Aufstiegshelden haben auch Kai Kaissis und Marten Schmidt Ansprüche. Doch für sie ist die 3. Liga Neuland, ebenso für Siala, dessen Positionsrange vom zentralen Mittelfeld bis hin zur Innenverteidigung, wo er gegen den BFC Dynamo glänzte, überzeugte.
Nachrüsten musste der VfB Oldenburg im Bereich Offensive, und hat das mit einem sehr interessanten Duo. Da wäre zum Einen der Erfahrene: Manfred Starke, der beim FSV Zwickau sein 200. Drittliga-Spiel absolvierte. Der 31-Jährige wird spielerisch ein Ausnahmekönner in diesem Team sein, doch schafft er es, sein Potenzial regelmäßig aufs Feld zu bringen? Daran scheiterte es in den vergangenen fünf Jahren bei Jena, Kaiserslautern und eben Zwickau immer wieder. Dazu kommt Kamer Krasniqi, 26, der nach einem überragenden Jahr in Rehden (24 Scorer in 28 Spielen) seinen dritten Anlauf in der 3. Liga wagt, nachdem es bei Heimatverein VfL Osnabrück sowie in Großaspach nicht funktionierte. Hinter den beiden haben Marco Schultz und Jakob Bookjans eher kleine Chancen auf Einsätze.
Flügelspieler
Die Verlängerung mit Wirbelwind Ayodele Adetula (27 Scorer in 29 Spielen) ist ein großer Gewinn und dürfte die Klassenerhaltschancen am Marschweg massiv erhöhen. Er kann links wie rechts spielen und wird auch Drittliga-Verteidigern viele Probleme bereiten. Wer aber wird sein Partner? Gute Chancen hat Aufstiegsspieler Rafael Brand, aber auch Kebba Badije, der nach einer erfolglosen Leihe zum Halleschen FC nun aus dem Talentschuppen Werder Bremens fest nach Oldenburg wechselt. Nicht mitmischen können Ex-Dresdener Patrick Möschl und Pascal Richter, beide sind langzeitverletzt.
Mittelstürmer
Das Gerücht um eine Verpflichtung von Benjamin Girth bestätigt sich wohl nicht, doch ganz vorne sind die Personalplanungen des VfB offenbar noch nicht abgeschlossen. Zur Verfügung steht Kapitän Max Wegner, 92-facher Drittligaspieler, aber alles andere als ein Knipser, der den Weg zum Ligaverbleib viel leichter machen könnte. Hinter ihm steht noch Affamefuna Ifeadigo als typischer Joker bereit, aber der Bedarf ist offensichtlich: Oldenburg und Trainer Dario Fossi stünde ein erprobter Stürmer, so teuer er auf dem Markt auch ist, gut zu Gesicht. Vielleicht ergibt sich in den kommenden acht Wochen noch ein spannendes Geschäft, wenn bei höherklassigen Klubs aussortiert wird. Insgesamt wirkt der VfB Oldenburg mit seinen gezielten und durchaus sehenswerten Transfers gut aufgestellt. Illusionen gibt sich im Norden aber niemand hin: Die individuelle Qualität bewegt sich, verglichen mit der Konkurrenz, noch immer im unteren Drittel.