Fragen und Antworten: Wie es nach dem Spielabbruch weitergeht
Weil Schiedsrichter Nicolas Winter im Spiel gegen Rot-Weiss Essen beim Gang in die Kabine von einem Fan des FSV Zwickau eine volle Ladung Bier ins Gesicht geschüttet bekam, brach er die Partie beim Stand von 1:1 ab. Wie geht es jetzt weiter? Wie wird die Partie gewertet? Wurde der Täter schon identifiziert? Und welche Strafen haben der FSV und der Fan zu befürchten? liga3-online.de beantwortet die wichtigsten Fragen.
Bierdusche als "tätlicher Angriff"
Was hat zum Abbruch geführt?
Nachdem Winter in der Schlussphase der ersten Halbzeit ein Foul von Zwickaus Butzen an Young als Notbremse wertete, ihn mit Rot vom Platz stellte und nach dem fälligen Freistoß auf den Punkt zeigte, nachdem Gomez den Ball an den angelegten Arm bekommen hatte, kochten die Emotionen bei den Fans des FSV Zwickau über. Auch, weil er schon zuvor in mehreren Entscheidungen zuungunsten der Schwäne entschieden hatte.
Beim Gang in die Kabine wurde der Unparteiische zunächst mit lautstarken Pfiffen bedacht, ehe er von einem Zuschauer eine volle Ladung Bier ins Gesicht geschüttet bekam. Auch seine Assistenten sowie RWE-Trainer Christoph Dabrowski bekam die Bierdusche ab.
Wie hat Winter die Entscheidung getroffen?
Dem Vernehmen nach alleine in der Halbzeitpause. Anschließend teilte er seine Entscheidung den Vereinsvertretern mit. Laut "MagentaSport" soll Winter die Bierdusche als "tätlichen Angriff" gewertet und sich daher dazu entschlossen haben, nicht mehr anzupfeifen – auch aus Selbstschutz.
Wie hat sich der FSV Zwickau geäußert?
Vorstandssprecher Frank Fischer bezeichnete den Vorfall, der zum Abbruch geführt hat, bei "MagentaSport" als "furchtbar und entsetzlich" und kündigte Konsequenzen an. "Bestimmte Dinge gehen einfach nicht. Denn der Schutz vor Leib und Leben steht an erster Stelle. Es hat niemand einen Becher zu werfen." Man könne über Fußball diskutieren und über Entscheidungen streiten. "Aber es gibt Regeln, an die muss man sich halten. Wir müssen präventiv unseren Teil dazu beitragen, dass so etwas nicht die Regel sein kann."
Der FSV hofft auf ein mildes Urteil, "denn wir können keine Punktabzüge oder Spielwertungen gegen uns verkraften. Das tut uns extrem weh. Jedes Urteil wäre gut, was den Wettbewerb am Ende nicht verzerren würde. Daher plädieren wir ganz klar für eine Spielwiederholung". In einer am Sonntagabend veröffentlichten Stellungnahme kündigt der FSV zudem eine Aufarbeitung des Abbruchs an.
Wie hat RWE auf die Entscheidung reagiert?
Wie Sportdirektor Christian Flüthmann gegenüber der "Bild" sagte, hätte RWE gerne weitergespielt – zumal das Momentum nach der roten Karte gegen Butzen bei den Essenern lag. "Aus unserer Sicht hätte das Spiel weitergehen können. Aber es war sehr hitzig, und der Schiri ließ keine Diskussion zu."
Wertung für RWE wahrscheinlich
Wie wird die Partie gewertet?
Das steht noch nicht fest. Zunächst wird Schiedsrichter Nicolas Winter einen Sonderbericht anfertigen. Anschließend entscheidet das DFB-Sportgericht über die Wertung des Spiels. Die Wahrscheinlichkeit ist aber hoch, dass die Partie für RWE gewertet wird. Denn in Paragraph 18 Nr. 4 der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB ist festgelegt: "Trifft eine Mannschaft oder ihren Verein (…) ein Verschulden an dem Spielabbruch, ist das Spiel dem (…) Schuldigen mit 0:2-Toren für verloren, dem Unschuldigen mit 2:0-Toren für gewonnen zu werten."
