"Feiern zwei Wochen durch": So lief die Aufstiegsparty in Ulm
Nach 23 Jahren ist der SSV Ulm 1846 zurück in der 2. Bundesliga und hat als fünfter Klub der Drittliga-Geschichte den direkten Durchmarsch geschafft – sogar als Meister! Mit Schlusspfiff brachen im Donaustadion alle Dämme. liga3-online.de mit den Stimmen und den Impressionen.
Fans stürmen den Platz
Um 15:50 Uhr war es vollbracht: Als Schiedsrichter Tom Bauer die Partie ohne eine einzige Sekunde Nachspielzeit abpfiff, kannte der Jubel im ausverkauften Donaustadion keine Grenzen.
Sofort rannten die ersten Fans, die sich teilweise schon in den Schlussminuten in den Innenraum begeben hatten, zu ihren Aufstiegshelden auf den Platz. Manch einer hatte es zudem auf ein Souvenir dieses historisches Moments abgesehen, und so blieben vor allem die Tornetze nicht lange ganz.
"Das ist unbeschreiblich, ich kann das noch gar nicht realisieren. Das war überragend heute", sagte Geschäftsführer Markus Thiele unmittelbar nach dem Aufstieg im "MagentaSport"-Interview und blickte auf seinen Amtsantritt vor drei Jahren zurück: "Als ich hier angefangen habe, waren 1.200 Fans da. Jetzt sind es fast 17.000. Das ist sensationell." Die Stadt stehe hinter dem Verein, der von den Ulmern nach schwierigen Jahren samt drei Insolvenzen und dem Absturz in die Oberliga wieder angenommen werde. Und wie wird dieser besondere Tag nun gefeiert? "Wir wollen reichlich Bier trinken und mal schauen, was der Tag noch so bringt. Die eine oder andere Idee haben wir schon im Kopf."
"Ich habe das noch nie erlebt"
Auch Tom Gaal konnte es direkt nach Spielende noch nicht fassen: "Ich habe das noch nie erlebt. So etwas sieht man sonst nur im Fernsehen. Jetzt wollte ich es unbedingt mal selbst mit erlebeben." Währenddessen wurde außerhalb des Stadions ein Feuerwerk entzündet. "Die Anhänger haben uns schon die ganze Zeit getragen. Ich dachte eigentlich, dass es nicht mehr besser werden könnte, aber es wurde noch viel besser."
Es sei "geisteskrank", wie diese Stadt den Verein lebe. 2. Liga höre sich "schon geil" an, sagte der 23-Jährige, der vor der Saison aus der zweiten Mannschaft von Borussia Mönchengladbach verpflichtet worden war. "Wir sind wieder da. Das ist unglaublich, ich bin einfach nur glücklich." Beim Feiern will sich der Innenverteidiger nun gemeinsam mit den anderen jüngeren Spielern beweisen, nachdem die "alten Hasen schon letztes Jahr üben konnten".
"Die ganze Stadt brennt"
Das gilt auch für Felix Higl, der bereits im vergangenen Jahr mit dem VfL Osnabrück in die 2. Liga aufgestiegen war. Doch der Aufstieg mit dem SSV wiege nun "tausend Mal mehr", gab der 27-Jährige ehrlich zu. Es sei ein "ganz anderes Gefühl mit diesem Verein aufzusteigen, der so lange aus dem Profifußball raus war. Ich bin wahnsinnig stolz". Immer wieder schüttelte Higl während des Interviews mit dem Kopf, konnte es gar nicht fassen. "Einfach nur unglaublich was das den Menschen bedeutet. Die ganze Stadt brennt."
Das Ulmer Erfolgsgeheimnis: "Wir sind unserem Weg einfach treu geblieben und haben gemerkt, dass wir mit unserer Art und Weise jeden schlagen können", sagte Higl und rief das Motto für die nächsten Stunden und Tage aus: "Wir feiern jetzt zwei Wochen durch." Eigens für den Aufstieg hatte der SSV T-Shirts anfertigen lassen. Darauf stand: "Ulmaufhaltsam – Klassenerhalt gescheitert."
