Erlebnisbericht: Als der Ludwigspark auf dem Trockenen stand
Bereits gestern hatte liga3-online.de über den Trinkwasser-Mangel bei den DFB-Pokalspielen in Saarbrücken und Bielefeld berichtet. Heute wollen wir einen etwas ausführlicheren Blick auf die Lage in Saarbrücken während der Partie gegen Schalke 04 werfen. Saarbrücken-Fan Carsten Pilger hat die Situation am Sonntag live miterlebt und schildert in seinem Blog "Das FCSBlog" die Eindrücke rund um die Partie. liga3-online.de druckt diesen Erlebnisbericht nun in voller Länge ab:
Keine Eingangskontrollen
Im Nachhinein hätte ich mir eigentlich eine Zugverspätung wünschen oder doch noch eine Woche länger Urlaub machen sollen. Denn was sich am Sonntagnachmittag im Ludwigspark abspielte, macht mich nicht wütend, sondern traurig. Der 1. FC Saarbrücken hat die Chance des Jahres, neue Fans und Zuschauer zu werben, in den brütend heißen Sand gesetzt. Fangen wir vorne an. Nach der weitesten Anreise meiner Fanlaufbahn (circa 900 Kilometer im Schnellzug) kam ich gegen 15 Uhr am Saarbrücker Hauptbahnhof an, der von vielen Urlaubern, vielen Schalker und Saarbrücker Eventfans und vor allem viel Polizei bevölkert wurde. Am Stadion selbst bewegten sich die Menschenmassen in großen Mengen und sehr langsam an meinem Stammeingang, dem F-Block, ins Stadioninnere. Da ich aber schon vorher mit einer Karte für den E-Block besorgt hatte, in dicken Lettern mit “VIRAGE EST” markiert, zog es mich an den ausnahmsweise geöffneten E-Block-Eingang. Und, siehe da- wie beim Testspiel gegen den Bayern 2007 kam ich an überforderten Ordnern ohne jegliche Kartenkontrolle vorbei. Auch ein zweiter Ordner wies mir per Handzeichen, ohne mich abzutasten: Nur herein! Na dann.
Lange Schlangen
Im Stadion selbst war schon eine halbe Stunde vor Anpfiff alles ordentlich gefüllt, nicht überfüllt. 30.000 Zuschauer sollten sich im Park einfinden. Aus den Lautsprechern dröhnte Ballermann-Mucke, der Spielball wurde via Fallschirmspringer beigebracht. Auf den Rängen erfreute ich mich neuer Anekdoten, etwa der des Marketingmanagers des FCS Pini, der wohl beim Kauf eines FCS-Schlüsselanhängers an Renates Stand im F-Block sich über, nun ja, die Qualität der eigens angebotenen Fanartikel beschwerte. Ob das ein erstes Herantasten an künftige Aufgaben war? Wer weiß. Das Spiel begann dann um 16.00 Uhr mit einer Choreo der Virage Est mit hübschen Farbrollen und Schwenkfahnen (Bilder davon hat übrigens Dennis), im Schalke-Block gab es Pyrotechnik zu sehen. Um circa 16.03 Uhr dann die erste Nachricht der Stehnachbarn: Kein Wasser mehr am Getränkestand im E-Block. Ähnliche Meldungen gab es dann kurz darauf auch aus anderen Blöcken zu hören. Auch die langen Schlangen von bis zu 15 Metern Länge, ließen die Vermutung aufkommen, dass schon bald Trockenheit an den Ständen herrschen würde. Auf dem Platz zeigte der 1. FC Saarbrücken indes eine ansprechende Leistung, zumindest in den ersten 20 Minuten. Sven Sökler hatte frei vor Schalke-Torhüter Timo Hildebrand die Chance zur Führung, sein Schuss war aber zu unplatziert. Schalke brauchte dagegen nur einen Eckball, um durch Papadopoulus in Führung zu gehen – eine aus dem Lehrbuch einstudierte Standardvariante. Zwei Minuten später attackierten die FCS-Verteidiger nicht ihre Gegenspieler und bekamen durch einen Konter das 0:2 eingeschenkt, Torschütze war Julian Draxler.
