Felix Schiller im Interview: "Konnte nicht einmal mithüpfen"
Felix Schiller vom 1. FC Magdeburg spricht im Interview mit liga3-online.de über seine lange Leidenszeit, die bitterste Momente dieser Phase, den erneuten Rückschlag, und verrät, ob der 4. Platz der Vorsaison verteidigt werden kann.
[box type="info"]Hintergrund: Felix Schiller ist einer der Magdeburger Aufstiegshelden aus dem Jahr 2015 – ihm gelang eines der wichtigen Tore im Relegations-Rückspiel bei den Kickers Offenbach. Die Drittliga-Saison fand dann jedoch fast gänzlich ohne ihn statt, da er sich früh in der Spielzeit schwer verletzte. Und auch die Vorbereitung auf die Spielzeit 2016/2017 lief bei dem Pechvogel aus der Innenverteidigung alles andere als optimal…[/box]
liga3-online.de: Hallo Herr Schiller! Während die Saisonvorbereitung beim 1. FC Magdeburg in vollem Gange ist, müssen Sie (mal wieder) zusehen. Wie sehr frustriert Sie das?
Felix Schiller: Gar nicht mal so sehr! Ursprünglich waren nämlich vier Wochen Pause anberaumt, am Dienstag geht es voraussichtlich zurück ins Mannschaftstraining, eher als geplant. 'Dein Schmerzempfinden kann nicht richtig stimmen', sagten unsere Physiotherapeuten mir schon mit einem Schmunzeln. Über das gute Heilfleisch kann ich nach meiner langen Verletzung nur froh sein.
Der Grund ist ein Außenbandriss. Erklären Sie noch einmal kurz, wie diese Verletzung aufgetreten ist.
Im Training ist das passiert, im Drei gegen Drei. Das war sehr ärgerlich und alles andere als optimal nach dem Achillessehnenriss. Drei Wochen war ich erst zurück im Training und wahnsinnig glücklich darüber, dass ich wieder dabei sein kann. Im ersten Moment dachte ich natürlich: 'Das kann doch nicht wahr sein!', aber kurz darauf relativierte sich vieles. Zwei, drei Wochen sind nichts gegen zehn Monate Pause.
Aufhalten dürfte Sie diese verhältnismäßig leichte Verletzung, verglichen mit dem eben angesprochenen Achillessehnenriss aus dem Sommer 2015, tatsächlich nicht mehr. Sie haben sich schließlich über fast ein ganzes Jahr zurück an den Kader gearbeitet. Wie verlief die Rehabilitationsphase?
Bereits Anfang 2016 war ich in Donaustauf zur Reha, und das hat mir richtig gutgetan. Ich wollte einmal raus aus der Stadt, mich voll auf die Reha konzentrieren und frische, unverbrauchte Luft atmen. Dort konnte ich mich voll auf meinen Körper konzentrieren, das hat mir sehr gut getan. Sehr positiv war, dass ich im Frühjahr keine Rückschläge mehr erlitten hatte, ich konnte mein Programm durchziehen. Leider musste kurz vor dem Saisonende noch eine Schraube aus dem Fuß entfernt werden, vielleicht hätte ich sonst sogar schon einige Minuten im Saisonfinale spielen können.
Denken Sie zurück an jenen 29. August im Kölner Südstadion. Bis dato waren Sie unangefochten Teil der Innenverteidigung beim FCM, ehe sich in der 36. Minute alles veränderte…
Ich hatte beim Rückwärtslaufen einen kleinen Schubser mitgekommen, war dann mit meinem Gegenspieler zusammengerasselt. Dann hat es nur noch geknallt und ich wusste: Das war es. Es fühlte sich ganz merkwürdig an.
Was folgte bei Ihnen persönlich auf die bittere Diagnose? Wie haben Sie reagiert? Mental ist so ein Schock nicht einfach so wegzustecken.
In den ersten Wochen habe ich das gar nicht richtig realisiert. Du bekommst tausend Genesungswünsche, alles dreht sich um dich. Dann aber begann die schwere Zeit.
Obwohl Sie fehlten, trumpfte der 1. FC Magdeburg groß auf. Wann war der für Sie persönlich bitterste Monat während der langen Pause?
Ich weiß gar nicht genau, wie viele Heimspiele ich insgesamt verpasst habe – 14 oder 15 waren es wohl. Und genau das waren die bittersten Momente. Du sitzt auf der Tribüne und denkst dir: Mann, dieses Spektakel könntest du auch mit deinen Kumpels auf dem Feld genießen. Und: Ich konnte auf der Tribüne nicht einmal mithüpfen! (lacht)
Sie haben viel Zuspruch von den Fans bekommen während Ihrer gesamten Leidenszeit. In dieser Hinsicht ist der 1. FC Magdeburg kein ganz normaler Drittligist, oder?
