Fünf Gründe für den Durchmarsch von Jahn Regensburg

Der Jahn hat das Wunder tatsächlich geschafft! Als Aufsteiger hat er sich für die Relegation qualifiziert und sich dort schlussendlich hochverdient auch gegen den TSV 1860 München durchgesetzt. In der kommenden Saison spielt Regensburg nun wieder in der 2. Bundesliga. liga3-online.de nennt fünf Gründe für den Durchmarsch.

Grund 1: Kaderzusammenstellung

"Wir haben vor der Saison darüber diskutiert, ob der Kader überhaupt drittligatauglich ist!“ Jahns Trainer Heiko Herrlich beschrieb vor Kurzem erneut die Situation zu Saisonbeginn, um die Dimensionen des unerwarteten Erfolgs deutlich zu machen. Nachdem der SSV mit Marco Grüttner, Erik Thommy, Bastian Lerch und Patrik Dzalto nur vier Neuzugänge präsentiert hatte, zweifelte das Umfeld, ob dieses Team den Klassenerhalt schaffen könne. Die Argumente der Fans: Wie soll eine Mannschaft, die schon in der Regionalliga nur knapp und mit einem Punkt Vorsprung Meister wurde, quasi mit nur zwei Verstärkungen für die erste Elf in der 3. Liga bestehen können?

Am Ende sollte sich aber herausstellen, dass die Kaderzusammenstellung von Sportchef Dr. Christian Keller genau richtig war. Die Mannschaft ist im Kern zusammengeblieben, sie kannte sich, sie kannte die Abläufe. Ein funktionierendes Gefüge wurde zusammengehalten und so konnten die Neuzugänge schnell und einfach integriert werden, ein guter Saisonstart war die Folge. Kontinuität ist ein Stichwort, das schon so manche Mannschaft zum Erfolg geführt hat. Übrigens: Auch für die kommende Saison bleibt der Mannschafts-Kern beim Jahn zusammen – ein Umstand, der 2003 und 2012 fehlte und zum direkten Wiederabstieg führte. Nächstes Jahr dürften deshalb aus genau diesem Grund die Chancen größer sein.

Grund 2: Konstanz

Mit 63 Punkten hat der Jahn die zweitwenigsten Punkte aller Zweitliga-Aufsteiger seit Gründung der 3. Liga gesammelt. Nur einmal reichten noch weniger: 2012 brauchte der Drittplatzierte nur 61 Zähler – und das war ebenfalls Regensburg. Die Oberpfälzer haben offenbar ein Gespür dafür, in ausgeglichenen Ligen zuzuschlagen. Denn eines war das Teilnehmerfeld 2016/17 eindeutig: Ausgeglichen! Der Jahn holte Siege bei den heimstarken Teams aus Osnabrück, Magdeburg oder Münster – verlor aber auch beispielsweise bei Absteiger Mainz oder in Bremen. Dennoch gab es einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz: Im Großen und Ganzen waren die Leistungen konstant!

Ausrutscher gab es nicht so häufig, wie sie andere Mannschaften hatten. Am Ende verlor Regensburg in der Rückrunde mit konstanten Leistungen kein einziges Auswärtsspiel und unterlag in den letzten 13 Spielen auch insgesamt nur noch zwei Mal. Aber auch, wenn die Ergebnisse nicht passten, gab es im Grunde stets gute Leistungen. "Ich unterscheide immer zwischen Leistung und Ergebnis“, sagt Heiko Herrlich meist nach Spielen, in denen seine Mannschaft sich nach einem guten Auftritt nicht mit einem Sieg belohnte, so wie im Relegations-Hinspiel. "Mund abwischen, weiter machen“ ging so am einfachsten.

Grund 3: Die Offensive

"Mit einer guten Offensive gewinnt man Spiele, mit einer guten Defensive gewinnt man Meisterschaften“, lautet eine allgemein bekannte Fußballweisheit, die auch Trainer Herrlich des Öfteren präsentierte, wenn ihn Journalisten auf Aufstiegschancen des Jahn ansprachen. "Ich denke, dass am Ende die Mannschaften oben stehen werden, die die wenigsten Gegentore kassiert haben“, schätzte der Jahn-Coach. Und er behielt Recht: Duisburg und Kiel, die besten Defensiven der Liga, stiegen direkt auf. Der Jahn selbst kassierte in der Liga 50 (!) Gegentore, so viel, wie noch kein anderer Verein, der am Ende unter den ersten Drei zu finden war. Es sollte trotzdem für den Aufstieg reichen.

