"Gewisse Demut haben": Härtel verzichtet auf Kampfansage
Bereits Mitte Dezember verpflichtet, ist Jens Härtel am Donnerstag im Rahmen einer Pressekonferenz auch offiziell als neuer Trainer des FC Erzgebirge Aue vorgestellt worden. Auf eine Kampfansage verzichtete er an seinem ersten Arbeitstag aber.
"Wir sind ambitioniert"
Über ein Jahr lang war Jens Härtel nach seinem Aus bei Eintracht Braunschweig ohne Verein, nun ist der 55-Jährige zurück – und geht die Aufgabe in Aue mit "großer Vorfreude" an, wie er am Donnerstag sagte. "Wenn man 14 Monate zu Hause ist, dann brennt man förmlich wieder mit einer Mannschaft auf dem Platz zu stehen und mit ihr was erarbeiten zu wollen", so der 55-Jährige, der die unfreiwillige Pause nach eigenen Angaben zwar gut nutzen konnte, sie aber als "einen Ticken" zu lang empfand. Nach dem 1. FC Magdeburg und Hansa Rostock sind die Veilchen die dritte Station des gebürtigen Sachsen in der 3. Liga. Mit beiden Klubs schaffte Härtel den Aufstieg in das Bundesliga-Unterhaus, auch Aue will mittelfristig zurück in die 2. Liga.
Auf eine Kampfansage, den Aufstieg schon für diese Saison als Ziel auszurufen, verzichtete der 55-Jährige aber: "Man muss eine gewisse Demut für diese Liga haben und sie akzeptieren. Und dann kann man es vielleicht auch schaffen, sie irgendwie mal nach oben zu verlassen. Aber wir werden uns heute nicht hier hinstellen und sagen, dass wir unbedingt aufsteigen müssen." Gleichwohl sei der FCE natürlich ambitioniert. "Wir wollen das Maximum, was wir mit der Mannschaft erreichen können." Dazu sei es wichtig, möglichst keine Verletzten zu haben und sich keine "sinnlosen Sperren" einzufangen. "Und dann braucht man immer auch ein bisschen Glück. Das gehört dazu, wenn man den ganz großen Wurf machen will." Mit 29 Punkten nach 19 Spielen liegen die Veilchen derzeit auf Platz 7 – mit nur drei Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz. "Das ist eine gute Ausgangsposition für uns", sagte Härtel und dankte seinen Vorgängern Pavel Dotchev und Jörg Emmerich, der in den letzten drei Partien vor der Winterpause interimsweise übernommen hatte.
Schon 2022 ein Thema
Bereits 2022 war Härtel in Aue ein Thema, damals seien beiden Seiten aus "verschiedenen Gründen" nicht zusammengekommen. Im zweiten Anlauf hat es nun geklappt. "Ich kenne die Region", nannte der 55-Jährige einen der Gründe, warum er sich dazu entschieden hatte, das Angebot des FCE anzunehmen. "In Aue war ich zwar noch nicht so oft, aber trotzdem hat man natürlich immer mitbekommen, was hier passiert. Und wenn man sieht, was hier entstanden ist, wenn man sieht, was für eine Wucht dieser Verein in einer Stadt mit 18.000 Einwohnern entwickelt, dann macht es einfach Spaß hier zu arbeiten."
Am Mittag stand Härtel erstmals mit der Mannschaft auf dem Platz. Alles umwerfen will der 55-Jährige nicht, zumal die Hinrunde – abgesehen von einer zwischenzeitlichen Schwächephase – durchaus erfolgreich verlaufen war. "Die dominante Spielweise wollen wir beibehalten und wollen nach vorne spielen", kündigte Aues neuer Coach an. Gerade im Erzgebirge gehöre das "aggressive Spiel gegen den Ball" einfach dazu, stehe der Klub aus der ehemaligen Bergbauregion doch für Mentalität. Steigerungspotenzial sieht der 55-Jährige vor allem bei Standardsituationen. Denn während der FCE bereits acht Gegentore nach ruhenden Bällen kassiert hat, gelangen erst drei eigene Treffer aus Ecken und Freistößen. Auch am Umschaltverhalten nach Ballverlust will Härtel arbeiten, ebenso will er mit dem Team verschiedene Systeme einstudieren, um flexibel zu bleiben.
Thielemann kommt vorerst nicht
Ob die Mannschaft noch verstärkt wird, vermochte der gebürtige Rochlitzer noch nicht zu sagen: "Mit der Kaderplanung habe ich mich jetzt erstmal nicht so intensiv beschäftigt." Zunächst will Härtel den bisherigen Kader unter die Lupe nehmen. Im Sturm besteht allerdings Bedarf, es fehlt an einer Alternative zu Marcel Bär. Seinen langjährigen Co-Trainer Ronny Thielemann wird es indes nicht nach Aue verschlagen – zumindest vorerst. "Natürlich hat man eine Idealvorstellung, aber wir leben in der Realität und Dinge sind nicht immer zu 1.000 Prozent so umzusetzen, wie man sich das wünschen würde", so Härtel.
Worauf der 55-Jährige damit wohl anspielte: Momentan steht Thielemann bei RB Leipzig unter Vertrag, wo er als Co-Trainer der U19 fungiert. Dass Härtel nun erstmal mit dem beststehenden Trainerteam Vorlieb nehmen muss, ist für ihn aber kein Problem: "Ich bin zufrieden mit dem, was ich hier vorfinde." Jetzt soll angepackt werden, um in knapp zwei Wochen gegen Hannover II mit einem Sieg in die Rückrunde zu starten. Angesichts von Schnee- und Regenfällen waren die äußeren Bedingungen zum Auftakt nicht optimal, dafür können sich Härtel und Co. aber auf das Trainingslager in der Türkei freuen, das Aue ab Samstag für eine Woche beziehen wird.