Reichert adelt Scienza
Überragender Mann beim SSV in dieser Saison war Léo Scienza, der neun Tore und 13 Vorlagen zum Aufstieg beisteuerte. "Leo ist der größte Spieler, den dieser Verein je gesehen hat", adelte Kapitän Johannes Reichert den Brasilianer. "Absolut geisteskrank, was er gemacht hat. Ich hoffe, er bleibt für immer hier." Scienza selbst sprach mit hörbar angeschlagener Stimme vom "besten Tag" seines Lebens. "Ich habe keine Worte dafür, bin einfach nur dankbar. Wir sind so eine starke Mannschaft." Seiner Frau habe er gesagt, "dass sie in den nächsten zwei, drei Tagen nichts von mir hören wird. Ich werde einfach nur feiern."
Bierdusche für den Aufstiegstrainer
Ganz anders präsentierte sich Trainer Thomas Wörle, der selbst in der Schlussphase, als der Aufstieg schon längst feststand, noch Anweisungen an seine Spieler gab und sich auch nach Spielende vergleichsweise ruhig präsentierte: "Feiern ist nicht meine Welt", sagte der 42-Jährige. Durchaus euphorisch hielt er aber fest: "Es ist überwältigend. Der Spirit im Verein ist unglaublich. Wir sind als Aufsteiger in die Saison gegangen und dachten, dass wir ohne Ende kämpfen müssen, um den Klassenerhalt zu schaffen. Dass wir jetzt schon zwei Spieltage vorher aufgestiegen sind, ist unfassbar." Kurz nachdem er diese Worte ausgesprochen hatte, bekam der Aufstiegscoach eine große Bierdusche ab.
"Nicht so lecker, aber muss sein", lachte Wörle, der den Aufstieg noch gar nicht so richtig greifen konnte: "Es fühlt sich surreal an, weil wir dachten, dass wir den Weg noch weitergehen müssen. Ich wusste zwar, dass wir etwas Historischen schaffen können, aber es war ja nicht gewährleistet, dass wir das heute schon klarmachen.
"Das ist der schönste Tag meines Lebens"
Ganz besonders ist der Aufstieg auch für Kapitän Johannes Reichert, der bis auf eine kurze Unterbrechung zwischen 2014 und 2016 bereits seit 1996 für die Spatzen spielt. "Wow, ich kann es nicht beschreiben", rang der gebürtige Ulmer, der als Kind im Fanblock stand, um Worte. "Der Verein ist der Mittelpunkt meines Lebens. Ich bin so glücklich, so stolz und so dankbar. Was hier geleistet wurde, ist historisch." Den Aufstieg in die 2. Liga geschafft zu haben, sei nach all den schlechten Jahren einfach "Wahnsinn", sagte Reichert und wollte am liebsten das ganze Stadion umarmen. "Von den 17.000 Leuten hier kenne ich gefühlt 15.000. Das ist der schönste Tag meines Lebens. Da kann auch kein schönerer mehr kommen."
Bereits im Winter habe er gesagt, "dass wir Erster werden wollen. Da habe ich vom Verein noch einen auf den Deckel bekommen, weil wir ruhig und demütig bleiben müssen." Nun ist es mit Understatement endgültig vorbei. Schließlich spielt der SSV in der kommenden Saison in der 2. Liga – und das, obwohl Ulm noch vor einem Jahr viertklassig war. Wahnsinn! Knapp eine Stunde nach Spielende präsentierte sich die Mannschaft den Fans auf der Haupttribüne, Reichert gab dabei den Vorsänger.
Am Abend ging es dann in der Stadt weiter. Laut der "Südwest Presse" versammelten sich etwa 2.000 Fans vor dem Rathaus. Als die Mannschaft dort gegen 20 Uhr eintraf, bereitete ihr die Fans einen euphorischen Empfang.