Denn die Offensive der Ostbayern machte die hohe Anzahl an Gegentoren wieder wett, mit 62 Treffern schoss kein Team so viele Tore wie Regensburg. Nur sechs Mal blieben sie ohne eigenen Treffer. Dabei war jeder Offensivspieler gefährlich: Sturmspitze Grüttner traf 13-mal, auch die Flügelstürmer Jann George und Erik Thommy sowie Spielmacher Kolja Pusch zeichneten sich als Torschützen und Vorbereiter aus. Es war schwer, sich auf die variablen Sturmreihen des SSV Jahn einzustellen. Am Ende schaffte es sogar Defensivspieler Marc Lais auf neun Tore! Diese Offensivfreude und Torhungrigkeit sorgte dafür, dass der Jahn 18 Mal mindestens ein Tor mehr als der Gegner schießen konnte – kein Team gewann öfter. Das interessante ist: Heiko Herrlich kritisierte oft die mangelnde Chancenverwertung! Regensburg hätte mit einer besseren Zielgenauigkeit noch einige Tore mehr erzielen können…

Grund 4: Mentalität

"Ich erwarte von meinen Spielern immer, dass sie alles für die Mannschaft geben“, fordert Herrlich stets. Und er hat dabei ein großes Vorbild: Pasquale Passarelli. Der deutsche Ringer gewann bei den Olympischen Spielen 1984 in Los Angeles mit einer unmenschlichen Leistung Gold. 85 Sekunden lang harrte er in der Brücke aus, um vom japanischen Gegner nicht geschultert zu werden, was körperlich nahezu unmöglich ist – noch dazu mit einem verletzten Ellbogen! Diese Aufopferungsbereitschaft, diese Mentalität impfte er seinen Spielern ein, und so überstand der Jahn auch widrigste Verletzungsprobleme. Zu Beginn der Saison fielen dem SSV einige Zeit lang alle fünf (!) Innenverteidiger aus, sodass mit zwei Mittelfeldspielern im defensiven Zentrum gespielt werden musste. Doch die machten ihre Sache gut. "Die Spieler sollen Diener sein für den Verein und für die Mannschaft“, sagt Herrlich. Manche Spieler haben länger gebraucht, als andere, um das zu verstehen. Am Ende aber sollte das der Ausschlag dafür sein, immer wieder Ausfälle kompensieren zu können und mit einem kleinen Etat in die zweite Liga aufzusteigen.

Auch Unterzahlsituationen in Magdeburg oder Duisburg überstand Regenburg am Ende der Saison mit vier Punkten, weil jeder Spieler bereit war, alles für seinen Nebenmann zu tun – die Jahnelf war ein Team! Die „vier Ds“ sind es, die Herrlich seiner Mannschaft vorbetet: Demut, Dankbarkeit, Durchhaltevermögen und Disziplin. Sich selbst nicht zu wichtig nehmen, die Mannschaft in den Vordergrund stellen. "Das was vorne drauf steht (das Vereinswappen) ist wichtiger, als das was hinten drauf steht (der Spielername)“, wiederholte Herrlich auf den Pressekonferenzen fast mantraartig, um seine Philosophie zu erklären. Das lässt sich auch in den, mittlerweile bekannten, Statistiken ablesen: 20 Punkte holte Regensburg alleine nach einem Rückstand! Das Team gab sich nie auf, sondern kämpfte immer bis zum Abpfiff. Und war meistens auf den Punkt da, wenn es gefordert war!

Grund 5: Heiko Herrlich

Kein Spruch, kein Philosophie und keine Anweisung könnte bei den Spielern ankommen, wenn der Trainer sich nicht selbst daran hält. Aber genau das ist beim Jahn der Fall. Heiko Herrlich predigt nicht nur, er lebt seine Philosophie auch vor! Beispielhaft die Pressekonferenz unmittelbar nach dem Aufstieg: Er könnte sich feiern lassen, stolz auf das sein, was er zweifelsohne geleistet hat. Die Fans in der Allianz Arena hoben ihn kurz zuvor noch mit "Heiko-Herrlich-Rufen" in den Himmel – doch der 45-Jährige blieb bescheiden: "Es erfüllt mich mit Demut und Dankbarkeit, dass ich Teil von Jahn Regensburg sein darf!“

Bezeichnend auch die Reaktion, als Oliver Hein und Philipp Pentke ihn auf der Pressekonferenz obligatorisch mit einem Eimer Wasser überschütten wollten – er schickte die Spieler raus und entschuldigte sich bei seinem Gegenüber, Vitor Pereira: "Die Spieler können nichts dafür, sie haben dafür kein Gefühl. Ich bin nicht nur Fußballtrainer, sondern auch Fußballfan. 1860 ist ein toller Traditionsverein, mir tut das auch im Herzen weh, was hier passiert. Ich wünsche dem Verein alles Gute für die Zukunft!“ Auch in der Stunde des Sieges denkt er als großer Sportler an den Verlierer. Die Mannschaft hat diese Philosophie im Laufe der Saison verinnerlichen können, weil sie der Trainer glaubwürdig vorlebt. Heiko Herrlichs Anteil am Aufstieg ist enorm, auch wenn er sich selbst zurücknimmt. "Er ist wohl der beste Trainer, den Jahn Regensburg in den vergangenen Jahren hatte“, lobte auch der Sportchef vor einigen Wochen auf einer Podiumsdiskussion.

   

Das könnte Sie auch interessieren

Auch interessant

Back to top button