Halbjahres-Analyse: Das Zeugnis für die Drittligisten #1
Die Hinrunde ist noch nicht ganz absolviert, doch die Fußball-WM in Katar zwingt uns in eine verfrühte Winterpause. Zeit, die 3. Liga dem großen Halbjahres-Check zu unterziehen: Für jeden der 20 Teilnehmer gibt es ein kurzes Fazit und eine Hinrunden-Note. Wir machen den Anfang in der unteren Tabellenhälfte, im zweiten Teil folgen dann die Spitzenteams.
Lage: Könnte alles besser sein, könnte alles schlechter sein. Im Ruhrpott ist man pragmatisch, an der Duisburger Wedau besonders. Vorbei sind die fetten Jahre, in die der MSV mindestens als Mitfavorit ging. Corona wirkt nach, das Geld ist knapp, im Hintergrund gibt es einen Streit mit Sponsor Schauinsland-Reisen, der offenbar die Ablösung von Sportchef Ralf Heskamp fordert – eine verzwickte Lage, denn wenn dieser vorab geliehenes Geld bald zurückfordert, steht die Existenz auf dem Spiel – es droht die Insolvenz. In all dieser Gemengelage machen sich die Zebras ordentlich, die Hälfte ihrer 22 Punkte hatten sie allerdings schon nach sechs Spieltagen auf dem Konto. Spitzenteams zeigen Duisburg regelmäßig die Grenzen auf, bitter war auch aus finanzieller Sicht das Ausscheiden aus dem Niederrheinpokal. Ein Jahr ohne Abstiegsangst wäre nun ein Anfang, aber eine fruchtbare Langfristperspektive für den MSV wird weiterhin gesucht.
Note: 3-
Lage: Ein Platz im soliden Mittelfeld mit ganz wenig Geld und Infrastruktur sowie 17 Auswärtsspielen: Der Sportclub Verl schreibt seine bemerkenswerte Geschichte im dritten Drittliga-Jahr einfach weiter. Der Saisonstart wurde verpatzt, ein 0:1 bei Aufsteiger Oldenburg brachte den kollektiven Weckruf. Seither sind die Verler Experten für direkte Duelle im Keller, besiegten Zwickau, Duisburg, Bayreuth und Aue. Ihr Sahnehäubchen war das 2:1 beim souveränen Herbstmeister Elversberg. Muss noch erwähnt werden, dass mal wieder etliche Leistungsträger ersetzt werden mussten? Verl bediente sich der Devise "Viel hilft viel" und holte mehr als 20 (!) neue Leute. Unter so vielen Losen war selbstverständlich auch die eine oder andere Niete, Spieler wie Maximilian Wolfram und Yari Otto haben sich aber zu wichtigen Figuren gemausert. Der unterschätzte Kapitän Mael Corboz sowie ein leidenschaftlicher Michél Kniat an der Seitenlinie machen das Gesamtpaket rund.
Note: 2-
Lage: Der wuchtige Traditionsverein zwischen Emscher und Ruhr legte sich bei der Rückkehr ins Profigeschäft erstmal krachend auf die Nase. Doch die fünf Gegentore gegen Elversberg sind Monate später einfach zu verschmerzen. Erstens aufgrund der zu Saisonbeginn nicht vorhersehbaren SVE-Dominanz in der 3. Liga. Und zweitens, weil RWE sich in die Saison hineingefuchst hat. Mit Kalibern wie Felix Götze und Clemens Fandrich nachrüsten zu können, zeugt von der Power, die Rot-Weiss im Hintergrund mobilisieren kann, die regelmäßig mehr als 15.000 Fans erst recht. Essen, das ist eine Attraktion geworden, das inklusive des abschließenden Auswärtsspiels bei 1860 München nun sieben Mal in Serie ungeschlagen blieb und damit auch sportlich längst sein Dasein rechtfertigt. Angesichts des Kaders und der eigenen Erwartungen gibt’s trotzdem "nur" eine solide Note – die obere Tabellenhälfte sollte mit diesen Mitteln perspektivisch drin sein.