Abkühlung im angrenzenden Casino
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich, aufgrund der Hitze, schon auf die Suche nach Wasser gemacht. Jegliche Stände im Stadion fielen aufgrund der Wartezeit und der zu vermutenden Knappheit von jeglichen nichtalkoholischen Flüssigkeiten schon einmal aus. Ich ging zuerst nach draußen, an den Stand des ehemaligen Biersponsors des FCS, wo es immerhin noch einen Kasten Sprudel gab, der innerhalb weniger Minuten unter durstigen Zuschauern verkauft war. Aber da hatten viele andere schon die kostenlose Alternative entdeckt: Die Toilette im angrenzenden Casino Ludwigspark. In Dutzenden stürmten die E-Block-Gänger zur Halbzeit die Spielbank, um sich abzukühlen. Zur gleichen Zeit waren in mindestens drei Blöcken im Stadion trotz zusätzlicher Getränkestände keine alkoholischen Getränke mehr vorhanden Laut der Catering-Firma habe es zwar für etwa 30 Minuten keinen Sprudel mehr gegeben, aber während des gesamten Spiels andere nichtalkoholische Alternativen. Dass Cola und Limo als Durstlöscher weit schlechter geeignet sind als Wasser, lässt das Unternehmen aber unerwähnt. Auf dem Stadionklo floss dass Wasser nur noch mit geringem Druck und sorgte für wenig Abkühlung.
80 Menschen mussten behandelt werden
In den Gesprächen im Stadion war das eigentlichen Fußballspiel jetzt zum Nebenthema geworden. Im Minutentakt waren Sanitäter im Einsatz und Fahrzeuge mit Blaulicht ratterten über die Leichtathletikbahn oder hinter den Blöcken. Circa 80 Menschen bekam die Hitze von mehr als 39 Grad Celsius bis zur Halbzeit so schlecht, dass sie behandelt werden mussten. Wer nicht auf einem Feldbett lag, versorgte sich weiter mit Wasser auf Kosten der Spielbank (wie etwa eine Einsatzgruppe der Polizei in Kampfmontur, die sich dort unter den Wasserhahn hang) oder schimpfte über die generelle Organisation. Damit bin ich vollends bei der unschönen Seite des Pokals angekommen. Lieber 1. FC Saarbrücken, liebe Stadt Saarbrücken, ein Pokalspiel gegen einen Bundesligisten ist eine Chance, wie sie nicht alle Tage kommt, um Zuschauer für die Liga zu gewinnen. Es ist utopisch, dass von 30.000 Menschen nun ein Großteil auch in der Liga zu Spielen anreist. Dennoch: Wer dort war, hat nur einen FCS geboten bekommen, der den Ball zwar per Fallschirmspringer kommen lässt, aber es nicht schafft, Getränke in ausreichender Menge anzukarren. Dem Zuschauer ist reichlich egal, ob nun den Caterer die Schuld trifft oder ob es doch die Schuld des FCS ist, der trotz der Möglichkeit ausgelassen hat, die Fans während des Spiels kostenlos mit Leitungswasser zu versorgen. Manch einer vermutete mir gegenüber Kostengründe.
Keine gute Werbung
Abmildernd sage auch ich, dass es unvermeidbar ist, dass bei solchen Veranstaltungen Menschen Hitzeschläge erleiden. Es gibt Stadionbesucher, die sich überschätzen und nicht mal mit Kopfbedeckung anmarschieren, sich mit Kindern in die pralle Sonne stellen müssen oder meinen, dass sich Wassermangel mit Bierkonsum ausgleichen ließe. Das finde ich persönlich ätzend und verantwortungslos. Mit der schlechten Organisation des Pokalspiels, die anderen Amateurvereinen weitaus weniger Probleme zu bereiten schien. Und eben das, egal wen die Schuld am Ende nun trifft, wird bei den meisten der 30.000 hängen bleiben: Dass dem 1. FC Saarbrücken das Wohlergehen seiner Zuschauer schlicht egal ist.
Veröffentlicht unter der Creative Commons Namensnennung