Fünf Gründe für den Höhenflug des 1. FC Magdeburg
Dass der 1. FC Magdeburg nach den beiden letzten Spielzeiten mindestens erneut im vorderen Drittel mitmischen wird, war von vielen Experten vor der Saison erwartet worden. Der momentane Sturmlauf beeindruckt allerdings in seiner Vehemenz. liga3-online nennt fünf Gründe, warum die Blau-Weißen so gut in die 3. Liga gestartet sind.
Grund 1: Die Neuzugänge
Neun externe Neulinge verpflichtete der 1. FC Magdeburg vor der Spielzeit, nachdem er elf Akteure abgegeben oder verliehen hatte. Wer den Elbestädtern angesichts der hohen Spielerfluktuation eine überdurchschnittlich lange Eingewöhnungsphase prophezeite, sah sich nach Kurzem getäuscht. Viele Neuzugänge drückten dem Spiel von Trainer Jens Härtel sofort ihren Stempel auf und machten nachhaltig auf sich aufmerksam. Zuvorderst darf man Philip Türpitz nach zehn Spieltagen als Top-Neuzugang der Elbestädter bezeichnen. Die Art und Weise, wie der vom Chemnitzer FC gekommene 26-Jährige das Offensivspiel an sich reißt, erinnert an den in der Sommerpause zum SC Freiburg zurückgekehrten Florian Kath, der ebenso durch Tempo- und Dribbel-Stärke zu beeindrucken wusste. Bei Türpitz ist diese Technik gepaart mit einer fulminanten Abschlusskraft. Der offensive Mittelfeldspieler sucht mit seinem starken rechten Fuß in scheinbar jeder Situation den direkten Weg zum gegnerischen Tor und konnte den 1. FC Magdeburg nach zehn Spieltagen mit vier Treffern und fünf Vorlagen entscheidend voranbringen.
Auch die Qualität von Björn Rother und Dennis Erdmann im defensiven Mittelfeld steigert das Potenzial der Elbestädter deutlich. Der Neuzugang von der Bremer Reserve vermittelt trotz seiner erst 21 Jahre auf der Sechser-Position einen abgeklärten Eindruck. Der aus Rostock zum FCM gestoßene Erdmann versteht es, mit seiner Erfahrung, robusten Spielweise und Präsenz in entscheidenden Momenten Signale für das Team zu setzen. Im Vergleich mit dem zum FC Carl Zeiss Jena abgewanderten Jan Löhmannsröben ist dem FCM-Aufbauspiel im defensiven Mittelfeld eine Weiterentwicklung anzumerken.
Grund 2: Die Breite des Kaders
Mehr als einmal betonte FCM-Trainer Jens Härtel im Saisonverlauf, wie schwierig ihm allein die Zusammenstellung des Spieltagskaders falle, also die Benennung von 18 Spielern. Stammkräfte der letzten Jahre fanden sich ob der gestiegenen Qualität in der gesamten Mannschaft mitunter nur auf der Tribüne wieder. Beispielsweise erwischte dieses Schicksal den jungen Tarek Chahed, der in den letzten beiden Jahren zum Stammpersonal gehörte. Auch die Tatsache, auf den vor der Saison als Königstransfer gehandelten Andreas Ludwig oftmals verzichten zu können, offenbart die erweiterten Fähigkeiten des ehemaligen Europapokalsiegers. Zugleich steigert dieses Plus die Optionen des FCM im späten Spielverlauf einer Partie. Nicht nur die gewohnt hohe Ausdauer der Akteure, sondern auch die Rolle der Joker nach Einwechslungen halten das Level der Spielkultur hoch. So drängen sich Akteure wie Julius Düker, Felix Lohkemper und Florian Pick immer wieder auf und rücken ins Blickfeld für den nächsten Spieltag.