Note: 3+
Lage: Das Beste an diesem BVB-Halbjahr ist wohl die Punktebilanz. Aus 13 Toren 18 Zähler zu ergaunern, ist eine sehr effiziente Darbietung der ansonsten enttäuschenden Dortmunder Reserve um Trainer Christian Preußer. Wechselhafte Auftritte und zu viele gebrauchte Tage (0:4 gegen Ingolstadt, 0:3 in Dresden, 0:2 gegen Köln, 0:1 gegen Aue) führen direkt ins trübe hintere Mittelfeld. Immerhin gelangen im Oktober drei Siege am Stück gegen Duisburg, Meppen und Verl – drei potenzielle Konkurrenten im Abstiegskampf. Das spielerische Selbstverständnis, das Trainer-Vorgänger Enrico Maaßen vor seinem Wechsel zu Bundesligist Augsburg den BVB-Talenten eintrichterte, ist noch nicht wiederhergestellt. Vielleicht aber passen sich die schwarz-gelben Junioren auch nur ihren Vorbildern an. Die Mentalitätsfrage ist in Dortmund ja fast älter als das Stadion Rote Erde, dessen Sanierung den schwächelnden Borussen zuletzt auch noch ihren Heimvorteil raubte.
Note: 4
Lage: Elf Jahre 3. Liga in Halle, das ist eine respektable Konstanz – kaum ein anderer Verein steht mittlerweile so sehr für diese Spielklasse, keiner ist länger dabei. Infolge eines ordentlichen Kaderumbruchs im Sommer setzt der HFC unter Trainer André Meyer auf viele unbeschriebene Blätter, die ganz großen Individualisten gibt es an der Saale schon länger nicht mehr. Und so steht Halle genau dort, wo man eine solche Mannschaft auch erwartet: im hinteren Mittelfeld, nach dem 1:2 gegen Saarbrücken punktgleich mit den Abstiegsrängen. Ist das angesichts der Leistungen verdient? Eher nein, denn Halle spielt keinen schlechten Fußball Fußball, hat etwa genauso viele Tore erzielt wie der Vierte Ingolstadt (24). Kriegt allerdings auswärts überhaupt kein Bein auf den Boden, zwei Zähler aus acht Anläufen gab es nur – verrückt sind diejenigen, die immer noch erwartungsvoll mitfahren. Mit etwas mehr Konstanz wäre ein Sprung in sichere Tabellenregionen bestimmt möglich.
Note: 4+
Lage: 54 Tore fielen in Begegnungen, an denen der Aufsteiger aus dem hohen Norden beteiligt war – mehr waren es nur in Elversberg und Osnabrück. Kleines Problem: Fast zweimal scheppert es pro Partie im VfB-Kasten, ein bisschen viel, selbst für einen Liganeuling. Unterteilen lässt sich die Hinrunde in drei Akte: Einen Punkt hatten Dario Fossi und seine Mannen nach den ersten 360 Saisonminuten – ein Fehlstart. Dann folgten die Feierwochen, 14 Zähler aus sechs Spielen, keiner konnte Oldenburg besiegen. Ein 4:3 über den VfL Osnabrück, ein Auswärtssieg im großen Dortmunder Stadion – der VfB schrieb Vereinsgeschichte. Und verlor danach völlig den Faden, es gab sechs Pleiten in Serie und zuletzt noch das 1:1 gegen Mannheim, eine gefühlte Niederlage. Wer Anspruch und Realität vergleicht, stellt allerdings fest: Die Niedersachsen schlagen sich wacker. Obs am Ende für ein weiteres Drittliga-Jahr reicht, ist aber fraglich.
Note: 3-
Lage: Es gilt wieder einmal kreativ zu werden beim FSV Zwickau. Geld für Wintertransfers gibt es laut Bekundungen der eigenen Geschäftsführung nicht, der Mini-Etat von unter drei Millionen Euro ist bereits ausgeschöpft. Ob das Vorhandene reicht, um im verflixten siebten Jahr erneut zu bestehen? Ein Platz in der oberen Tabellenhälfte, wie ihn die Schwäne tatsächlich in vier von sechs Drittliga-Spielzeiten erreicht haben, ist jedenfalls utopisch. "Sehr, sehr stolz" war Trainer Joe Enochs nach dem 0:0 in Dresden, ein wenig Starkreden kann ja nicht schaden. Dass es vorne ohne verlässlichen, weil auch kaum gefütterten Stürmer eng wird und hinten der lange Ausfall von Filip Kusic (Kreuzbandriss) den schlanken Kader vor die nächste Zerreißprobe stellt, ist ja ohnehin absehbar. Die gute Nachricht: Nur aufgrund der schlechteren Tordifferenz stehen die Schwäne unter dem Strich.
