Hallescher FC: Vom lauen Lüftchen zum schlafenden Riesen
In einer Saison, in der die vermeintlichen Aufstiegsaspiranten praktisch wöchentlich wechseln, ist der 1. FC Heidenheim so etwas wie die einzige Konstante. 18 Siegen stehen 10 Spiele mit Punktverlust gegenüber, lediglich zwei Niederlagen setzte es für die Elf von Trainer Frank Schmidt. Eines der Teams, die gegen den Tabellenführer zumindest einen Punktgewinn einfahren konnte, ist seit vergangenem Wochenende nun auch der Hallesche FC, die Mannschaft, die in etwa den krassen Gegenpol zu den Heidenheimern darstellt. Praktisch immer, wenn man in der laufenden Saison der Meinung war, die Mannschaft von Sven Köhler endlich, positiv wie negativ, definieren zu können, überraschten die Hallenser. Mal mit haarsträubenden Niederlagenserien, dann wieder als abstiegsplatziertes Team mit einem deutlichen Auswärtssieg gegen einen Aufstiegskandidaten. Allerdings beweist erst ein schlichtes 0:0 in Heidenheim, dass der HFC endlich angekommen ist und zu sich gefunden hat.
Endlich ein Mannschaftsgeist
Was sich seit der Winterpause angekündigt hatte, wurde in Heidenheim Klarheit: Nach dem Umbruch im Sommer, den Rückschlägen zu Saisonbeginn, dem folgenden Höhenflug im Herbst und dem krassen Absturz im Winter hat sich ein Mannschaftsgeist entwickelt, der nicht nur mannschaftsintern endlich für ein Miteinander sorgt, sondern auch das vielzitierte „unsichtbare Band“ zwischen Trainer und Mannschaft wiederherstellen konnte. Wirkten die Spieler und Sven Köhler vor der Winterpause noch so, als würden sie aneinander vorbeikommunizieren, so konnte man im Stresstest gegen den übermächtigen Tabellenführer seit Monaten endlich wieder die taktischen Feinheiten erkennen, die Sven Köhler ausmachen. Die Mannschaft begann zwar auf de Papier offensiv, lies die spielerischen Grenzen aber, unter höchster Disziplin, vorerst von den Hausherren abstecken, was zu einigen Möglichkeiten der Heidenheimer führte, die aber sofort aus der Gefahrenzone geklärt werden konnten. Nur zaghaft wurde die Defensive des Gegners auf die Probe gestellt, man verließ sich stattdessen eher auf das sichere Spiel und auf das Bewusstsein, praktisch jederzeit selbst mit einem giftigen Konter zuschlagen zu können.
HFC drückt Heidenheim die eigene Taktik auf
Genau diese Konter prägten dann auch das Bild der zweiten Hälfte, in der die Hallenser nun voll auf die individuelle Stärke ihrer Dribbler Francky Sembolo, Akaki Gogia und Björn Ziegenbein setzten, während der Rest weiterhin diszipliniert verteidigte. Bemerkenswert, dass es dem Tabellenführer nicht gelingen wollte, seine eigentlich vorhandene sportliche Überlegenheit auszuspielen, zu selbstbewusst agierten die Saalestädter. Man könnte beinahe behaupten, der HFC habe den Heidenheimern seine eigene Mauertaktik aufgedrückt. Doch was bedeutet das für die Hallenser und, viel wichtiger, wieso konnte man das Spiel nicht gewinnen? Wie Sven Köhler schon früher zu sagen pflegte: „Wenn wir perfekt spielen würden, wären wir nicht Dritt-, sondern Bundesligist.“ Auch im Spiel gegen Heidenheim war in den Angriffen zu merken, dass nach wie vor Luft nach oben ist. Die Quote von 13:6 Toren seit der Winterpause ist für hallesche Verhältnisse zwar überragend, trotzdem war ein Sieg gegen Heidenheim im Bereich des Möglichen.
Auf dem Weg zum Erfolg 14/15?
Man kann nun kritisieren, oder aber mit Freude in die Zukunft schauen, denn dem Abstieg dürften die Mannen von der Saale nun endgültig entronnen sein und da kein weiterer Umbruch in der Sommerpause geplant ist, könnte die kommende Saison für die Saalestadt höchst interessant werden. Die Schlüsselpositionen stehen, die Leihspieler Robert Schick, Sören Bertram und Francky Sembolo haben bei ihren Muttervereinen aus jetziger Sicht keine große Perspektive und allesamt nur noch ein Jahr Vertrag, sodass eine Weiterverpflichtung bei keinem der drei utopisch erscheint. Priorität dürften aber die Vertragsverlängerungen von Pierre Kleinheider, Tim Kruse und womöglich auch Björn Ziegenbein haben. Sichert man deren Verbleib, so könnte der „schlafende Riese“ HFC schon in der kommenden Saison geweckt werden.
FOTO: Markus Bölke