Das ganze Umfeld ist hier echt etwas Besonderes. Wenn ich durch die Stadt lief, wurde ich sofort angesprochen und aufgemuntert. "Du schaffst das!“, habe ich oft gehört. Das fühlte sich wunderbar an und ist nicht selbstverständlich.
Umso schöner war die Vertragsverlängerung im Dezember 2015, oder? Das ist ebenfalls nicht selbstverständlich gewesen.
Nun, die ganze Wahrheit ist: Nach drei, vier Spieltagen – als ich noch nicht verletzt war – kam der Verein bereits auf mich zu und wollte mit mir verlängern. Trotzdem: Hut ab vor dem 1. FC Magdeburg, dass er seine Entscheidung trotz der langen Verletzung nicht revidiert hat. Das zeigt, was es für ein besonderer Verein ist. Hier merkt man eine gewisse Dankbarkeit für das, was wir erreicht haben: Die Rückkehr in den Profifußball. Jedem hier ist klar, dass es auch ganz andere Zeiten gab.
Blicken wir nun etwas mehr auf die Mannschaft, auf den Verein. Als Sie verletzt waren, spielte der FCM unter Trainer Jens Härtel weiterhin eine ziemlich gute Rolle in der 3. Liga – deutlich besser, als es viele erwartet hatten. Da ist vieles richtig gelaufen…
Wir wussten und wissen alle, dass wir in der 3. Liga personell gesehen nicht den besten Kader haben. Es geht bei uns nur um das Kollektiv, um die Einheit mit den 20.000 positiv Verrückten im Stadion. Das hat uns zu Bestleistungen motiviert, denn wir wollen den Fans für ihre fantastische Unterstützung einfach etwas zurückgeben. Diesen Kollektivgedanken haben wir auch den Neuen im Team sofort beigebracht.
Wie haben sich denn die Neuzugänge überhaupt in die Mannschaft eingefügt?
Mit jeder Sitzung, mit jeder Analyse haben sie sich in den FCM-Rhythmus mehr hineinversetzt. Wir wollen unsere Philosophie gemeinsam durchsetzen, kein Einzelner kann hier glänzen und nur auf sich zeigen. Vier Jahre bin ich jetzt in Magdeburg. Wir hatten etwa in der Regionalliga eine Phase, wo das noch überhaupt nicht funktioniert hat – das zog sich bis in die Aufstiegssaison hinein. Der Unterschied zu heute ist im Nachhinein betrachtet gravierend.
Punktuell wurde der Kader verstärkt, aber echte "Krachertransfers“, etwa profilierte Zweitliga-Spieler, hat der FCM im Vergleich zu anderen, hoch gehandelten Teams nicht getätigt. Ist es realistisch, den vierten Platz der Vorsaison verteidigen zu können?
Es ist schlichtweg nicht das primäre Ziel, den vierten Platz zu verteidigen. Das wäre an unseren eigentlichen Zielen vorbeigeschossen. 45 Punkte wollen wir frühzeitig erreichen, damit ist der Klassenerhalt geschafft. Andere Vorgaben tuen uns nicht gut und widersprechen unserer Mentalität.
Zwei Jahre lang schwappt die Euphorie nun durch die Stadt an der Elbe – irgendwann aber wird es auch einmal Negativerlebnisse geben. Was erwarten Sie, falls der Saisonstart nicht nach Plan verläuft und ihr möglicherweise zuerst in der unteren Tabellenhälfte landet?
Ganz ehrlich: Wir beschäftigen uns damit gar nicht erst, in der unteren Tabellenhälfte zu stehen. Unruhe wird in diesen Verein aber auch bei Negativerlebnissen nicht aufkommen, solange wir auf dem Platz alles geben und uns zerreißen. Da kann es auch mal drei, vier oder fünf Spiele schlecht laufen.
Ohnehin gibt es für einen missglückten Auftakt wenig Gründe: Der Saisonstart hat dem FCM, bedingt durch die Verlegung der Partie gegen den FSV Zwickau, schließlich gleich zwei Heimspiele beschert. Besser kann es doch überhaupt nicht kommen…
Für uns ist das ein klarer Vorteil. Diese Fans tragen einen zuhause über das Spielfeld. Der SC Paderborn aber wird am 3. Spieltag zu einem echten Gradmesser. Aber: Jedes Spiel in dieser Liga ist, vor allem zum Beginn, sehr schwer. Hier schlägt jeder jeden, wie er will. Auch die Aufsteiger schätze ich im Übrigen sehr stark ein, ob Lotte, Zwickau oder Regensburg.
Wer landet denn in dieser Spielzeit ganz oben in der Tabelle, haben Sie einen Aufstiegsfavoriten?
Holstein Kiel und auch der Chemnitzer FC werden von vielen zurecht als Anwärter genannt, auch die Absteiger aus der 2. Bundesliga haben generell viel Potenzial in sich. Selbst Teams wie der SV Wehen Wiesbaden gehen immer mit dem Wunsch in die Saison, oben mitzuspielen. Auch diese Mannschaften muss man auf dem Zettel haben.