Geduldsprobe fürs Umfeld: Fehlt Arminia die Weiterentwicklung?

Auch wenn Arminia Bielefeld beim 2:2 in Halle spät einen Punkt gerettet hatte: Wirklich gut fühlte sich das vierte Remis in Serie, das fünfte sieglose Ligaspiel nicht an. Das Potenzial und die spielerische Anlage sind fraglos vorhanden, doch der Ertrag steht dazu in immer krasserem Missverhältnis. Zu spüren ist, dass der auferlegte Kurs ersten Fans besonderes Wohlwollen abfordert.

Arminia fehlt Balance

Zu Beginn der zweiten Halbzeit zeigte die Offensive der Arminia an jenem trüben Freitag an der Saale ihre ganze Pracht. Sam Schreck und allen voran Merveille Biankadi, zwei technisch überqualifizierte Spieler für diese 3. Liga, kamen von der Bank – ja, der Zweitliga-Absteiger kann sich den Luxus leisten, solche Akteure als Joker zu bringen. Gerade Biankadi legte die zuweilen überforderten Außenverteidiger des HFC ein ums andere Mal rein, auch Fabian Klos und Manuel Wintzheimer bearbeiteten mit all ihrer Erst- und Zweitliga-Erfahrung die Schießbude der Liga gehörig. Grotesk war, dass die Schwarz-Weiß-Blauen aus diesem Powerplay nicht einen einzigen Treffer generierten, wo aus dem zwischenzeitlichen 1:1-Remis durchaus ein 3:1, 4:1 hätte entstehen können. So brauchte sich der Gast nicht nur über die zahllosen strittigen Schiedsrichter-Entscheidungen jenes Tages ärgern, sollen anderen voran über seine eigene Ineffizienz. Eine, die sich seit Wochen durch das eigene Spiel zieht.

Angesichts der aktuellen Torbilanz klingt das paradox, denn mit 30 erzielten Toren ist der DSC in dieser Kategorie bereits im erweiterten Spitzenkreis der Liga. Doch auch die Kehrseite, die bereits 30 kassierten Gegentore, machte der DSC am Freitagabend deutlich. In Summe hatte Halle weniger Abschlussgelegenheiten, doch Lücken fanden die Hausherren immer wieder. TV-Experte Steven Ruprecht verzweifelte am Mikrofon von "MagentaSport" zuweilen an der mangelnden Organisation der Bielefelder Abwehr. "Sie übergeben in Situationen, wo es nichts mehr zu übergeben gibt“, kritisierte der ehemalige Innenverteidiger vehement. Auch das Fehlen eines klassischen Sechsers, auf den Arminia-Trainer Mitch Kniat zugunsten der gewünschten Spieldominanz zwischen den Strafräumen verzichtet, kostet die Ostwestfalen viel Körperlichkeit im Mittelfeld. Der Arminia fehlt Balance.

Keine Weiterentwicklung? Mutzel widerspricht

"Wir wollen die letzten fünf Spiele des Jahres erfolgreich gestalten, was auf jeden Fall heißen würde, dass wir klettern wollen." Diese Ansage tätigte Trainer Kniat vor dem Auswärtsspiel in Lübeck, das zweieinhalb Wochen zurückliegt. Nie war der DSC weit weg, erst recht nicht beim VfB, wo er eine 2:0-Führung verspielte. Daheim gegen Aue das umgekehrte Bild, Arminia egalisierte unter großem Aufwand einen 0:2-Rückstand, in Halle schließlich schaffte die Kniat-Elf beides – Vorsprung vergeben, Nachteil aufholen. Und immer wieder steht das ominöse 2:2 auf der Anzeigetafel. "Hätte, hätte"-Gedanken lassen sich nur schwer vertreiben, denn mit 28 statt 22 Punkten stünde die Arminia mittendrin im Verfolgerfeld, dürfte mindestens auf den dritten Platz hoffen. Angesichts der Leistungsansätze sollte jeder Verantwortliche dieses Szenario für möglich halten. Allein der Weg, den Vorjahres-Aufsteiger VfL Osnabrück ab diesem Zeitpunkt der Saison nahm, mahnt dazu, eine Saison niemals vorzeitig abzuschreiben.