So wurde auch im März 2022 verfahren, als die Bundesliga-Partie zwischen dem VfL Bochum und Borussia Mönchengladbach abgebrochen wurde, nachdem ein Bochumer Fan einen Bierbecher auf den Schiedsrichter-Assistenten geworfen hatte. Damals wertete der DFB das Spiel mit 2:0 für Gladbach. Und weil der Abbruch in Zwickau durch einen Zuschauer des FSV verursacht wurde, eindeutige TV-Bilder zu dem Vorfall vorliegen und die Vereine für ihre Zuschauer verantwortlich sind, dürfte die Sache eindeutig sein.
Kann ein Spiel nach einem Abbruch auch wiederholt werden?
Grundsätzlich ja, allerdings nur dann, wenn ein Spiel ohne Verschulden einer der beiden Mannschaften abgebrochen wird – etwa aufgrund von Witterungsbedingungen. Im vorliegenden Fall ist der Abbruch aber eindeutig auf einen FSV-Fan und damit auf die Zwickauer zurückzuführen. Unwahrscheinlich ist eine Wiederholung allein schon deshalb, weil sie Tür und Tor für Manipulationen öffnen würde. So könnte jeder Fan künftig einen Spielabbruch herbeiführen, wenn seine Mannschaft in Unterzahl ist oder ein Gegentor hinnehmen musste.
Wann ist mit einer Entscheidung zu rechnen?
Da der Saisonendspurt bevorsteht, dürfte es schnell gehen. Vielleicht gibt es schon in der kommenden Woche eine Entscheidung. Nach dem Abbruch der Partie zwischen dem MSV Duisburg und dem VfL Osnabrück im Dezember 2021 dauerte es nur vier Tage. Damals war übrigens ebenfalls Winter als Schiedsrichter im Einsatz.
Zwickau droht drastische Geldstrafe
Hat der FSV Zwickau neben der Spielwertung gegen sich noch eine weitere Strafe zu befürchten?
Ja. Paragraph 7 Nr. 1e der Rechts- und Verfahrensordnung sieht bei einem schuldhaften Herbeiführen eines Spielabbruchs eine Geldstrafe von bis zu 100.000 Euro vor. Ein Punktabzug hingegen ist nicht vorgesehen.
Handelt es sich bei dem Zuschauer tatsächlich um einen Fan des FSV Zwickau?
Ja. "Wir haben den Mann identifiziert, es war einer unserer Sponsoren", berichtet Fischer in der "Freien Presse".
Was hat der Fan zu befürchten?
Wie die Polizei mitteilte, wird wegen Körperverletzung gegen den Mann ermittelt. Eine entsprechende Anzeige wurde bereits gestellt, er soll nun zur Vernehmung vorgeladen werden. Darüber hinaus droht dem Zuschauer ein Stadionverbot – möglicherweise sogar lebenslang. Außerdem muss er damit rechnen, dass der FSV die zu erwartende Geldstrafe des DFB auf ihn umlegen und ihn somit in Regress nehmen wird.
Was würde eine Wertung der Partie zugunsten von RWE sportlich bedeuten?
Sollte das Spiel mit 2:0 für Essen gewertet werden, käme RWE auf 39 Punkte und hätte den Klassenerhalt angesichts von dann acht Punkten Vorsprung auf die Abstiegsplätze bei nur noch fünf Spielen so gut wie sicher. Zwickau hingegen würde bei 28 Zählern und sieben Punkten Rückstand auf das rettende Ufer verbleiben. Für den Klassenerhalt bräuchte es dann ein Wunder. Somit hätte der Fan seinem Verein einen Bärendienst erwiesen.
Was passiert mit den Sperren von Johan Gomez (fünfte gelbe Karte) und Nils Butzen (Rot)?
Die Sperren bleiben bestehen, sodass beide das Duell in Osnabrück am kommenden Samstag verpassen.
Die Szene im Video:
Es ist alles dazu gesagt. #FSVRWE https://t.co/Sy6sC2GVbx pic.twitter.com/tnD5yv2Y3E
— Sport im Osten (@SportimOsten) April 23, 2023