FC Bayern II in Höchstform: Über Attraktivität und Gefahren
Sie ist mit sechs Punkten Abstand die beste Rückrundenmannschaft und hat sich angeschickt, bald auch die Tabellenführung zu eroberrn: Nie war eine zweite Mannschaft in der 3. Liga so stark wie die Reserve des FC Bayern München derzeit. Zwar erhöht das Team um Trainer Sebastian Hoeneß die rein sportliche Attraktivität der Liga, doch die Entwicklung muss auch kritisch betrachtet werden.
Attraktiver Fußball
Es sah ganz einfach aus, wie sich der FC Bayern II auch bei Waldhof Mannheim durch die gegnerische Defensive kombinierte. Passen, freilaufen, passen – alles geht bei den Talenten des Rekordmeisters wunderbar leicht von der Hand, pardon, vom Fuß. Wie so viele Vereine dieser Liga zuvor kämpfte der SVW mit großer Moral, aber letztlich stumpfen Waffen gegen eine spielerische Qualität von 18- oder 20-Jährigen, die das Leistungsmaximum eines otto-normalen Drittliga-Profis deutlich übersteigt. Da dribbelt ein Woo-yeong Jeong immer wieder leichtfüßig, versucht ein ums andere Mal, den gegnerischen Torhüter mit frechen Lupfern zu narren, da dreht ein Oliver Batista Meier im Mittelfeld auf und selbst ein Joshua Zirkzee, der sich durchaus einen Anteil am achten Bundesliga-Titel in Folge für den FCB auf seine Fahne schreiben kann, hilft in der Reserve aus – wenn es zeitlich passt. Man muss nur die Möglichkeiten dazu haben.
Während andere Klubs nicht nur sprichwörtlich, sondern tatsächlich ums Überleben kämpfen, macht der FC Bayern aus der 3. Liga eine Spielwiese. Das hat nicht nur Schattenseiten: Gerade in Zeiten der Corona-Pandemie, in denen sich ein Fußballfan von Woche zu Woche mehr an schnöde Erlebnis Geisterspiel gewöhnt hat, steigern die Münchner die sportliche Attraktivität dieser Spielklasse enorm. Das belegen auch die nackten Zahlen, sind doch in den ersten 32 Saisonspielen mit Beteiligung der Bayern-Talente stolze 115 Tore gefallen – nur bei Viktoria Köln sind es noch mehr. Das rührt nicht vom Zufall her, sondern ist Ergebnis einer taktischen Idee, die im gesamten Verein gelebt wird und die die Profis unter Hansi Flick vorgeben: Dominanter Ballbesitzfußball mit enorm hohen Passquoten wird bis tief in die Juniorenakademie, dem "FC Bayern Campus", geübt bis zum Abwinken. Und so sind die Partien aus rein sportlicher Sicht, wo sich andernorts in Liga 3 durchaus von Langholz und Zufallsproduktion ernährt wird, schlicht schön anzuschauen.
Kritik reißt nicht ab
Doch der Fan-Protest anderer Drittligisten reißt nicht ab. Das ist bemerkenswert, zumal doch der FC Bayern sportlich zumindest im Aufstiegskampf ignoriert werden kann – selbst wenn er mit zehn Punkten Vorsprung Meister wird, darf er nicht in die 2. Bundesliga aufsteigen. Der Zweite und Dritte der Tabelle rücken nach. Aber doch: Forderungen wie "Amateure raus aus der 3. Liga" und der Vorwurf der Wettbewerbsverzerrung füllen die Kommentarspalten, auch aus den Stadien sind die Bayern-Bubis vor der Corona-Pandemie solche Rufe und Plakate gewöhnt.
Dass man sich mit diesen Reaktionen beschäftigen sollte, zeigt das Beispiel FC Bayern München II recht deutlich. Denn kein deutscher Bundesligist kann derart starken Einfluss auf die Stärke seiner zweiten Mannschaft nehmen wie der FCB. Man erinnere sich an die Hinrunde, in der in Alphonso Davies das wohl größte Außenverteidiger-Talent dieser Zeit für einige Spiele in der 3. Liga aushalf. Beim Blick auf den Etat, der für die Profimannschaft im mittleren dreistelligen Millionenbereich liegt, wird einem anders – zumal man an der Säbener Straße offenbar mehr und mehr versteht, die zweite Mannschaft als Sprungbrett zu den Profis clever einzusetzen. So gab und gibt Trainer Flick derzeit einer Reihe von Jungprofis die Chance auf Einsätze. Der FCB zahlt für Talente siebenstellige Summen, die zunächst in der Reserve "geparkt" und ausgebildet werden. Sie sollen nicht mehr zufällig, sondern geplant in den Profikader aufrücken.
Welche Gefahr droht
Qualitativ bewegt man sich auf ganz anderem Niveau als Mainz, Stuttgart, Bremen und selbst Dortmund mit ihren Reserveteams, die in der Vergangenheit hin und wieder Teil der 3. Liga waren. Mit gut 25 Millionen Euro ist allein der Marktwert der Talente, die perspektivisch überwiegend auf Bundesliga- oder zumindest Zweitliga-Niveau kicken wollen, dreimal so hoch wie der des zweit-“teuersten“ Kaders aus Kaiserslautern. Eigentlich müsste es vor diesem Hintergrund das Ziel sein, Meister zu werden.
Die gute Nachricht für die neue Saison ist: Durch die Aufstiege von Saarbrücken, Lübeck, wohl Türkgücü München und dem SC Verl oder Lokomotive Leipzig bleibt die Anzahl an Reserveteams in der 3. Liga gleich niedrig. Doch allein der FC Bayern II, das deutet sich mehr und mehr an, besitzt zumindest das Potenzial, diese Liga mit seinen monetären, infrastrukturellen, aber auch personellen Mitteln etwa im Scouting-Bereich dauerhaft zu dominieren. Das muss er aus Sicht des Rekordmeisters sogar, um den Sprung in die Bundesliga so leicht wie möglich zu gestalten. Doch dieses Szenario wäre nichts anderes als eine große Gefahr für die 3. Liga. Denn was ein Serienmeister FC Bayern mit der langfristigen Attraktivität einer Spielklasse anstellt, sehen wir am Beispiel Bundesliga nur allzu gut.