Grund 3: Die spielerische Flexibilität
Wie variabel der FCM seine Spielanlage halten kann, hat sich gerade in den vergangenen beiden Spielen, den 1:0-Erfolgen über Paderborn und Aalen, herausgestellt. Gegen den SCP agierte der Club noch mit einer robusten Doppelsechs und war vor allem auf Torverhinderung und schnelle Nadelstiche aus. Dieses Konzept führte letztendlich zum Erfolg, konnte aber auch aufgrund der beiden fünften gelben Karten für Björn Rother und Dennis Erdmann auf der Ostalb nicht kopiert werden. Gegen seinen Ex-Verein konnte also Andreas Ludwig die Zügel führen und fügte dem ansonsten schnellen Vertikalspiel der Blau-Weißen über die Außen die Komponente eines gestaltenden zentralen Mittelfeldakteurs hinzu. Auch diese taktische Maßnahme ging auf und die Härtel-Schützlinge fuhren ihren ersten Sieg in Aalen seit dem Drittliga-Aufstieg ein.
Nicht unerwähnt bleiben soll die Unberechenbarkeit des FCM im Angriff. Mussten sich die Magdeburger in den letzten Jahren oft den Vorwurf gefallen lassen, nur über das – immerhin sehr erfolgreiche – Spiel von Christian Beck zu Toren zu kommen, so offenbart sich in dieser Saison ein ganz anderes Bild. Während Christian Beck nach zehn Spieltagen erst einmal in den gegnerischen Kasten traf (ausgerechnet im Topspiel gegen Paderborn), trugen sich bereits neun weitere Mannschaftskollegen in die Torschützenliste ein. In der Offensive zeigt sich der 1. FC Magdeburg dabei über Türpitz, Lohkemper, Niemeyer, Schwede oder Düker so flexibel wie lange nicht mehr.
Grund 4: Ruhe im Verein
Zugegeben: Nach 24 Punkten aus zehn Spielen wäre es auch sehr verwunderlich, wenn im Umfeld des Vereins Alarm gemacht würde. Erfolg gebiert eine gewisse Contenance – die Begleiterscheinung im Fall vieler Siege. Es ist nur nicht unbedingt so, dass sich der 1. FC Magdeburg in der Vergangenheit immer an diese Spielregel gehalten hat. Doch seit der Amtsübernahme von Cheftrainer Jens Härtel vor drei Jahren wirkt sich die Gelassenheit der sportlichen Leitung auf den Verein aus, der mittlerweile in sich und auf festen, von gestiegener Leidenschaft getragenen Füßen ruht.
Nicht umsonst brandete nach den beiden Niederlagen, 1:4 in Großaspach sowie 1:3 in Zwickau, kaum Kritik an der sportlichen Leistung auf. Zwar wurden die Fehler angesprochen, doch das Positive in beiden Spielen auch stets deutlich betont. Diese abgeklärte Haltung verfängt auch bei den Anhängern. Die noch zu Regionalligazeiten ausgerufene Bescheidenheit münzt die große Fangemeinde zwar nicht unbedingt auf sich selbst, wenn sie sich – halb selbstironisch, halb aus stolzem Trotz – als "die Größten der Welt" bezeichnet. Doch die Attitüde, den sportlichen Erfolg eher durch kleine Schritte als durch riesige Visionen zu erreichen, ist mittlerweile auch bei den Fans angekommen. Schließlich zeigen auch die in dieser Saison unter den Anhängern wohl meist diskutierten Themen, ob der Club die 10.000er-Dauerkartenmarke knackt und der Hickhack um die Vergabepraxis für das DFB-Pokalspiel gegen Dortmund, dass es rein sportlich bislang nicht ganz so schlecht gelaufen sein kann.
Grund 5: Platz 4 in den letzten beiden Jahren
Klingt merkwürdig, sollte aber ein Anreiz für diese Saison sein. Zweimal, besonders in der vergangenen Spielzeit, haben sich die Blau-Weißen in den entscheidenden Momenten zu brav angestellt und im Aufstiegsrennen lieber ein Remis eingefahren als auf das große Ganze zu gehen. Diesmal will sich der 1. FC Magdeburg nicht noch einmal die Butter vom Brot nehmen lassen. Sollte der Club in der Schlussphase wieder um die Spitzenpositionen mitmischen, hat Kapitän Marius Sowislo ein offensives und mutiges Bekenntnis zum Aufstieg in die 2. Bundesliga angekündigt.