Man könnte somit zu dem Schluss kommen, Arminia fehlt die Weitereinwicklung. "Genau das Gegenteil ist der Fall", widerspricht Sport-Geschäftsführer Michael Mutzel gegenüber liga3-online.de jedoch. Der 44-Jährige verweist darauf, dass die Mannschaft in den vergangenen Wochen "gute Spielleistungen gezeigt" habe, wenngleich sie sich für den betriebenen Aufwand "zu selten belohnt" habe. "Seit der 1:3-Niederlage beim SC Verl (3. Oktober, d. Red.) haben wir bis auf eine Ausnahme konstant gepunktet, drei Siege und fünf Unentschieden geholt." Das zeige, dass Arminia in der zweiten Saisonhälfte insgesamt deutlich stabiler und nur schwer zu schlagen sei. Gerade im Offensivspiel habe sich der Zweitliga-Absteiger "stark verbessert", was 18 Tore in neun Spielen belegen würden. "Zudem haben inzwischen 14 verschiedene Spieler getroffen. Auch unsere Defensive hat sich stabilisiert. Leider wurden die wenigen Fehler in den letzten Spielen gegen Lübeck, Aue oder Halle von unseren Gegnern eiskalt ausgenutzt." Dadurch würde aktuell einige Zähler fehlen, "die wir uns meiner Meinung nach verdient hätten".

Zwei Kracher-Heimspiele als große Chance

Ersten Fans geht die nackte Realität nichtsdestotrotz gegen den Strich. Denn der Blick auf die Tabelle wird zur immer größeren Geduldsprobe: Der eine Mitabsteiger heißt Jahn Regensburg und grüßt mit allerbesten Aufstiegsaussichten von der Spitze. Der andere, der SV Sandhausen, sah sich zwar schon zu einem Trainerwechsel gezwungen, läuft aber auch immer heißer – acht Punkte beträgt Arminias Rückstand auf den SVS schon. Immerhin, so argumentiert mancher, deutet sich nach dem Absturz aus der Bundesliga endlich wieder eine Saison ohne Abstiegssorgen an. Lebhafte Debatten sind garantiert, in denen das Für und Wider einer "Übergangssaison" diskutiert wird, um im kommenden Jahr anzugreifen. Doch ist die Mannschaft dafür nicht vielleicht schon zu gut? Könnte es mit gezielten Defensivverstärkungen im Winter nicht sogar noch möglich sein, eine berauschende Rückserie zu spielen? Euphorie würde das so oder so auslösen, allemal mehr als ein gemächliches Eintrudeln im Mittelfeld.

Vereinzelte Kritik hin oder her: Lebhaft ist diese Arminia in jeder Hinsicht. "Die Mannschaft lebt brutal, die lässt sich durch nichts unterkriegen", sagte Kapitän Klos nach dem 2:2 in Halle bei "MagentaSport". Der 36-Jährige hat als Einziger, der schon in den Krisenjahren 2021/22 und 2022/23 (und noch bedeutend länger) Arminia die Treue hielt, gute Erfahrungswerte, was ein funktionales und was ein dysfunktionales Team auszeichnet. Entsprechend groß ist vor dem Heimspiel-Doppelpack gegen 1860 München (Sonntag) und Dynamo Dresden (Mittwoch) die Hoffnung, das Jahr 2023 unterm Strich erneut verkorkste Jahr mit der Aussicht auf bessere Zeiten zu beenden. Insbesondere das Duell mit Dresden bietet eine gewaltige Chance, das eigene Potenzial zu untermauern. Mindestens 15.000 schwarz-weiß-blaue Fans, wahrscheinlich noch einige mehr, dürften den traditionsreichen Paarungen beiwohnen – ein weiteres Indiz für das gewaltige Potenzial, das nach wie vor im DSC schlummert. Und das geweckt wird, wenn es Arminia Bielefeld so bald wie möglich schafft, Fehler zu minimieren und als Folge das Aufwand-Ertrag-Verhältnis zu korrigieren.

   

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