Note: 4
Lage: Ohne den Auswärtssieg in Dortmund am vergangenen Wochenende, der dem Erzgebirgsklub etwas Leben einhauchte, hätten wir auch ein "Ungenügend" ziehen können: Kein anderer Drittligist verfehlte die Erwartungen derart wie der FCE, der als Zweitliga-Absteiger eigentlich eine Rolle im Verfolgerfeld anvisiert hatte und an den ersten neun Spieltagen teils böse unter die Räder kam. Das 1:5 gegen Wiesbaden sowie das 0:1 gegen Rivale Zwickau waren zwei Tiefpunkte dieser Phase, auf die nach dem Aus von Trainer Timo Rost und dem Aufbäumen unter Interimscoach Carsten Müller noch eine zweite Krise folgte. Woran die Underperformance liegt, ist mit Blick auf einen eigentlich ziemlich drittliga-erfahrenen Kader schwer zu erklären. Gefunden hat sich die Mannschaft jedenfalls noch nicht, und Wintertransfers sind unabdingbar, denn ein Absturz in die vor Traditionsklubs ächzende Regionalliga Nordost kann Aue um Jahre zurückwerfen.
Note: 5-
Lage: Unerschütterliche Treue oder schiere Ohnmacht im Emsland? 13 Spiele lang ist Trainer Stefan Krämer ohne Sieg, verlor sechs der letzten acht Spiele und durfte dabei gerade mal ein Tor bejubeln, doch an einen Rauswurf denkt der auf den vorletzten Platz abgerutschte SV Meppen noch längst nicht. Das ist aller Ehren wert und vielleicht auch nicht unklug, denn finde erstmal eine Leitfigur, die sich besser mit der schweren Ausgangslage identifiziert als der krisenerprobte Lockenkopf. Zwei, drei Führungsspieler wünscht Krämer sich trotz kleiner Kassen bei den Niedersachsen – vor allem für die schwache Offensive, die in zehn von 17 Spielen ohne Tor blieb. Als zusätzlicher "Neuzugang" wird sehnlichst Kreativspieler Luka Tankulic nach langer Meniskusverletzung zurückerwartet, in der Hinrunde war ohne ihn abseits des völlig aus der Reihe tanzenden 6:2-Spektakels gegen Mannheim offensiv tote Hose.
Note: 5
Lage: Die "Oldschdod" musste Lehrgeld bezahlen: Trotz eines attraktiven Ansatzes, im Vorjahr gelangen dem Aufsteiger aus Bayern ja noch mehr als 100 Tore, ist der Sprung in die 3. Liga bislang ein zu großer. Elf Törchen folgten auf das Regionalliga-Spektakel nur noch, keiner hat mehr Niederlagen (10), keiner ein schlechteres Torverhältnis (minus 18). Ob es für alle Beteiligten besser gelaufen wäre, hätte Ex-Trainer Timo Rost nicht den Sprung zu Erzgebirge Aue gewagt? Er ist gescheitert, Aue krampft vor sich hin, und Rost-Nachfolger Thomas Kleine tut sich abseits weniger Glanzmomente wie dem verdienten 1:0-Sieg über 1860 München auch schwer. Hinzukommt das enorme Pech bei Schiedsrichter-Entscheidungen: Schon achtmal wurden die Oberfranken laut liga3-online.de-Experte Babak Rafati bei Elfmetern benachteiligt (Liga-Spitze), gleichzeitig profitierte die Spielvereinigung als einziger Klub noch von keiner Fehlentscheidung beim Gegner. Ohne Wintertransfers wird die bescheidene individuelle Qualität wohl nicht reichen. Was Hoffnung macht, ist aber die Tatsache, dass das rettende Ufer "nur" drei Punkte entfernt ist.
Note: 5+